Historischer Beitrag

ACON wird 50 Jahre:

Chiropraktik und Osteopathie im Lichte der Ganzheitsbehandlung

von Willi Schmidt (1959)

In diesem Oktober 2010 begeht die  Arbeitsgemeinschaft  Chiropraktik, Osteopathie und Neuraltherapie der deutschen Heilpraktiker ­(ACON) ihr 50jähriges Gründungsjubuläum.

Grund genug, daran zu erinnern, dass die deutschen Heilpraktiker nach dem Krieg  die Chiopraktik aus dem angelsächsischen Raum nach Deutschland geholt und hier populär gemacht haben. Erst danach entseckten einzelne Ärzte den Wert dieser Therapie und nannten Sie - um sich abzusetzen - „Chirotherapie“.

Willi Schmidt war wie kaum ein anderer mit der Chiropraktik der Heilpraktiker verbunden. Mit ihm stieg die „Arbeitsgemeinschaft Chiropraktik, Osteopathie und Neuraltherapie der deutschen Heilpraktiker ­(ACON)“ zu ihrer großen Blüte auf. 

Sein Bemühen galt der Eingliederung der Chiropraktik und Osteopathie in den  Gesamtzusammenhang naturheilkundlicher Denkweise, die ihr Augenmerk nicht so sehr auf die Krankheiten richtet als auf die unterschiedlichen Kranken und deren auch durch Konstitution bedingte individuelle Krankheitsausprägung.

Willi Schmidt hat eine Fülle von wunderbaren klärenden Artikeln in der NATURHEILPRAXIS veröffentlicht.

I.

Die menschliche Wirbelsäule und die Gelenke der Extremitäten sind zwar sehr wichtige, aber eben doch nur Teile des gesamten Organismus. Eine manuelle Therapie, welche sich mit den Störungen und Erkrankungen dieser Skeletteile befaßt, darf deren Eigenschaft, „Teile eines Ganzen“ zu sein, nie vergessen. Mithin ist dieses therapeutische Arbeitsfeld, wie auch die speziell auf dieses Gebiet abgestellte manuelle Therapie, nur ein Glied in der Kette der gesamten therapeutischen Disziplinen. Betreiben wir eine chiropraktisch-osteopathische Technik am Skelett, ohne diesen Zusammenhang mit dem Organismus zu bedenken, werden wir in vielen Fällen Schaden stiften. Was wir wollen, ist aber doch gerade das Gegenteil, das „nil nocere“. Das jedoch kann uns nur gelingen, wenn wir die funktionelle Bedeutung der zu behandelnden Teile im lebendigen Zusammenklang sämtlicher körperlicher Funktionen beachten.

Wir können also ein Gelenk oder einen vermeintlich falsch stehenden Wirbel nicht nach vorgeschriebener Technik von der einen nach der anderen Seite justieren, weil wir nicht ohne weiteres wissen, ob dies für die Gesamtfunktion jeweils gut und richtig ist. Es besteht die Möglichkeit, daß der Körper durch ein von außen kommendes, mechanisches Ereignis gezwungen ist, mit einem Bewegungssegment auszuweichen, um die Gesamtstatik in Relation zur Gravitation zu erhalten. Gelingt es dem Körper nicht, die exogen entstandene Störung am Einwirkungsort zu beseitigen, muß der mit dem Ausweichmanöver betraute Hals- oder Lendenwirbel in der anomalen, aber zweckmäßigen Lage verbleiben – er muß im Dienst am Ganzen seine bequeme Normalstellung aufgeben. Man nennt eine solche Situation „kompensatorische Fehlstellung“ und spricht von einem „status quo“.

Nun gibt es für den Skelett-Therapeuten zwei Möglichkeiten des Eingreifens. Im einen Falle arbeitet er nach Feststellung des lokalen Befundes mit „gezielter Technik“ und versucht, den vermeintlichen (!) Übeltäter in seine anatomische Normallage zu bringen. Mit etwas brachialer Gewalt wird es ihm wahrscheinlich auch gelingen. In seinem Stolz über das gelungene Werk wird er kein Verständnis haben für den nun wieder dekompensierten statischen Apparat, denn er hat ja nur den nach seiner und der anatomischen Anschauung als falschstehend erachteten Einzelwirbel in die Lehrbuchordnung gebracht. Es war zwar mühevoll, denn der Körper widersetzte sich nach Kräften dem falschen Unternehmen, aber es gelang dem „tüchtigen Therapeuten“ dennoch. Damit aber war für den bedauernswerten Patienten der statische Notstand geschaffen.

II.

III.

...


weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 10/2010