SPEZIAL

Die Weinrebe – Vitis vinifera

Eine Pflanze zwischen den Polaritäten

Von Natascha von Ganski

Bei der Erforschung der unendlich vielen Schriften, die dem Wein gewidmet sind und bei der Betrachtung dieses rankenden Gewächses überkommt mich schon etwas Ehrfurcht – in der Art, die wohl jeder kennt, wenn er in unmittelbarer Nähe alter, knorriger Bäume steht.

Die Weinrebe ist in allem, was sie zu bieten hat, vergleichbar mit der Komplexität und Vielschichtigkeit des Menschen. Beginnend mit der sogenannten Erziehung der jungen Weinpflanze bis zum Erreichen der fruchtbarsten Jahre und dem anschließenden Nachlassen der Lebenskräfte um das 70. Lebensjahr, finden sich – man möchte fast sagen – erstaunlich viele Parallelen zum Menschen.

Dass sich die Kultur des Weinanbaus und die vielfache Nutzung – vom Genussmittel bis zu Anwendungen in der Medizin – zeitgleich mit der Kultur des Menschen entwickelt hat, ist ein weiteres Merkmal der uns so nahe stehenden Pflanze.

Die vermutlich ältesten Spuren des Weinanbaus sind im Kaukasus zu finden und führen auf eine Zeit von 5000 v. Chr. zurück. Exakte Aussagen hierzu, wo genau und wie Wein genutzt wurde, lassen sich nur schwer ausmachen. In der Nähe des Kyffhäusers bei Bilzingsleben fand man den Abdruck eines Weinblattes auf einem Travertingestein nahe einer menschlichen Siedlung. Vermutlich ist dies der älteste Nachweis in der Verbindung „Mensch – Wein“, die in eine Zeit bis 350.000 Jahren zurückreicht.

Zur Familie der Vitaceae (Weinrebengewächse) gehörend und taxonomisch (taxis = Ordnung) als Vitales bezeichnet, offenbart uns die Weinrebe allein mit dieser Benennung viel über die ihr innewohnenden Kräfte.

Die 16 Gattungen mit ca. 850 Arten sind, bis auf die extrem klimatischen Zonen, auf allen Kontinenten der Erde vertreten.
Diese vitalen und Leben spendenden Eigenschaften spiegeln die rauschenden und wohl nicht minder berauschenden Feste griechischer Anhänger des Dionysoskultes, die in der Zeit um 2200 und 1400 v. Chr. gefeiert wurden.
Es dauerte nicht lange, da schwappte die Mode nach Rom über und es wurden – zu Ehren des Bacchus, der dem griechischen Weingott Dionysos in nichts nachstand – gleichartige Kultzeremonien abgehalten.
Jedoch hat man im Laufe der Christianisierung den Bacchuskult mit strengen Auflagen belegt und schließlich gänzlich verboten. Komplett verbannt werden konnte dieses heidnische Relikt jedoch nicht. Der gesegnete Wein in den Kirchenmessen wird heutzutage noch als Blut Christi bezeichnet. Das Kind hat also nur einen anderen Namen erhalten.

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Verfasserin:
Natascha von Ganski
Heilpraktikerin
alcimia – Schule für Heilpflanzenkunde und Traditionelle Abendländische Medizin



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Naturheilpraxis 09/2010