HISTORIE

Sebastian Kneipp – der „Wasserdoktor“

Von Klaus Binding

„Wer selbst in Not und Elend saß, der weiß Not und Elend des Nächsten zu würdigen. Jener Arme bedarf zumeist unseres Mitleids, der selbst arm und verlassen, von den Ärzten aufgegeben und von den Medikamenten und Heilmitteln verlassen ist. Leute dieser Art zähle ich in großer Menge zu meinen Freunden. Hart, gewissenlos und undankbar wäre es mir vorgekommen und käme es mir immer noch vor, solchen Verlassenen die Tür zu verschließen, jene Hilfsquellen zu verweigern, welche mir selbst in meiner Not Heilung und Rettung gebracht haben…“
(Sebastian Kneipp)

Am 17. Mai 1821, wenige Tage nach Napoleons Tod, wird Sebastian Kneipp in Stephansried, einem winzigen Dörfchen bei Ottobeuren im bayerischen Schwaben, geboren. Mit elf Jahren schon formuliert er sein Lebensziel: Er will Priester werden, doch in der armen Weberfamilie fehlen dazu die Mittel. Ab dem achtzehnten Lebensjahr beginnt er außerhalb des Elternhauses zu arbeiten und eisern für sein Studium zu sparen. Drei Jahre lang legt er Kreuzer für Kreuzer beiseite und lebt ganz spartanisch. Doch das Schicksal spielt ihm hart mit; seine Mutter stirbt unerwartet an Schwindsucht, und als er die Ersparnisse aus dem Versteck seines Elternhauses holen will, brennt das Haus ab. Doch Sebastian Kneipp resigniert nicht. Mit der liebevollen Hilfe des Kaplans Dr. Merkle, der ihm kostenlosen Unterricht erteilt, kann er mit 23 Jahren in die Untersekunda des Gymnasiums eintreten. Doch die nächste Lebensprüfung bahnt sich an. Kneipp erkrankt an offener Tuberkulose und kann kaum noch das Bett verlassen. Beide Lungenflügel sind betroffen. Mit enormer Willensanstrengung schafft er im Herbst 1848 trotzdem die Reifeprüfung. Doch niemand glaubt, dass er das Studium beginnen kann. Sein ungebrochener Wille lässt ihn dennoch beginnen. Aber er merkt, dass er die Vorlesungen nur mit äußerster Anstrengung besuchen kann. Jetzt springt Kneipps mächtiger Wille auf seinen Selbsterhaltungstrieb über. Er will leben um zu studieren und um seinem Ziel näher zu kommen. Er beginnt zu forschen, was ihm Heilung bringen könnte, und stößt durch „Zufall“ auf die 100 Jahre alte Schrift des Schweidtnitzer Arztes Dr. Sigmund Hahn mit dem Titel: „Die wunderbare Heilkraft des frischen Wassers bei dessen innerlichen und äußerlichen Gebrauch auf die Leiber der Menschen durch die Erfahrung bestätigt.“ Sebastian Kneipp ist begeistert und weiß mit hellseherischer Gewissheit. Das ist mein Weg. Problematisch ist nur, dass das Buch keine praktischen Anleitungen enthält, wie das Wasser angewendet werden soll. Kneipp wählt intuitiv einen radikalen, direkten Weg. Er eilt dreimal pro Woche zur Donau und springt in die winterlichen Fluten, zieht sich, ohne abzutrocknen, wieder an und läuft zurück nach Hause. Später scheibt er darüber: „ Also ging ich denn in der Woche dreimal in die Donau. Die Kälte mochte sein wie sie wollte. Ich tauchte drei bis vier Sekunden in das eisige Wasser.“ Von da an geht es ihm Tag für Tag besser. Sebastian Kneipp setzt seine Theologiestudien am Priesterseminar in München fort. Seine Gesundheit stabilisiert sich, sein Geist wird wacher. Es wird erzählt, dass er nachts, während die Studienfreunde schliefen, am kalten Wasserbecken im Hof mit einer Kanne Arme und Beine mit kaltem Wasser übergoss – der Anfang der Kneippschen Güsse. Als er sich zum Ende des Studiums einer ärztlichen Untersuchung unterziehen muss, wird von den Ärzten eine vollständige Ausheilung der Tuberkulose festgestellt.

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Anschrift des Verfassers:
Klaus Binding
Brenneckenbrück 5a
38518 Gifhorn
E-Mail: klaus_binding@freenet.de
Internet: www.praxis-fuer-homoeopathie-gifhorn.de

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Naturheilpraxis 08/2010