LESERBRIEF

Leserbrief zum Artikel von Christian Sollmann „Wichtige homöopathische Mittel selbst herstellen“ NHP 04/2010

Als Homöopathin und auch Apothekerin habe ich den Artikel von Herrn Sollmann mit großem Interesse gelesen.
Da ich aufgrund meines Apothekerberufes für arzneimittelrechtliche Hintergründe sensibilisiert bin, möchte ich auf einige Dinge hinweisen, die meines Erachtens erwähnt werden sollten:

Herr Sollmann bewirbt in seinem Artikel die Eigenproduktion von Homöopathika, „um die Kompetenz und Autonomie des Praktikers zu erhöhen“.
Sicherlich ist es möglich, Tinkturen und auch weitere Aufbereitungen aus selbst geernteten Pflanzen selbst herzustellen, die Anwendung dieser „Arzneien“ ist aber nur dem privaten Eigenbedarf vorbehalten.
Sobald ein Heilpraktiker diese Mittel seinen Patienten im Rahmen der Therapie zukommen lässt, werden mehrere Paragraphen des Arzneimittelrechts verletzt. Das kann, bei entsprechender Kontrolle durch die Behörden, zu sehr empfindlichen Strafen führen.

Ich möchte den Artikel von Herrn Sollman zum Anlass nehmen, um auf einige für uns Heilpraktiker arzneimittelrechtlich relevanten Aspekte, die auch gerade in jüngerer Zeit zum Tragen kommen, hinzuweisen:

Im §13 Absatz (1) des Arzneimittelgesetzes heißt es:
„Wer Arzneimittel gewerbs- oder berufsmäßig herstellt, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde.“
Die Paragraphen 13 bis 20 des AMG regeln des Weiteren die Voraussetzung für die Herstellungserlaubnis, die hier nicht näher erläutert werden sollen und brauchen, weil diese für einen Heilpraktiker in der Regel sowieso nicht zu erfüllen wären.

Was Herstellung ist, wird in § 4 (14) des AMG klar definiert:
„Herstellen ist das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Umfüllen, einschließlich Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen und die Freigabe.“
Anmerkung: Das Abfüllen von Globuli zur Mitgabe an den Patienten ist also ein Herstellungsschritt, der laut AMG untersagt ist!!!
Des Weiteren bringt man damit ein Arzneimittel „in Verkehr“, welches nach § 43 AMG, bis auf einige Ausnahmefälle, die für uns Heilpraktiker nicht relevant sind, den Apotheken vorbehalten ist.
Die Verabreichung eines Globulus aus dem Praxisbedarf des Therapeuten vom Therapeuten direkt auf die Zunge des Patienten ist erlaubt, weil in diesem Falle der Therapeut der Anwender ist.

Ausgenommen von der Pflicht zur Herstellungserlaubnis sind laut ß13 Absatz (2) u.a.
„der Inhaber einer Apotheke für die Herstellung von Arzneien im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes“...
Seit dem Inkrafttreten der neuen AMG-Novelle am 23.07.2009 sind die Ausnahmen von der Herstellungserlaubnis im §13 des AMG auch explizit für Ärzte und Heilpraktiker geregelt. Daher werden nun auch die Einzelfälle der erlaubten Herstellung von Arzneimitteln durch den Anwender zur Anwendung direkt am Patienten (z.B. Spritzen, Infusionen, Mischinfusionen) durch das Arzneimittelgesetz mit allen dazugehörigen Konsequenzen geregelt.

Anmerkung: Bis zum Juli 2009 bestand in solchen Fällen nach § 4a (3) eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes!
In § 13(2b) heißt es dazu:
„Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf ferner nicht eine Person, die Arzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden.“

Was bedeutet das nun für den Heilpraktiker?
Er darf in bestimmten Fällen Arzneimittel für einen bestimmten Patienten selbst herstellen, wenn er sie persönlich anwendet, also z.B. dem Patienten injiziert.
Eine Herstellung von Arzneimitteln für das in Verkehr bringen, bzw. auch die Mitgabe an den Patienten ist damit nicht gemeint. Das ist eine erlaubnispflichtige Tätigkeit.
Vergleiche §4 Absatz (17) AMG:
„In-Verkehr-bringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.“
Ein Vorrätighalten von Arzneimitteln in der Praxis, außerhalb des Praxisbedarfs, ist also erlaubnispflichtig.

Analog gibt es für Ärzte und Heilpraktiker eine Ausnahme der Erlaubnispflicht für Gewebe- und Gewebezubereitungen:
Diese ist in § 20d des AMG verankert:
„Einer Erlaubnis ... bedarf nicht eine Person, die Arzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist und die dort genannten Tätigkeiten“ (Gewinnung von Gewebe und die erforderlichen Laboruntersuchungen sowie die Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Prüfung und Lagerung der Gewebe) „mit Ausnahme des Inverkehrbringens ausübt, um das Gewebe oder die Gewebezubereitung persönlich bei ihren Patienten anzuwenden.“
Damit ist z.B. eine Eigenbluttherapie gemeint, die nach wie vor durch den Heilpraktiker erlaubt ist, wenn sie persönlich vom Therapeuten hergestellt und einem bestimmten Patienten verabreicht wird!

Welche Konsequenzen ergeben sich noch für den Heilpraktiker?
Da für oben genannte Tätigkeiten, auch wenn diese von der Erlaubnispflicht ausgenommen sind, das AMG gilt, ergibt sich noch die Anzeigepflicht nach §67 AMG:
§ 67 des AMG beinhaltet die allgemeine Anzeigepflicht.
§ 67 (1): „Betriebe und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, klinisch prüfen ... in den Verkehr bringen oder sonst mit ihnen Handel treiben, haben dies vor der Aufnahme der Tätigkeiten der zuständigen Behörde, ... anzuzeigen.“
„Satz 1 findet keine Anwendung auf die Rekonstitution, soweit es sich nicht um Arzneimittel handelt, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind“
Rekonstitution ist nach §4 (31) des AMG ein Herstellungsschritt und als
„Überführung eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage ...“ definiert.
Ergo: Das einfache Aufziehen einer Injektionslösung in eine Spritze und nachfolgende Applikation am Patienten ist nicht anzeigepflichtig!
In §67 (2) heißt es aber weiter:
„Ist die Herstellung von Arzneimitteln beabsichtigt, für die es einer Erlaubnis nach §13 nicht bedarf so sind die Arzneimittel mit ihrer Bezeichnung und Zusammensetzung anzuzeigen.“
Anzeigepflichtig bei der zuständigen Behörde sind demnach z.B. die Mischung von zur Injektion zugelassenen Fertigarzneimitteln in einer Spritze oder das Verabreichen von Mischinfusionen.
Falls ein Therapeut diese Art der Herstellung schon vor dem 23.07.2009 ausübte, war eine Anzeige nach §67 AMG bis spätestens 01.02.2010 erforderlich!
Auch die Herstellung von „Gewebeprodukten“ mit Ausnahmeregelung nach § 20d AMG (also z.B. Eigenbluttherapie) ist anzeigepflichtig!
Darüber hinaus unterliegen oben genannte Tätigkeiten der arzneimittelrechtlichen Überwachung der zuständigen Behörden nach § 64 AMG!

Zurück zum Artikel und der Eigenherstellung von Homöopathika:
Nach all dem Geschriebenen wäre folgendes Procedere theoretisch denkbar:
Ein Therapeut könnte für einen bestimmten Patienten selbst ein Homöopathikum herstellen, natürlich unter Beachtung der anerkannten pharmazeutischen Regeln und der erforderlichen Hygiene und natürlich nach vorheriger Anzeige bei der zuständigen Behörde! Er könnte dieses Arzneimittel dem Patienten ein einziges Mal direkt in der Praxis verabreichen. Damit ist nämlich der Therapeut Anwender des individuell hergestellten Arzneimittels.
Das Vorrätighalten eines so individuell hergestellten Arzneimittels wird laut AMG als „Inverkehrbringen“ definiert und ist damit nicht erlaubt.

Angesichts dieser Rechtslage stellt sich die Frage, ob wir Therapeuten uns nicht auf die uns zur Verfügung stehenden Homöopathika stützen sollten und unsere Energien eher in eine gute homöopathische Anamnese und Therapiebegleitung stecken sollten?
Es gibt in Deutschland viele Möglichkeiten von Hand hergestellte und exzellent wirksame Homöopathika zu beziehen.
Sollte dieser Arzneischatz nicht ausreichen, besteht immer noch die Möglichkeit, spezielle Homöopathika als Rezeptur von einer darauf spezialisierten Apotheke herstellen zu lassen.
Gerade bei den Arzneien pflanzlichen Ursprungs, mit denen sich der Artikel ja beschäftigt, sind die vom Verfasser angeführten Beschränkungen, wie die der Herstellung vorausgehende Sterilisation nicht relevant.
Ich selbst mache seit nunmehr 10 Jahren mit der Anwendung von Homöpathika beispielsweise von der DHU und von Arcana in meiner Praxis sehr gute Erfahrungen. Kolleginnen und Kollegen berichten dies ebenso von anderen deutschen Herstellern.

Susann Buchheim-Schmidt, Mainz

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Naturheilpraxis 08/2010