BERICHTE

Prince’s Foundation for Integrated Health stellt Tätigkeit ein

Die im Jahre 1993 von Prinz Charles gegründete Foundation for Integrated Health (FIH) hat zum 30. April 2010 ihre Tätigkeit eingestellt. In den 17 Jahren ihres Bestehens hat sich die vom britischen Thronfolger errichtete Stiftung beträchtliche Verdienste um die Etablierung der Komplementären und Alternativen Medizin (CAM) weit über die Grenzen des Vereinigten Königreichs erworben. Erinnert sei nur an den umfangreichen Smallwood Report über die Rolle von CAM im Gesundheitssystem aus dem Jahre 2005, in dem sowohl die Wirtschaftlichkeit der wichtigsten Methoden insgesamt als auch die best evidence einzelner CAM-Disziplinen nachgewiesen wurden.

Oder an den denkwürdigen Auftritt des Prince of Wales vor der Generalversammlung der WHO im Mai 2006 in Genf, als er sich auf dem Höhepunkt einer Anti-Homöopathie-Kampagne für diese Medizin einsetzte. In den Jahren 2000 bis 2007 entwickelte die Stiftung im Auftrag des britischen Gesundheitsministeriums ein Konzept zur Etablierung wichtiger CAM-Disziplinen in das Gesundheitssystem Großbritanniens. Dies führte 2008 zur Gründung des Complementary and Natural Healthcare Council (CNHC), einer unabhängigen Institution, die zu gesetzlichen Regelungen für Phytotherapie geführt haben, wie der britische Gesundheitsminister am 1. April 2010 bekannt gab. Entsprechende Regelungen sollen in Kürze für Akupunktur folgen.

Alle Aktivitäten der Stiftung des Prinzen wurden von dem aus Bayern stammenden Professor Edzard Ernst, erster Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin an der Peninsula Medical School in Exeter, mit wenig sachlicher Kritik begleitet. Gegen den Smallwood-Report polemisierte er, dieser sei „außerordentlich selektiv in seinem Gebrauch des Evidenzbegriffs, und es habe den Anschein, als ob die Schlussfolgerungen vor allem anderen geschrieben worden seien“. Im übrigen habe „der Prinz seine in der Verfassung vorgegebene Rolle überschritten“. Ein andermal hatte er den Report als „abscheulich und außerordentlich fehlerhaft“ abqualifiziert.

Gegen die Rede des Prinzen vor der WHO, in der er sich für die Integrierung von CAM-Verfahren in die Gesundheitssysteme einsetzte, veröffentlichte die Londoner Times unter dem Titel: „Die Kampagne der Doktoren gegen alternative Therapien“ einen offenen Brief von 13 Ärzten und Wissenschaftlern, darunter auch Edzard Ernst, in dem Front vor allem gegen die Homöopathie gemacht wurde. Und über das neu geschaffene CNHC äußerte sich Ernst im Guardian: „die Geschichte dieser Institution lese sich wie ein Regierungsgremium einer Bananenrepublik.“ Konsequenterweise meinte er denn auch zur Schließung der Foundation des Prinzen von Wales, man müsse deren „Untergang“ nicht nachtrauern.

Ernsts anhaltende Kritik am Prinzen selbst und an dessen Stiftung scheint jetzt auch zur Schließung von dessen Institut in Exeter im Frühjahr 2011 zu führen, wenn bis dahin kein neuer Geldgeber zur Anschlussfinanzierung gefunden werden kann, wie die Times vom 3. März 2010 berichtete. Der Lehrstuhl war von einem britischen Industriellen mit insgesamt 1,5 Millionen Pfund finanziert worden, und die Universität Exeter habe Ernst bereits im Jahre 2005 mitgeteilt, dass er nicht mit einer Fortführung des Instituts über 2011 hinaus rechnen könne. Das aber will der Professor nicht gelten lassen. Er meint, dass er zur Persona non grata geworden sei, weil er an seiner Kritik festhielt, und die Einwerbung von Fremdmitteln sei eingestellt worden.

Wir haben den Einsatz des Prince of Wales und dessen Stiftung für die alternativen und komplementären Heilverfahren stets mit Wohlwollen verfolgt und dem Prinzen auch persönlich unsere Anerkennung ausgedrückt. Und so konnten wir ihn vor 10 Jahren als Schirmherrn des Deutschen Heilpraktikertages gewinnen; sein Grußwort wurde von einem Cousin des Prinzen, Georg von Hannover, der Mitglied unseres Verbandes ist, überbracht.

Auch in Editorials und Vorstandsreden haben wir über die Aktivitäten von Prinz Charles berichtet – nicht ohne Resonanz. Pars pro toto sei an ein Bekenntnis der Grünen-Partei erinnert. Anlässlich der 75. Tagung für Naturheilkunde in München meinte der damalige bayerische Fraktionsvorsitzende Dr. Sepp Dürr: „Das Potential alternativer und komplementärer Heilmethoden muss in Zukunft stärker in den politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Die eindrucksvollen Zahlen aus England der Prince of Wales Foundation for Integrated Health zeigen, dass neben dem Potential zur Verbesserung der Versorgung der Patienten durch eine passgenaue Angebotspalette riesige Einsparungen im Gesundheitssystem möglich sind.“

Die bayerischen Grünen zeigten damit, dass sie die fast 200 Seiten umfassende Studie „The Role of Complementary and Alternative Medicine in the NHS – An Investigation into the Potential Contribution of Mainstream Complementary Therapies to Healthcare in the UK“ des früheren Barkley-Chefvolkswirts Christopher Smallwood auch in Deutschland als Grundlage für eine echte Gesundheitsreform verstanden wissen wollten. Eine Reform, die sich nicht in Kostenverschiebungen erschöpft, sondern nach substantiellen Einsparungen sucht.

Diese Forderung ist heute aktueller denn je!

In seiner Rolle als Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin hat sich Edzard Ernst zunehmend zu einem radikalen, gleichwohl aber oberflächlichen Kritiker der meisten komplementären und alternativen Heilverfahren entwickelt, vor allem der Homöopathie. Auf die Frage nach seiner Qualifikation auf diesem Gebiet antwortete er im Magazin des Kölner Stadt-Anzeiger (4. August 2009): „Ich habe keine vollständige homöopathische Ausbildung. Ich habe mal etwa ein halbes Jahr in einem Krankenhaus für Naturheilverfahren gearbeitet und dort auch die Homöopathie kennengelernt. Ich verstehe aber so viel, dass ich sie bewerten kann. Ich bin ein Kritiker von innen.“

In Deutschland war Ernst vor allem als „Schlussgutachter“ einer Neuauflage des Stiftung-Warentest-Buchs „Die Andere Medizin“ in Erscheinung getreten; wobei er sich mehr durch Polemik denn durch fundierte Bewertungen ausgezeichnet hat.

In einem Gegenbuch mit dem Titel „Fakten über die ‘andere Medizin’ – Zur Kritik der Stiftung Warentest an den komplementären und alternativen Heilverfahren (CAM)“ setzte sich Dr. Christian Ullmann, langjähriger Mitarbeiter unseres Verbandes, mit den zum Teil willkürlichen Unterstellungen zu Risiken und Unwirksamkeiten der aufgelisteten Therapieverfahren auseinander. Mittels umfangreicher Recherchen und mehrerer hundert Nachweise aus der internationalen wissenschaftlichen Literatur zur Wirksamkeit der diffamierten CAM-Verfahren deckte er die fehlerhaften und durch keinerlei Quellenangaben belegten Negativ-Bewertungen auf.

So z.B. schrieben Ernst (und seine Ko-Autorinnen) über die Kneipp-Therapie, sie sei „als Ganzes wenig geeignet zur Therapie von Erkrankungen und Beschwerden“. Nach Auffassung von Ernst falle eine „Nutzen-Risiko-Abwägung“ zur Enzymtherapie „insgesamt eher negativ aus“ und sie sei „zur Behandlung von Krankheiten und Störungen nicht geeignet“, die Orthomolekulare Medizin wurde pauschal als „nicht geeignet“ eingestuft. Dagegen sind deren Anwendungen, belegt durch hunderte von Studien oft die einzigen Methoden der Wahl, etwa bei verschiedenen Erbkrankheiten.

Auch in anderer Hinsicht sind Ernsts über die Stiftung Warentest vermittelten Empfehlungen weit mehr als unbedenklich. So heißt es etwa über die von dem österreichischen Nobelpreisträger Julius Wagner-Jauregg entdeckte aktive Fiebertherapie (die völlig falsch dargestellt wurde und nicht zu den alternativen Heilverfahren gehört), dass man zur Fieberinduktion das in Deutschland nicht zugelassene Präparat Picibanil (ein Streptokokken-Präparat) „auf ärztliche Verschreibung aus Japan . . . importieren“ könne. Ullmann wies nach, dass das Mittel unter dem Namen OK-432 in Fernost als Krebsmittel eingesetzt wird und auftretendes Fieber dabei eher als unerwünschte Nebenwirkung eingestuft wird. Und selbst trivialste Fehler ließ Ernst nicht aus, etwa wenn er die 1991 verstorbene österreichische Hausfrau Maria Treben mit ihrer „Apotheke Gottes“ der Klostermedizin der Hildegard von Bingen zurechnete. Solche Peinlichkeiten irritierten dann auch die Stiftung Warentest; sie hat nach der Kritik Ullmanns ihr Buch stillschweigend aus dem Verlagsprogramm gestrichen.

Während die Auflösung der Prince`s Foundation für die Integration der CAM einen schmerzlichen Verlust bedeutet, muss man dem Untergang des Instituts von Exeter in seiner derzeitigen Besetzung nicht nachtrauern.

Ursula Hilpert-Mühlig
Vors. des Heilpraktikerverband Bayern e.V., Vizepräsidentin des Fachverband Deutscher Heilpraktiker e.V. Bundesverband

Zum Nachlesen:
K. Federspiel, V. Herbst, E. Ernst: „Die Andere Medizin“ Stift. Warentest 2005
C. Ullmann: „Fakten über die ’andere Medizin’“ Foitzick Verlag, Augsburg 06
Rede des Prince of Wales vor der Jahresvollversammlungen der WHO in Genf 2006 http://www.who.int/media-centre/events/2006/wha59/hrh/en/
Christopher Smallwood: „The Role of Complementary and Alternative Medicine in the NHS“ http://www.google.de/search?sourceid=navclient&hl=de&ie=UTF8&rlz=1T4SUNA_deDE314DE314&q=christipher+smallwood%3a+the+role +of+complementary+and+alternative+medicine+in+the+nhs



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Naturheilpraxis 08/2010