FACHFORUM

Arzneipflanze des Jahres 2010: Der Efeu – Hedera helix

Von Josef Karl

I.

Wer würde diese Pflanze nicht kennen, ist sie doch allgegenwärtig! Ganze feuchte Laubwälder durchzieht sie als Bodenbedecker ebenso, wie sie sich an vielen Bäumen bis hoch in den Wipfel zu klettern getraut! In den Stadtwüsten gebraucht man sie zumindest als Bodenbedecker, um ihr dichtes immergrünes Blattwerk der grauen Eintönigkeit dem Auge Farbe zu sein. In Friedhöfen wetteifert sie mit den Thujen und an Gartenzäunen sprosst sie ungeniert fort, ja selbst Häuser kann der Efeu ein- und zuwachsen und die moderne Blumenbindekunst (Floristik) mag auf sein dekoratives Beiwerk nicht zu verzichten.

II.

Allgegenwärtig in der Neuzeit (Kern- und Südeuropa, in den skandinavischen Ländern kaum) – bekannt und geschätzt bereits im Altertum. Nicht immer wurden die Sieger im Wettkampf und die Dichter mit Lorbeer stirngeschmückt, nein, heute und damals galt und gilt der Efeubekränzte als der Besondere, Geehrte, wo den Lorbeer das kühle Klima nicht gedeihen lässt.

III.

Wenn wir den unermüdlichen Sammler von Geschichten zur „Bayerischen Volksbotanik“ zu Wort kommen lassen, den Gunzenhausener Heinrich Marzell, so berichtet er: „In Unterfranken und in der Bodenseegegend schließt man aus dem Blühen und Fruchten des Efeus auf das des Weinstocks. Trägt der Efeu viele Beeren, so wird auch der Behang der Reben ein reicher sein...“. Und weiter geht er dann auf eine Anweisung von Bocks „Kreutterbuch“ (1551!) zurück, wo es heißt: „Epheublätter gestoßen mit essig und ein wenig Rosenwasser darzu genommen ist ein köstlich artznei für das grausam hauptwehe.“

IV.

Aber zwischendurch ein kleiner Exkurs in die Botanik. Er ist eine Araliaceae, und gehört nicht – wie vielfach angenommen – zu den Schmarotzerpflanzen. Vielmehr bedient er sich der Bäume, Zäune und Hauswände als Kletterhilfe. Was die vielgestaltige Blattform betrifft, so geht diese von ovalen bis zu den typischen Efeublätter. Erst nach acht Jahren ungefähr blüht er und bildet ein Jahr darauf schwarze Beerendolden aus. Es gibt sehr viele Arten dieser Pflanze, die selbst von Botanikern schwer klassifizierbar sind. Der Efeu liebt Kalkboden und seine Qualitäten, derer er bedarf, sind feucht und warm – aber auch durchaus kühl.

V.

Der Efeu ist eine wichtige Arzneipflanze, wenngleich sein Wirkspektrum klein ist. Die Monografie gibt als Anwendungsgebiet an: „Katarrhe der Luftwege, symptomatische Behandlung chronisch-entzündlicher Bronchialerkrankungen“. Erwähnt werden muss, dass Blätter und Stängel zur Kontaktdermatitis führen können (haut- und schleimhautreizend). Es kommen nur galenische Zubereitungen in Frage; als Teedroge ist Efeu nicht geeignet. Das bekannteste Präparat, seit Jahrzehnten auf dem Markt und sehr gut dokumentiert, ist das Prospan. Verschiedene Zubereitungsformen sind davon in der Apotheke verschreibungsfrei erhältlich, auch z.B. Brausetabletten (ohne Alkohol) für Kinder. Der Hauptwirkstoff sind Saponine. Die Wahl dieser Pflanze ist sicher eine gute – spannt sich doch der Bogen von Hippokrates bis in die neueste Zeit – und wird zu größerer Beachtung beitragen.

VI.

Zur Toxikologie gibt es lediglich zu den schwarzen Beeren in den einschlägigen Werken (siehe Literatur) Anmerkungen. Frohne – Pfänder (1) berichten keineswegs dramatisch darüber (weder ein Todesfall noch größere Auswirkungen) und schreiben zusammenfassend so: „Da die Aufnahme größerer Mengen Beeren unwahrscheinlich ist, dürfte sich eine primäre Giftentfernung erübrigen; allenfalls symptomatische Behandlung gastrointestinaler Beschwerden“.

Roth – Daunderer – Kormann (2) sprechen zwar von „schweren Vergiftungen besonders bei Kindern“ wenn sie Beeren essen (die übrigens schlecht schmecken), berichten ebenfalls von keinen Todesfällen.

VII.

Auch als homöopathisches Arzneimittel erhielt Hedera helix eine Monografie: „Die Anwendungsgebiete entsprechen dem homöopathischen Arzneimittelbild. Dazu gehören: Akute Entzündungen der Atemwege, der Verdauungsorgane; Schilddrüsenüberfunktion; rheumatische Erkrankungen.“

Bei Darreichungsformen heißt es: „Urtinktur, flüssige Verdünnungen, Streukügelchen, Verreibungen, Tabletten, flüssige Verdünnungen zur Injektion.“

...

Literatur:
1. Frohne – Pfänder: Giftpflanzen; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 1983; 2. Auflage; ISBN 3-8047-0743-2
2. Roth – Daunderer – Kormann: Giftpflanzen – Pflanzengifte; ecomed Verlag Landsberg/Lech 1987; 3. überarbeitete Auflage; ISBN 3-609-64810-4
3. Monografie BGA von 06.07.1988

Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Alpenstr. 25
82377 Penzberg

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Naturheilpraxis 08/2010