Arbeitskreis für Augendiagnose und Phänomenologie Josef Angerer e.V

Man sieht nur, was man kennt“

Irisstrukturen – bewertet unter Berücksichtigung von Anatomie und Physiologie

von Hermann Biechele

Im Spannungsfeld zwischen Jahrhunderte altem Erfahrungswissen und naturwissenschaftlich objektivierbaren Erkenntnissen steht nicht nur die Naturheilkunde im Allgemeinen, sondern auch die Augendiagnose im Besonderen. Ihre in entsprechenden auch neueren Studien regelmäßig „bewiesene“ Unrichtigkeit widerspricht dabei all unserer Praxiserfahrung. Diese Erfahrungen mitzuteilen – miteinander zu teilen, ist das Anliegen der Münchner Fachtagung für Augendiagnose, die in diesem Jahr am 26./27. Juni stattfindet. Sie steht unter dem Motto:
„Augendiagnose – aktueller denn je“ - Neue Erkenntnisse aus erster Hand - Statements – Fragen – Diskussionen

Wir wissen sehr wohl: die Augendiagnose befindet sich nicht in einem dogmatischen Elfenbeinturm unveränderlicher Erkenntnisse und Wahrheiten. Alle Aussagen sind jeweils Spiegel der Zeit. Hinzu kommt von Anfang an eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Systematik und Nomenklatur der verschiedenen Autoren und „Schulen“. Dass darüber hinaus nicht immer kritisch und manchmal auch ohne Quellenangabe auf frühere schriftlich und mündlich tradierte Überlieferungen zurückgegriffen wird, erschwert die Situation noch mehr. Die jeweilige Lehre prägte und prägt aber die Sehgewohnheiten und diese wiederum unsere eigene Wahrnehmung. Unter diesem Aspekt ist mir das Bonmot Josef Deck’s „Die Iris ist die Regenbogenhaut des Auges und nicht das Reflexfeld für die Fantasie des Betrachters“ genauso wichtig geworden wie der Satz Josef Karl’s: „Man sieht nur was man kennt“. Nach jahrelanger intensiver Beschäftigung mit der Materie möchte ich allerdings ergänzend hinzufügen: man sieht nur was man kennt – und was man zu sehen erwartet.

Alle iridologischen Schulen nehmen bei der Entwicklung ihrer augendiagnostischen Konstitutionsmodelle (inklusive Dispositionen und Diathesen), der Zeichen- und Pigmentlehre und letztlich der gesamte Befunderhebung Bezug auf anatomische Merkmale des Auges. Das macht durchaus Sinn; es ist dabei nämlich unerheblich, ob man wie Deck und die meisten anderen Schulen vom Augenbefund ausgeht und ein augendiagnostisches Modell ableitet, oder wie Broy ausgehend vom humoralpathologischen Modell auf die zu erwartenden Zeichen im Auge schließt: man kommt (methodisch sauber) immer auf ein nachvollziehbares, reproduzierbares Ergebnis und damit an eine praxistaugliche „Handlungsanweisung“. In der Konstitutionslehre geht es ja nicht um eine einfache Katalogisierung und Systematisierung. Vielmehr besteht ihr Wert darin, Aussagen über die allgemeine und individuelle Krankheitsentstehung und –entwicklung zu machen und daraus ein patientenbezogenes therapeutisches Konzept abzuleiten: Augendiagnose als „die diagnostische Methode der Konstitutions- und Funktionspathologie“ (Broy, Konstitution, S. 81).
In diesem Zusammenhang ist es unumgänglich, die anatomischen, physiologischen und pathophysiologischen Gegebenheiten im Auge selbst, also quasi vor Ort, zu beachten. Nur so lassen sich seriöse Aussagen und Deutungen im Zusammenhang mit der Befunderhebung aus dem Auge machen. Anders gesagt: die Natur selbst gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen die Möglichkeiten – aber eben auch die Grenzen unserer Methode liegen.

1. Anatomische und physiologische Grundlagen der Irisdiagnose

Die grundlegenden Ausführungen von Lang sollen an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt werden. Selbst wenn Kritiker diese Arbeit nicht in vollem Umfang anerkennen, kann doch konstatiert werden, dass die Augendiagnose aus anatomischen Gründen zumindest möglich ist.
Die Bedeutung der verschiedenen Pigmente, ihrer Formen und Strukturen, wurde von Schnabel und später von Angerer, Deck, Schimmel und Herget ausführlich dargestellt. Über die Pigmententstehung im Auge, vor allem der so genannten Fremdpigmente, hat Piet van den Toorn sehr umfangreich berichtet. Zu all dem sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen.

Die Augenfarbe ist als „Eigenpigment“ das entscheidende Kennzeichen der iridologischen Grundkonstitution und wird bestimmt durch die genetisch vorgegebene Anzahl und Qualität der Pigmentzellen (Melanozyten/Chromatophoren) in der Iris [s. Bild 1]. Die blaue Iris enthält insgesamt eine sehr geringe Anzahl von Melanozyten, die zusätzlich durch ihre ausgesprochene Pigmentarmut in den Zellen gekennzeichnet sind. Die braune Iris enthält im Gegensatz dazu sehr viele und entsprechend stark pigmenthaltige Melanozyten. Bei der Mischiris ist die Anzahl der Pigmentzellen und deren Pigmentgehalt unterschiedlich groß, so dass die Augenfarbe vom grünlichen Schimmer über hellbraun bis zu einem relativ dunklen Braun reichen kann. Wir sprechen dann von einer Mischkonstitution mit mehr oder weniger starkem lymphatischen bzw. hämatogenen Anteil.
Die Struktur der Iris ist bedeutsam für die erweiterte Konstitutionslehre. Die als Strukturzeichen, reflektorische Zeichen und Pigmente erkennbaren Abweichungen von der „Idealiris“ werden als besondere Merkmale der verschiedenen Dispositionen und Diathesen gewertet. So liegt der Augendiagnose immer auch ein anatomisches Modell zu Grunde. Das hat in Bezug auf unsere Vorstellungen von der Entstehung, dem Aussehen und nicht zuletzt der Bedeutung der einzelnen Zeichen eine weitaus größere Auswirkung, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Lindemann unterscheidet in seinem Lehrbuch der Augendiagnostik als „sachlich vertretbare Vereinfachung“ (Lehrbuch, S. 29), die sich so auch bei Broy (Repertorium, S. 279), Deck (Grundlagen, S. 13) und vielen anderen Autoren findet, im Wesentlichen 3 Schichten [s. Abb. 1]:
So haben wir es gelernt und so nehmen wir es wahr bei unserem Blick in das Auge [s. Bild 2]. Im histologischen Schnitt [s. Bild 3] sind diese Schichten jedoch nur teilweise erkennbar: eine dünne Epithelschicht als vordere Begrenzung, die dicke Stromaschicht mit den darin enthaltenen M. sphinkter pupillae und M. dilatator pupillae, letzterer wiederum in inniger Verbindung mit der Pigmentschicht.

Eine Unterteilung in vorderes und hinteres Stromablatt ist hier und in allen anderen von mir herangezogenen Bildern histologischer Schnitte nicht möglich. Das beschriebene Irismodell scheint also nicht ganz korrekt zu sein. Was nicht sonderlich folgenschwer wäre, würden wir nicht eben aus diesem anatomischen Modell unsere Schlüsse für die Bedeutung der Zeichen ziehen. Eine genaue Kenntnis der Feinanatomie ist aber meines Erachtens aus mehreren Gründen bedeutsam: im Hinblick auf die Außenwirkung, weil größtmögliche Exaktheit die Basis für wissenschaftliche Diskussionswürdigkeit ist. Nach innen – für die Weiterentwicklung unserer Methode, weil die den Zeichen zugeordnete Bedeutung ja aufs engste mit der Pathophysiologie verknüpft ist. Und generell, damit keine überzogenen oder unmöglich zu erfüllenden Erwartungen an die Augendiagnose gestellt werden.

Was können wir heute wissen? ...

Epithel ...

Die Vordere Grenzschicht ...

Das Irisstroma ...

Die Fibroblasten ...

2. Bedeutung für die Befunderhebung aus dem Auge ...

Zusammenfassung ...


Literaturliste und Quellenangaben

Angerer, Josef. Handbuch der Augendiagnostik. München 1984 (5).
Angerer, Josef. Ophthalmotrope Phänomenologie. München 1981.
Biechele, Hermann. Die Anatomie der Iris und ihre Bedeutung für die Befunderhebung aus dem Auge. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren 06/2007.
Broy, Joachim. Repertorium der Irisdiagnose. München 1983.
Broy, Joachim. Die Konstitution. Humorale Diagnostik und Therapie. München 1992 (2)
Deck, Josef. Differenzierung der Iriszeichen. Lehrbuch II mit Bildatlas und Therapiehinweisen.
Deck, Josef. Grundlagen der Irisdiagnostik. Lehrbuch mit Bildatlas und Therapiehinweisen.
Gleditsch, Jochen M. Reflexzonen und Somatotopien. Vom Mikrosystem zu einer Gesamtschau des Menschen. Elsevier, München 2005 (9)
Hauser, Willy; Karl, Josef; Stolz, Rudolf. Iridologie 1. Informationen aus Struktur und Farbe. Heimsheim 1998.
Hauser, Willy; Karl, Josef; Stolz, Rudolf. Iridologie 2. Methodik, Phänomene, Erkrankungen. Gerlingen 2006.
Heine, Hartmut. Lehrbuch der biologischen Medizin. Grundregulation und Extrazelluläre Matrix. Stuttgart 2006 (3).
Herget, H. F. Lehrbuch der Konstitutionsmedizin. Grundlagen, Theorie und Praxis. Aus der wissenschaftlichen Abteilung der Pascoe Pharmazeutische Präparate GmbH, Gießen 1996 (1).
Herget/Schimmel. Grundsätzliches zu Zeichen und Pigmenten in der Iris und deren physiologische Zusammenhänge. Das Rezept aus dem Auge. Aus der wissenschaftlichen Abteilung der Pascoe Pharmazeutische Präparate GmbH, Gießen 1972.
Hogan, Michael J.; Alvarado, Jorge A.;Weddel, Joan. Histology of the Human Eye. Philadelphia, London, Toronto 1971.
Kanski, Jack J.; Lehrbuch der klinischen Ophthalmologie. Stuttgart, New York 1996.
Koniszewski, Gerhard; Mayer, Ursula. Verschiedene Zelltypen aus Kulturen normalen Irisgewebes im Elektronenmikroskop. In: Graefes Archiv für klinische und experimentelle Ophthalmologie, 203, S. 89-100. Springer-Verlag 1977
Kriege, Theodor. Grundbegriffe der Irisdiagnostik. Osnabrück 1976.
Lang, Walter. Die anatomischen und physiologischen Grundlagen der Augendiagnostik. Ulm 1954.
Lauber, H. Das Auge. In: Möllendorf, V.: Handbuch der Histologie 1936.
Lindemann, Günther. Augendiagnostik-Lehrbuch. Befunderhebung aus dem Auge. Verlag Tibor Marczell, München 1984.
Liotet, Serge. Clergue, Gérard. Rasterelektronenmikroskopie des Auges. Enke, Stuttgart 1985.
Lütjen-Drecoll, E. Rohen, J. W. Augenwunder – eine funktionell-anatomische Reise durch das Auge. Heidelberg 2007.
Naumann, G. O. H. Pathologie des Auges. 1998.
Paschen, Jürgen. Irisdiagnose ist Matrixdiagnose. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren 1/92
Rehwinkel, Jürgen; Wenske, Sigolt. Augendiagnose. Iris-Konstitution – Iris-Strukturen – Iris-Pigmente. Erhältlich beim Uslarer Kreis.
Rimpler, Manfred. Bräuer, Hans. Matrixtherapie. Tuningen 2004
Streif, W. zitiert bei Lang und Deck, Grundlagen S.13.
Tischendorf, Frank. W (Hrg.). Auge und Innere Medizin. Okuläre Veränderungen bei systemischen Erkrankungen. Schattauer, Stuttgart 204.
van den Toorn, Piet. Eine Entdeckungsreise durch die Augendiagnose. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren. 8/1994.
van den Toorn, Piet. Iris und Bindegewebe. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren 03/2000.
Vogt, Werner. Das Auge als Spiegel der Gesundheit. Pflaum, München 2002.
Wolfrum. Handbuch der gesamten Augenheilkunde. Berlin 1931.
Ziegelmayer, Gerfried. Irisbild und Gesamtkonstitution. Dissertation. Naturwissenschaftliche Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1952.

Persönliche Mitschriften auf Tagungen und Seminaren

Bildquellen:

Bild 3: Hogan e.a., Histology. S. 210
Bild 4: Hogan e.a., Histology. S. 217
Bild 5: Liotet e.a., Rasterelektronenmikroskopie. S. 34
Alle anderen Bilder: Hermann Biechele

Anschrift des Verfassers:
Hermann Biechele
Kaiserstr. 51
80801 München

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Naturheilpraxis 05/2010