SPEZIAL

Heilgarten

Der heilende Garten

von Gudrun Germann

„Die ganze Natur soll dem Menschen dienen,
so dass er mit ihr wirke,
weil der Mensch ohne die Natur weder leben
noch bestehen kann…
In der gesamten Schöpfung sind geheime Heilkräfte verborgen,
die kein Mensch wissen kann,
wenn sie ihm nicht von Gott offenbart wurden.“
(Hildegard von Bingen, 1098 – 1179)

Das Paradies ist vermutlich der erste literarisch beschriebene Garten. Es war ein heiliger Ort. Heilig bedeutet in der Edda so viel wie unverletzlich, unter höherem Schutz stehend. Seit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, dem Garten Eden, ruht in unserem Innern der tiefe Wunsch nach Unverletzlichkeit und Gesundheit. Das ureigenste Bedürfnis, nach unser aller Zuhause zurückkehren zu dürfen.

Womöglich spiegelt sich der Wunsch nach einem Haus mit eigenem Garten in diesem rudimentären Bestreben. Denn der Erwerb vom eigenen Haus mit Garten, auch wenn er noch so klein ist, steht in der Wunschliste als Nummer eins und stellt ein eigenes ökologisches System dar. In Österreich zum Beispiel ist die Fläche aller Gärten größer, als alle Naturschutzgebiete zusammen.

In allen Kulturen der Mechheitsgeschichte spielten seit jeher Pflanzen, Gartenanlagen sowie Kenntnisse um den Lauf und Einfuß der Gestirne eine wichtige Rolle. Je entwickelter die Kultur, umso größer war die Achtung oder das Wissen um die Naturgesetze und deren Abläufe.

Steht die Sonne einer Kultur tief,
werfen selbst Zwerge lange Schatten.
(asiatische Weisheit)

In unserer heutigen Zivilisation ist davon auf den ersten Blick nicht mehr allzu viel zu spüren. Am respektlosen Umgang mit unserer Umwelt und der Vernichtung unserer Naturrecoursen sind wir alle beteiligt. In den Tiefen unseres Innern regt sich aber bei vielen ein schlechtes Gewissen. Können wir diese Regung als Grundlage für den immer mehr zunehmenden Gartenkult ansehen?

Als in der Nachkriegszeit aufgrund des zunehmenden Wohlstandes Nutzgärten in Blumengärten umgewandelt wurden, begann sich ein eigener, lukrativer Industriezweig zu entwickeln. Hochwertige Gartenmagazine und aufwendig dekorierte Gartengeschäfte erfreuen sich eines nie dagewesenen Booms. Der Deutsche kauft, dekoriert und gestaltet seine Gärten mit einem zunehmend energetischen und künstlerischen Potentials.
Spricht der Garten den Menschen in seiner Suche nach sich selbst oder nach anderen Ebenen an?

Weiß neun Heime, neun Weltreiche,
des hehren Weltbaums Wurzeltiefen.
(Ältere Edda „Die Seherin Weissagung“)

In seinem Buch „Streifzüge am Rand Midgards“ beschreibt der bekannte Ethnologe Dr. Wolf-Dieter Storl den Garten der Mitte als „Midgard“. Dabei handelt es sich einerseits um einen eingefriedeten, zu beschützenden Raum. Aber auch der Begriff „Mittelerde“, den Tolkien in seinem Buch „Herr der Ringe“ wieder aufgegriffen hat, bezeichnet die irdische Heimstätte unter einem anderen Licht. Die Erde war heilig, Erdmutter Nerthus ernährte Pflanzen und Lebewesen. Bereits Tacitus beschreibt in der Germania ausführlich eine rituelle Zeremonie zu ihren Ehren. Pflanzen und Bäume wurden als lebendige Wesenheiten angesehen und in den Alltag, sowie in Heilrituale mit einbezogen.

Der heilende Garten

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Gudrun Germann
www.phytaro.de



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Naturheilpraxis 03/2010