MEINUNG

Wissenswertes, Kritisches, Wünschenswertes

Von Josef Karl

I.
Beim Thema Rauchen kam das Ganze vom Gesetzgeber um Jahrzehnte zu spät. Handfeste und effiziente Maßnahmen in der Ernährung verzögert die Regierung „nachhaltig“; opfert sie die Volksgesundheit wider Hundertschaften von Lobbyisten?
Dass vieles heillos zu spät kommt – ist das ein „Zwangsgesetz“ auf der Welt? Bis das Bewusstsein für die notwendigen Maßnahmen jahrzehntelang braucht – ist das normal?
Vor 40 Jahren veröffentlichten nicht nur ich – auch wenige andere – dass Rauchen ein großes Verhängnis ist. Erst in den letzten Jahren, ganz, ganz langsam, kommt die Erkenntnis, dass es die Gesundheit von Hunderttausenden ruiniert. Ferner müssten 30% von Krebs der Verdauungsorgane durch langfristig gesunde Ernährung nicht sein (darauf wiesen viele Naturheilkundige wie Kneipp, Waerland, Ragnar Berg, Walter Sommer und unzählige andere ebenso hin wie die Ärzte Dr. Lahmann, Dr. Max Birchner-Benner, Prof. Dr. Zabel, Dr. Josef Issels, Dr. Otto Buchinger, Prof. Dr. Lützner und bis in die neuere Zeit hin). Was hat es gebracht, wenn von wenigen Einzelnem abgesehen wird?

Der Schreibtischgedanke: fünfmal Obst und Gemüses! Die Bürokraten der „Deutschen Gesellschaft für Ernährung“ sollten nachfragen, wie viele Menschen das wirklich machen. Diese genannte DGE riet noch vor wenigen Jahrzehnten – Steuergelder finanziert – dringend vom „krank machenden Vegetarismus“ ab! Wir sollen alles essen – wo wir jetzt gelandet sind! Wer meint, dass Ernährungsproblem sei so schlimm nicht – der spaziere vom Münchner Hauptbahnhof zum Marienplatz, mitten in der Fußgängerzone. Vor zehn Jahren musste man noch in die USA fahren, um Menschen zu sehen, die vor Fettsucht kaum noch gehen konnten. Das ist jetzt nicht mehr notwendig. Die ganze völlig halbherzige Aufklärung hat nichts genutzt. Und das Schlimmste: Wir sind jetzt in die negative Kettenreaktion geraten: Die dicken Eltern bekommen dicke Kinder und inzwischen ist der Defekt kaum mehr zu ändern. Und die Kinder, die bereits übergewichtig geboren sind, sitzen dann zusätzlich bei McDonald. Wie soll das weitergehen? Wer, außer den Reichen, kann seine Krankenkasse noch bezahlen – und Naturheilmittel aus eigener Tasche fallen sowieso unter den Ladentisch!

Jetzt können endlich die unverbesserlichen „Optimisten“ mit „alles wird gut“ und ähnlich geistlosen Sprüchen das Heft in die Hand nehmen. Ob ihnen Glückwünsche nützen?
Noch mal zum Anfang zurück: Beim Problem Rauchen hat die Regierung immerhin positive Ansätze gemacht, Erschwernisse eingebaut – Freiheit hin – Freiheit her. Das müsste bei der Ernährung auch kommen, energischer allerdings. Die so genannte Freiheit ist bekanntlich nicht mehr bezahlbar.

II.
Kann niemand den Unsinn des Klagens in Fernseh-Wetteberichten verhindern, „schlechtes Wetter“ zu bedauern? Braucht die Natur nur Sonnenschein und Trockenheit?
Manchmal möchte ich die aus dem Ei geschälten und faltengeglätteten Fernsehansagerinnen und die Kachelmänner, die vor den Weltkarten herumfuchteln, ein halbes Jahr in die Landwirtschaft (in den Arbeitsalltag) schicken oder zum Kennzeichnen aller Bäume, die dem Untergang geweiht sind (laut Waldschadensbericht, der uns jährlich ausführlich präsentiert wird, sterben in absehbarer Zeit ein Drittel der Bäume, ein weiteres Drittel ist zwar krank und die Prognose, ob sie sich wieder erholen, schlecht. Lediglich das letzte Drittel ist – noch? – gesund.
Was ich gegen die oben erwähnten Personen habe: einfach das ständige Bedauern, dass es „leider“ wieder regnen wird, aber Gott-sei-Dank uns schnell eine weitere trockene, warme Woche im Biergarten winkt. Aber gleich, wo Du hingehst: Das Wetter als ewiges Thema! Weiß denn wirklich niemand mehr, dass wir vom schönen Dauer-Ferienwetter nicht existieren können? Jetzt hatten wir voriges Jahr einen „Jahrhundert“ – April; 5 Wochen kein Regen! Mein Onkel, immer noch Krautbauer trotz seines Alters, zeigte mir die vertrocknende Wintersaat und fragt sich, wie er denn die Krautpflanzen in den trockenen Boden bringen soll – soviel gießen könne man ja gar nicht.
Werden wir die Entfremdung von der Natur noch mal umdrehen? Werden wir erst nach ihrer weiteren Beschädigung ein Gespür für die Gesetze der Natur, für den Wechsel von Sonne und Regen, bekommen? Die Hoffnung soll nicht sterben. Ständiges Biergartenwetter wird uns verdummen wie das entschieden zu viele Fernsehen. Es ist höchste Zeit.
Auf die Politik brauchen wir nicht allzu sehr setzen – sie ist immer weit zurück und die Geldgier der „Großen“ ruiniert inzwischen die Zukunft. Die Kinder? Mitleid wird ihnen nichts nützen. Ratlosigkeit, wir müssen es endlich zugeben.
Mein persönlich gedämpfter Optimismus sind der/die Einzelnen. Die kleinsten Zellen, auf die werden wir bauen.

III.
Leberkäs, Weißwürst, Fast food, krustiger Schweinsbraten – 5% der bundesdeutschen Bevölkerung haben in den letzten 50 Jahren wirklich konsequent umgestellt. Auch wenn Optimismus viel höher eingeschätzt wird als Realismus – bringen tut er nicht viel. Die Sache geht langsam.
Essen und Trinken: Das ist, und bleibt wohl vorerst, ein unerschöpfliches Thema. Beispielsweise geht es in München dem Leberkäs nach wie vor besser als den Bioprodukten! Zwar weiß kein Mensch was eigentlich in ihm drinnen ist – jedenfalls weder Leber noch Käse – und dasselbe darf auch für die Fleischpflanzln (in Berlin- wohl Buletten) gelten. Im Hackfleisch lässt sich manches unterbringen. Weißwürste gelten gar in Bayern als Krankenkost und Diät – sie werden unverbrüchlich als mager angesehen, was sie nicht sind. Mit großer Regelmäßigkeit stellt jedes Jahr eine Kommission fest, dass weit über die Hälfte den Test nicht besteht!
40% der Jugendlichen haben während der BSE-Diskussion kein Rindfleisch gegessen, wohl aber mehr „Hamburger“ als je zuvor. Die Kids scheinen nicht zu wissen, dass es Rinderhack ist, was sie da verspeisen. Schweine- und Geflügelfleisch läuft wieder gut, der Verbrauch des Ersteren stieg im vergangenen Jahr leicht an, er liegt jetzt in der BRD bei 40,3 kg pro Kopf. Ein Drittel an Geflügel fällt auf das fade Putenfleisch: Da meinen manche auch, das sei schon „Diät“.
Das Stärkste kommt aus Österreich. Großüberschrift in einer riesigen Zeitungsanzeige (25 x 20) in der ansonsten seriösen Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“: „Schlank im Schlaf“! Hans Neuner, „berühmter österreichischer Naturheiler, Vater der Fettgewebe-Entschlackungskur“, lacht uns aus seinem bartüberwucherten Gesicht an und berichtet von sensationellen Heilerfolgen. Da kommt man sich selbst mal wieder ganz klein und dumm vor. Mit was das geht und wie, erfährt man nur unter einer „Postversand-Tirol-Telefon-Info“. „Außerdem schon von Pastor Fliege in Fernsehen empfohlen“ und von „gerichtlicher beeid. Sachverständigen. Nun: Interessenten sollten lieber nicht nach den Kosten einer solchen Anzeige fragen und besser auch nicht vom Tirol-Versand sich etwas ins Haus flattern lassen. Überspitzt könnte man sagen: Wenn einem beim Preis des Produkts, der sicherheitshalber zunächst gar nicht genannt wird, der Appetit vergeht, hätte es schon eine gewisse Wirkung.
Darf Albert Einstein zitiert werden? Sinngemäß meinte er einmal: Ob das Universum unendlich sei, da wäre er gar nicht so sicher. Was die Unendlichkeit der menschlichen Dummheit betrifft, jedoch sehr wohl. Dieses eben und die Unübersichtlichkeit von Nahrungs- und Arzneimittel sollte eine ganze Reihe von Kommissionen verhindern!

IV.
Sind die Chinesen wirklich klüger(?) – Oder ist ganz einfach karge und sparsame Kost doch die gesündere? Bilden sich arteriosklerotische Ablagerungen zurück?
Arteriosklerotische Gefäßveränderungen sind rückbildungsfähig, wenn die Lebensweise – gesündere Ernährung und stärkere Bewegung – konsequent umgestellt wird. Im Rahmen der Universitätspartnerschaft von Heidelberg mit Wuhan, einer chinesischen Industriestadt mit 4 Millionen Einwohnern, beträgt der Anteil der Todesfälle infolge koronarer Herzkrankheit ein Drittel des entsprechenden Wertes in Deutschland. Der Kernpunkt dieses Vergleichs ist nicht neu: Eine an Schlacken und pflanzlichem Eiweiß reiche, fettarme Kost. Hört sich fast zu einfach an. Und doch ist diese Sache längst auch andernorts nachgewiesen. Bemerkenswert finde ich, dass es sogar in Wuhan funktioniert: Wo es ansonsten nicht die gesündesten Lebensbedingungen zu sein scheinen (Umweltbedingungen, Arbeit, Wohnverhältnisse usw.).

V.
Anhaltendes Sodbrennen kann Speiseröhrenkrebs mit erzeugen. Müsste nicht sein. Allein schon Ernährungsumstellung mit Schwerpunkt basisch könnte viel verhindern.
Anhaltendes Sodbrennen erhöht das Risiko, an Speiseröhrenkrebs zu erkranken. Dies an sich ist keine neue Erkenntnis. Eine Refluxstörung, auch Barret-Syndrom genannt, schädigt die Speiseröhrenzellen, die letztlich auch entarten können. Sodbrennen muss also behandelt werden. Die Schulmedizin gibt dabei seit einigen Jahren sehr häufig Omeprazol-Präparate. Nachgewiesen ist, dass seitdem auch die Ulkus-Operationen im Magen- und Zwölffingerdarm-Bereich zurückgegangen sind. Auch wenn diese Medikamente einen langen Zettel mit Nebenwirkungen haben, wird man sie als das kleinere Übel nicht ablehnen.
Diätetische Aufklärung hingegen geschieht vom Arzt immer weniger: Vielmehr hat sich sogar die Meinung durchgesetzt, dass diese nichts nützt. Dieser Meinung müssen wir uns nicht anschließen; wir sollten uns Zeit zur Besprechung der täglichen Nahrung nehmen. Auch ist die Phytotherapie ebenso wie eine homöopathische Behandlung stark, das geht vielleicht beim Kamillentee an, führt über Heilerde und basische Pulver bis hin zur möglichen Nux-vomica-Gabe und Süßholzpräparaten.
Und dabei wird sicher die Psyche nicht zu vergessen sein, gerade bei Magenproblemen. Zorn, sich ärgern über Alles und Jedes, Aggressivität – oder auch das Gegenteil. Das wäre dann Frustration und Das-in-sich-Hineinfressen von Schwierigkeiten – verhängnisvoll.

VI.
Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk (neben Bier!). Bescheid sollten wir wissen, wer wann welchen Kaffee trinken darf – und nicht zuviel.
Kaffee – das ist ein heikel Ding, da lässt sich’s nie allen Recht machen. Ob mit Zucker und Milch oder umgekehrt und noch mal variiert: Außer dem Schwarzen Tee hat kaum ein Genussmittel eine breitere individuelle Variante. Für uns in der Praxis besteht durchaus Bedarf an Aufklärung. Wir müssen nachhelfen und sagen, dass der Begriff Schonkaffee auf die Säure Bezug nimmt (Chlorogensäure) und den Magen und die Galle weniger reizt. Und dass es diesen mit und ohne Koffein gibt, wobei letzteres auf das Gehirn, den Blutdruck und die vegetative Ausgangslage einen Bezug hat (z. B. bei Schilddrüsenüberfunktion).
Es erstaunt auch, was die anregende Wirkung von koffeinhaltigem Kaffee betrifft: Die einen können sich nach dem Abendessen noch einen leisten, andere ab 17 Uhr auf keinen Fall.
Die einen schwärmen von der Vielfalt in Österreich (Kleiner Brauner, Melange, Kapuziner, mit und ohne Schlagobers etc.), wo in guten Cafes das beschlagene Glas Wasser obligatorisch ist. Andere meinen, sie vertrügen in Italien den Kaffee nicht und wenden sich an Häuser, wo das Schild „Kaffee nach deutscher (!) Art“ Heimat verspricht, aber keineswegs Gemütlichkeit. Letzteres ist ein so typisch deutsches Wort, von dem die Italiener oder die Amerikaner kein adäquates Wort im Sprachschatz haben.
Und: In Südamerika wie auch in Afrika geht es den Kaffeebauern immer schlecht; sie bekommen Hungerlöhne. Es wäre angebracht, bei uns für ein Genussmittel ein wenig mehr zu bezahlen, damit die Trans-Fair-Produkte in den Dritte-Welt-Läden und inzwischen auch Supermarktketten zu unterstützen. Mit „Geiz ist geil“ geht das wohl nicht.

VII.
Hauptsache billig? Leider geht es jetzt – vor allem in der allgemeinen Wirtschafskrise für viele von uns nicht anders. Zorn kommt jedoch auf, wenn wir nachdenken, unter welchen Umständen das Billige häufig produziert wird.
Meistens nicht – aus China vermuten wir schon des Öfteren. Und von Spielzeug, das von dort kommt und so „giftig“ ist, dass es vom Markt genommen werden muss. Aber von gebleichten Edeljeans, wie die Mode sie erfordert? Es kann so sein: Damit diese Hosen gebleicht aussehen, werden sie zum Teil in der Türkei mit Quarzsand abgestrahlt. Mehrere türkische Jugendliche sind durch diese Tätigkeit bereits an Silikose – der Bergarbeiterlunge – gestorben. Wer bei H & M beispielsweise eine solche Hose kauft, kann sich nicht schuldig fühlen, weil er es nicht weiß.
Dass, wer es irgendwie kann, nicht bei den Discountern kaufen soll, der findet in der Presse immer wieder Argumente dafür. Dass Lidl und Aldi ihre Mitarbeiter nicht sonderlich wohlwollend behandeln und bezahlen, kann man schon wissen, wenn man will. Da werden die Namen durchaus genannt. Was mich persönlich an meisten bedrückt ist, dass sie systematisch alle kleinen Läden, Familienexistenzen, kaputt gemacht haben. Da unsere Praxen selbst ein, zwei oder drei Personenunternehmen sind, müssten wir dies nachempfinden können.
Aufklärung ist wichtig, selbst wenn das alles nur ein Tropfen auf einen heißen Stein ist. Komme ich noch zu den Blumen, auf den ersten Blick etwas Wunderbares. Das Weihnachtsfest, der Muttertag und der neu hinzu erfundene Valentinstag bringen Mengen von Blumen aus fernen Ländern zu uns. Dass diese in Monokulturen mit hohem Gifteinsatz jene Pestizide zu uns zurück transportieren, welche hierzulande bereits verboten sind – der Käufer kann es kaum wissen, aber ahnen.

VIII.
Die Japaner werden weltweit am ältesten. Weil sie Meeresalgen essen? Wenn’s so einfach wär. Weil sie viel Grünen Tee trinken? Das ist zu simpel gedacht. Die Gründe sind multikausal plus einem Geheimnis. So könnte es sein. Aber für uns hier kaum imitierbar.
Über das lange Leben – insbesondere in Japan
Abseits der Boulvard-Blätter-Frage, wie man ein langes Leben erreicht (und dazu ein oder zwei Wundermittel kaufen soll), gibt es auch seriöse Antworten um dieses Geheimanis.

Denn letztlich bleibt es ein solches. Details wissen wir heute, was am Wichtigsten ist, noch nicht genau:

• Langlebige Vorfahren sind von Vorteil
• keine reichen, aber sozial und finanziell ausreichende Verhältnisse
• eine gute Schulbildung wirkt sich positiv aus.
• gesunde Ernährung – es soll bei diesem Stichwort bleiben
• Bewegung, körperliche Arbeit, auch Sport, nur kein Hochleistungssport
• Abhängigkeiten von Nikotin und Alkohol sowie Drogen vermeiden
• vorsichtige Lebensführung, kein Draufgängertums (weder im Autofahren noch bei Geldspekulationen)
• Zufriedenheit, Gleichmut, Glauben (Ehrgeiz und Eitelkeit bringen Stress, Streit und Überforderung)
• Vermeidung der Isolation im Alter.

Nun, manches ist leichter gesagt als getan. Das weiß ich nach über 40 Praxisjahren. Es darf auch noch das Eine oder das Andere ausfallen. Aber nach Japan. Dort ist die sog. Lebenserwartung seit Jahrzehnten nachweislich am höchsten und innerhalb des Landes wiederum in Okinawa. Nirgendwo gibt es mehr Hundertjährige, die zu einem Großteil nicht dement und hinfällig sind. Kopieren lässt sich das positive Ergebnis der Langlebigkeit nicht: Der Boden und seine Emmanation (Hahnemann hätte es wahrscheinlich Miasma genannt), die Meeresluft, die Gene, das Rassische und vieles mehr. Aber vielleicht zeigt es uns etwas auf, was bei uns immer wieder unausrottbar zu sein scheint, nämlich: das Mittel gibt es nicht. Damit müssen wir leben.

Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Alpenstr. 25
82377 Penzberg

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Naturheilpraxis 02/2010