Therapeut / Patient

Medizinisches und therapeutisches Wahrnehmen des Arztes und Heilpraktikers durch erweiterte Wahrnehmung in der Praxis

Entspannt und gleichzeitig hellwach, ein idealer Zustand für empathisches Wahrnehmen

von Markus Köhl

Empathie stellt eine Entlastung für das Arbeitsgefühl des Arztes und Heilpraktikers dar und ruft eine kreative Lebendigkeit hervor, die eine Bereicherung für seinen Alltag darstellen kann. Die Qualität einer Patientenbeziehung und die Empathiefähigkeit hängen von der Wahrnehmungsleistung ab. Dabei steht die empathische Wahrnehmung für eine Sichtweise auf den Patienten, bei der seine Bedürfnisse und Ressourcen samt seiner Situation umfassender erkannt werden können. Erhöhte Wahrnehmungsqualität lässt den Arzt oder Heilpraktiker an Kompetenz gewinnen, wenn er eigene mentale Ressourcen stärkt und seine subjektiven Eindrücke in die Diagnose mit einbezieht. Darüber hinaus befähigt die eigene Wahrnehmung, die Wirkung des Heilungsprozesses beim Patienten besser zu spüren und zu erkennen.

Während einer Erweiterung der Wahrnehmung intensiviert sich die Empfindungsfähigkeit, die es vermag, umfassend die Gesamtzusammenhänge zu erkennen, verborgene, kreative Kräfte beim Patienten zu aktivieren und damit gesunde Persönlichkeitsanteile zu stärken.

Wahrnehmen seiner selbst und seiner Mitmenschen festigt das Verständnis für empathisches Handeln. Dabei werden die Individualität und die persönlichen Aspekte des Patienten wahrgenommen. Unser Handeln wird größtenteils intuitiv gesteuert. Dafür gibt es heute neurobiologische Erklärungsversuche. Die menschliche, moralische Intuition hat demnach eine biologische Basis. Wir erleben uns als Wesen mit unseren Empfindungen für uns selbst, unsere Mitmenschen und für die Umwelt. Bei einer Ethik des Helfens kann man davon ausgehen, dass uns moralische Intuitionen als Orientierung für unser Handeln dienen. Unsere Intuitionen hängen von unserer Wahrnehmung ab und diese wiederum nicht nur von biologisch vererbten, sondern auch von sozial vermittelten und symbolisch strukturierten Wahrnehmungsmustern.

Medizin ist eben nicht nur eine Technik, die nur fachlich die Probleme löst, sondern auch eine Kunst, die der Empathie, des Mitgefühls mit dem kranken Menschen, bedarf. Ein kreativer, schöpferischer Prozess als Teil der ärztlichen, therapeutischen Handlung zur Gestaltung der Beziehung zum Patienten klingt kaum vorstellbar und ist doch Bestandteil des täglichen Handelns. Kreativität im ärztlichen Wirken stellt eine Vorsorge vor Burn-Out im Alltag dar und kann den Arzt und Heilpraktiker dabei unterstützen, Freude an der Arbeit zu behalten. Vor allem ist es aber ein Zugang zu einer subtilen Wahrnehmung gegeben.

Wird die Wahrnehmungsfähigkeit erweitert, stellt sich der Arzt oder Heilpraktiker mental auf Weite ein und richtet seine Aufmerksamkeit auf Offenheit aus. Dies unterstützt die ärztliche und therapeutische Handlungskompetenz, sowie therapeutisches Wahrnehmen und fördert die Eigenwahrnehmung und das eigene Wohlbefinden. Die Wirkung einer Methode am Patienten lässt sich durch das geschulte medizinische und therapeutische Wahrnehmen intensiver beobachten. Wahrnehmen dient einem vertieften Verständnis für den Heilungsprozess, was für alle medizinischen und therapeutischen Richtungen von Interesse ist. Wenn die Reaktion des menschlichen Systems auf eine medizinische, therapeutische Maßnahme als Wirkung angesehen wird und diese Sichtweise in den Vordergrund ärztlicher, therapeutischer Patientenbegleitung rückt, kann das Prozesshafte und Phänomenale eines Heilungsprozesse mit mehr Bedeutung betrachtet werden.

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Literatur
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Korrespondenzadresse
Markus Köhl, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Medizinische Fakultät Universität Witten-Herdecke
ZEPU-GmbH, Zentrum für Elektropathologie und Umweltmedizin
Stockumer Str. 28, D-58453 Witten
Tel.: +49 (0)172-4387841
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Naturheilpraxis 01/2010