Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Geburtseinleitung mit Akupunktur – einige wichtige Überlegungen

von Debra Betts, Übersetzung Maximillian Beer

Abstract

Noch vor 20 Jahren bestand mein Behandlungsprinzip bei der Geburtseinleitung einzig darin, die Wehen auszulösen. Hierzu wand ich eine stark sedierende Behandlung an Akupunkturpunkten an, die bei verspäteten Wehen indiziert waren, wobei nur wenige Kenntnisse von den zugrunde liegenden diagnostischen Maßnahmen nötig waren. Die Resultate dieser Herangehensweise waren aber oft enttäuschend: Während zwar die behandelten Patientinnen positive Rückmeldung gaben, da sie in der Regel der Überzeugung waren, dass die Behandlung aufgrund der eingetretenen Wehen erfolgreich gewesen sein muss, so entmutigend war doch die Nachbetreuung. So waren deren Wehen häufig von anderen Problemen geprägt, und es kam zu weiteren medizinischen Eingriffen, weil entweder die Geburt zu langsam fortschritt, eine fötale Notsituation bestand oder das Neugeborene „steckengeblieben“ war. Deshalb war für jene Frauen eine Akupunktur nur von geringem Vorteil. Zwar konnten sie eine medikamentöse Einleitung umgehen, aber die folgenden Wehen waren nicht Teil der „natürlichen“ Geburt, die sie sich erwartet hatten. In meiner anschließenden Arbeitserfahrung mit Hebammen entwickelte sich ein weitaus befriedigender Ansatz, bei dem Akupunktur zur Korrektur potentieller Störungen eingesetzt wird und sich mehr auf die Unterstützung einer problemlosen Geburt als auf eine lediglich rasche Weheneinleitung konzentriert. In diesem Beitrag möchte ich diesen Ansatz erläutern, der vier Aspekte beinhaltet, die ich inzwischen als absolut ausschlaggebend für das Erreichen eines optimalen Ergebnisses halte: ein natürlicher physiologischer Geburtsvorgang. Zudem werden die neuesten Forschungsergebnisse zur Akupunktur bei Weheneinleitung und die Folgen für die Praxis erwähnt.

Einführung

Bei einer medikamentösen Einleitung werden die Wehen künstlich ausgelöst. Einmal begonnen, so gibt es kaum Alternativen als bis zur Niederkunft mit weiteren Eingriffen fortzufahren, und dies führt meist zu einer Kaskade an Eingriffen wie Zuhilfenahme von einer Zange, Saugglocke, oder eines Kaiserschnitts. Eine typische Akupunkturkombination für Geburtseinleitung (mit Punkten wie Hegu Di 4, Sanyinjiao Mi 6, Shangliao Bl 31, Ciliao Bl 32, Jianjing Gb 21 und Kunlun Bl 60) aus meinen früherem Praxisalltag gehört in eine ähnliche Kategorie: Sobald die Wehen eingesetzt hatten, sollten die Patientinnen innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens im Geburtsvorgang voranschreiten; Eingriffe wie Fruchtblasenruptur und Verabreichung von intravenösem Oxytozin waren zur Unterstützung des Geburtsvorgangs trotzdem in der Regel nötig, Maßnahmen, die an sich häufig zu weiteren Eingriffen führten.

So stellte ich nachträglich fest, dass meine Entscheidung, bei Frauen in der 40. oder 41. Schwangerschaftswoche eine Geburtseinleitung mit Akupunktur vorzunehmen, nur um eine medikamentöse Einleitung zu verhindern, schon selbst einen erheblichen Eingriff darstellte. Wenn man bei Frauen mit bevorstehendem medikamentösem Einleitungsprocedere Wehen derart zu stimulieren versuchte, so war dies meist von geringem Nutzen, solange die zugrunde liegende Ursache für die verzögerten Wehen nicht adressiert war. Selbst wenn Akupunktur im Vergleich zu einer medikamentösen Einleitung in der Regel als sanfte und natürliche Methode betrachtet wird, muss man doch den wirklichen Nutzen dieser Behandlungsart anzweifeln, wenn es bei den Patientinnen trotzdem nicht zu einer raschen und physiologischen Geburt kommt.

Ursprünglich begannen Hebammen sich für geburtseinleitende Akupunktur zu interessieren, da sie in der Lage waren, besondere Wirkungen nach erfolgter Akupunkturbehandlung zu beobachten, zum Beispiel Veränderungen am Muttermund, Lage des Fötus sowie positive Gemütsveränderungen, die ihrer Ansicht nach für die resultierenden Wehen hilfreich waren. Selbst wenn die Patientin zur Einleitung der Wehen etwas Hilfestellung seitens der Schulmedizin benötigte, so schritt der Geburtsvorgang in der Regel gut ohne weiteres Eingreifen voran. Der Einsatz von Akupunktur war für ihre klinische Arbeit von enormer Bedeutung, da die Häufigkeit medikamentöser Einleitung sowie anderer Eingriffe während der Wehen, und dazu gehören auch Kaiserschnitte, reduziert werden konnte.

In einer kleineren Beobachtungsstudie über die alltägliche Praxis von 14 Hebammen über einen Zeitrahmen von vier Monaten kam heraus, dass Akupunkturbehandlungen vor den Wehen zur Reduzierung medikamentöser Eingriffe hilfreich sein kann, im Vergleich zu Frauen, die auf ähnliche Weise von anderen Hebammen, jedoch ohne Akupunkturbehandlung betreut wurden. (1) Eine statistische Nachfolgeanalyse ergab signifikante p-Werte ( < 0,0085) für „ein höheres Auftreten spontaner Geburten beim ersten Kind oder darauf folgenden Kindern sowie für weniger Kaiserschnitte bei Müttern mit ihrem ersten Kind oder darauf folgenden Kindern“. (2)

Zur Vorbereitung einer effizienten Geburt beginnt man die Akupunktur am besten bevor eine medikamentöse Einleitung von Nöten ist, obwohl dies nicht immer möglich sein wird. Möchte eine werdende Mutter durch Akupunktur eingeleitet werden, so kann die Behandlung trotz geplanter medizinischer Eingriffe dafür eingesetzt werden, um normale physiologische Wehen zu fördern. Hierbei muss man vier Punkte beachten:

Wichtige Punkte zur Beachtung

Ist der Säugling in optimaler vorderer Hinterhauptslage?

Ist die Patientin auf die Wehen emotional vorbereitet?

Ist die Patientin körperlich bereit für die Geburt?

Ist der Säugling wirklich zu spät dran?

Das Stimulieren der Wehenkontraktionen

Forschung

Schluss

Als Akupunkteure können wir uns vieler verschiedener Behandlungsarten bedienen, die eine physiologische Geburt fördern. Indem man eine Akupunkturdiagnose mit schulmedizinischem Wissen integriert – wie die Lage des Fötus, die Konditionen des Gebärmutterhalses sowie die körperlichen und emotionalen Wirkungen von Hormonen zum Beginn der Wehen –, können wir einen der Praxis der Chinesischen Medizin angepassten individualisierten Behandlungsansatz ermöglichen.
Die von mir in diesem Beitrag vorgeschlagenen Akupunkturpunkte sind die meiner Absicht nach wirksamsten, die Liste ist aber natürlich nicht erschöpfend. Ich hoffe, dass dieser Beitrag Akupunkteure jeglichen Behandlungsstils ermutigen wird, den Einsatz traditioneller Chinesischer Medizin in der Förderung effizienter Wehen weiter zu erforschen. Die Verwendung von Punktverschreibungen zur Förderung der Kontraktionen spielt in diesem Prozess nur eine kleine und auf die Endphase der Schwangerschaft bezogene Rolle.

...

Quellenangaben:
1 Betts, D. Lenox, S. Acupuncture for Prebirth Treatment: An Observational Study of its use in Midwifery practice. Medical Acupuncture. 2006; 17(3): S. 16-19
2 persönliche Email-Korresponden mit Sue Lennox 15/12/2007
3 Betts, D. The Essential Guide to Acupuncture in Pregnancy & Childbirth. The Journal of Chinese Medicine Ltd. 2006. S. 181
4 Ebenda, S. 182
5 Auch genannt Duhui. Befindet sich plantar an der zweiten Zehe, in der Mitte der distalen interphalangealen Hautfalte.
6 Betts, D. The Essential Guide to Acupuncture in Pregnancy & Childbirth. The Journal of Chinese Medicine Ltd. 2006. S. 181
7 Ebenda, S. 181
8 Umfrage: Müttern zuhören 2006 Report of the Second National U.S. Survey of Women’s Childbearing Experiences. http://www.childbirthconnection.org/pdfs/LTMII_ExecutiveSum.pdf
9 Gaskin I M. Ina Mays guide to Childbirth. Bantam Dell. New York 2003 S. 158
10 Henderson, C. Macdonald, S. Mayes Midwifery A Text for Midwives. 13. Ausgabe Bailliere Tindall 2004, S. 414
11 Betts D. The Essential Guide to Acupuncture in Pregnancy & Childbirth. The Journal of Chinese Medicine Ltd. 2006 S. 152
12 Ebenda, S. 152
13 Maciocia, G. The Foundations of Chinese Medicine. Churchill Livingstone, 1989. S. 372
14 Deadman, P., Al-Khafaji, M., Baker, K. 2001 A Manual of Acupuncture. Journal of Chinese Medicine Publications. S. 566
15 Ebenda, S. 376
16 Maciocia, G. The Foundations of Chinese Medicine. Churchill Livingstone, 1989. S. 465
17 Deadman, P., Al-Khafaji, M., Baker, K. 2001 A Manual of Acupuncture. Journal of Chinese Medicine Publications. S. 303
18 Henderson C. Macdonald S. Mayes Midwifery A Text for Midwives. 13. Ausgabe Bailliere Tindall 2004, S. 303
19 Deadman, P., Al-Khafaji, M., Baker, K. 2001 A Manual of Acupuncture. Journal of Chinese Medicine Publications. S. 302
20 Betts D. The Essential Guide to Acupuncture in Pregnancy & Childbirth. The Journal of Chinese Medicine Ltd. 2006 S. 154
21 Henderson, C. Macdonald, S. Mayes Midwifery A Text for Midwives. 13. Ausgabe Bailliere Tindall 2004 S. 864
22 Ebenda, S. 418
23 Otto C and Platt LD. Fetal Growth and Development. Obstet Gynecol Clin North Amer 1991;18(4): S. 907-31.
24 Royal College of Obstetricians and Gynaecologists. 2001 Induction of Labour: Evidence Based Clinical Guidelines. No. 9, RCOG. Clinical Effectiveness Support Unit. London (UK)
25 Hannah ME et al. Induction of labor as compared with serial antenatal monitoring in post-term pregnancy. A randomized controlled trial. N Engl J Med 1992; 326(24): S. 1587-92
26 Menticoglou S, Hall P. Routine induction of labour at 41 weeks gestation: nonsensus consensus. Br J Obstet Gynaecol, 2002; 109: S. 485-91
27 Hannah ME et al. Postterm pregnancy:putting the merits of a policy of induction of labor into perspective. Birth 1996;23(1): S. 13-19
28 Henderson C. Macdonald S. Mayes Midwifery A Text for Midwives. 13. Ausgabe Bailliere Tindall 2004 S. 871
29 2001 Royal College of Obstetricians and Gynaecologists – National Evidence Based Guidelines http://www.rcog.org.uk/index.asp?PageID=695
30 Henderson C. Macdonald S. Mayes Midwifery A Text for Midwives. 13. Ausgabe Bailliere Tindall 2004 S. 868
31 Betts D. The Essential Guide to Acupuncture in Pregnancy & Childbirth. The Journal of Chinese Medicine Ltd. 2006 S. 154
32 Ebenda, S. 150
33 Ebenda, S. 152
34 Ebenda, S. 152
35 Smith C A. Crowther C. Acupuncture for induction of labour. Cochrane Database Syst Rev. 2004; (1):CD002962
36 Smith C. Crowther C. Collins C. Coyle M. Acupuncture to Induce Labour. A Randomized Controlled Trial. American College of Obstetricians and Gynecologists. 2008; 112 (5): S. 1067-74
37 Hannah ME et al. Induction of labor as compared with serial antenatal monitoring in postterm pregnancy. A randomized controlled trial. N Engl J Med 1992; 326(24): S. 1587-92

Debra Betts
Übersetzung Maximillian Beer

Debra Betts praktiziert in Neuseeland und lehrt in Wellington an der New Zealand School of Acupuncture. Sie ist die Autorin von Akupunktur für Schwangerschaft und Geburt, erschienen im Oktober 2009 beim Verlag Elsevier. Zurzeit arbeitet sie in einer Vorgeburtsklinik innerhalb eines Krankenhauses und unterhält außerdem eine Privatklinik innerhalb eines schulmedizinischen Zentrums für Unfruchtbarkeit.

Kontakt unter debra.betts@rhizome.net.nz



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Naturheilpraxis 01/2010