Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Gedanken zur Ernährung im Winter

von Helmut Magel

Winter: Leben in Wartestellung

Im Winter haben die Bäume, abgesehen von wintergrünen Laub- und Nadelgehölzen, ihr Laub verloren. Es herrscht weitgehend Vegetationsruhe. Das Leben scheint still zu stehen. Das Yin befindet sich in seiner stärksten jahreszeitlichen Phase.
Vieles ruht wirklich – oder wartet doch nur. Zum Beispiel die Knospen: schützend von Schuppen umgeben, warten die Knospen vieler Gehölze, um sich in wärmeren Zeiten zu entfalten. Die dünnen Knospen werden sich zu Blättern entwickeln, während die runden, dicken Knospen sich zu Blüten entfalten werden. Auf den Feldern sieht man das nur wenige Zentimeter hohe Wintergetreide, das im Herbst gesät wurde. Gestärkt durch das Überwintern ist das Wintergetreide im Frühjahr im Wachstum dem Sommergetreide gegenüber überlegen.
Viele Pflanzen leben nur einen Sommer lang. Ihre Nachkommen überstehen den Winter in geschützter Form als Samen. Die mehrjährigen Kräuter und Blumen überdauern durch Überwinterungsorgane (z.B. Knollen, Zwiebeln) unter der Erdoberfläche.
Die Tiere haben für das Überleben in der kalten Jahreszeit die unterschiedlichsten Strategien entwickelt: Hamstern, Auswandern, die Zeit verschlafen, Durchhalten oder Anpassen – dies alles erfordert tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und im Stoffwechsel. Schmetterlinge und andere Insekten überwintern je nach Art als Ei, Larve, Puppe oder fertig entwickeltes Tier. Während bei Wespen die Völker im Herbst absterben und nur Jungköniginnen in Kältestarre überwintern, produzieren Bienen durch den Verzehr von Honig Verbrennungswärme und heizen so ihren Stock.
Die meisten Tiere überwintern im Verborgenen. In ihren Verstecken finden sie stabile Umweltbedingungen und Schutz vor ihren Feinden.

Schlussfolgerungen für den Menschen

Aus den Beobachtungen der Natur zogen die Chinesen der Antike ihre Schlüsse, um sie auf den Menschen anzuwenden. So lauten die Prämissen für den Winter als der Zeit des „Zuschließens und Speicherns“ im Neijing Suwen (Der Gelbe Kaiser. Das Grundlagenwerk der Traditionellen Chinesischen Medizin, hrsg. von Maoshing Ni, Barth, 1998, Kapitel 2):

Yang bewahren:

Die im Neijing empfohlene Strategie, gesund durch den Winter zu kommen, folgt zunächst dem Prinzip der Entgegensetzung, der Abwehr oder zumindest der Kompensation: Die Kälte der Jahreszeit wird durch die Erhaltung der Wärme ausgeglichen. Für die Diätetik hieße das, wärmenden Nahrungsmitteln und Getränken den Vorzug zu geben, um der äußeren Kälte entgegen zu wirken, ohne das Yang all zu sehr zu stimulieren. Dies könnte das Yin schmälern und damit die Speicherung der Energie im Winter gefährden. Heinrich Heine hat das rechte Verhalten im Winter sehr schön ausgedrückt:

Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Es gilt, sich den jahreszeitlichen Gegebenheiten anzupassen, andernfalls läuft der Mensch Gefahr zu erkranken. Missachtet er die Notwendigkeit des Zuschließens und Speicherns während des Winters, dann wird der Funktionskreis Niere beeinträchtigt und dem Menschen droht „Impotenz im Frühjahr“. Gespeichert wird das Jing, die (Lebens-) Essenz, die wie eine Knospe mit ihrem ganzen Potential über den Winter beschützt werden muss. Zugleich kommt es darauf an, in der Zeit des höchsten Yin, das Yang der Lebenswärme zu bewahren.

In Zeiten von automatischer Heizung und Klimaanlage scheint das alles überholt. Und doch setzt der Winter den Menschen auch heute noch zu. Ein Blick auf die Gesamtsterblichkeit in Deutschland zeigt sich „in der Regel zyklisch mit einem Anstieg der Mortalität in den Wintermonaten und einem Abfall in den Sommermonaten.“ Der Funktionskreis Niere ist der Sitz der Lebensenergie, des Ming Men (Tor des Lebens).
Das Yin des Winters bedeutet Gefahr für das Yang der Lebensenergie. „Kälte und deren direkten und indirekten Auswirkungen werden als wesentliche Faktoren für die im Winter gesteigerte Mortalität insbesondere durch Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und zerebrovaskuläre Erkrankungen diskutiert. Auch der bekannte saisonale Verlauf der Influenza wird mit erniedrigten Temperaturen assoziiert.“ (Saisonale Schwankungen in der Mortalität in Baden-Württemberg 1999 – 2006, in: http://www.egms.de/static/en/meetings/gmds2008/08gmds033.shtml gelesen am 13.11.2009).

Die Strategie der Entgegensetzung und Abwehr sollte ergänzt werden durch ein Prinzip der Nachahmung und der Gleichförmigkeit: In der Zeit, in der die Pflanzen ihr Wachstum vorbereiten und in einer Wartestellung verharren, müssen die Menschen es ihnen gleichtun und die Entwicklung ihres Körpers vorbereiten. Ebenso wie sich in der Kälte des Winters die Bäume verhärten und stark werden, werden es auch die Menschen, wenn sie die Kälte nicht scheuen, sondern sich ihr gut gewappnet „mutig“ aussetzen. So wird der Mensch wie das Wintergetreide abgehärtet und hat im Frühjahr einen „Wachstumsvorteil“.

Nahrungsmittelangebot im Winter

Wandlungsphase Wasser und salziger Geschmack

Diese Yin- und Yang-Funktionen spiegeln sich im salzigen Geschmack wieder

Resümee

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Anschrift des Verfassers:
Praxis für Chinesische Medizin
Helmut Magel
Heilpraktiker und Ernährungsberater
Löhrerlen 16
42279 Wuppertal
Tel. (0202) 593237
E-Mail: Tcm@helmut-magel.de

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Naturheilpraxis 01/2010