Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Ein Vergleich der homöopathischen mit der schulmedizinischen Anwendung: Atropin und Belladonna

Von Bernhard Weilandt-Cohausz und Roger Rissel

Erweiterte Fassung eines Vortrags beim 15. Therapeutentreffen der DGKH in Eriskirch/Moos 2008

Zusammenfassung

In diesem Artikel werden die Anwendungsgebiete des Arzneistoffs Atropin in der Schulmedizin mit den Wirkungen des homöopathischen Arzneimittels Belladonna verglichen. Dabei wird unter anderem auf den Wirkungsmechanismus von Atropin als Anticholinergicum eingegangen. Im Zusammenhang mit der Bedeutung der kleinen Gaben in der Homöopathie wird gezeigt, wie das Auftreten von arzneistoffspezifischen Nebenwirkungen vermieden wird.

Schlüsselwörter
Atropin, Belladonna, Schulmedizin, Homöopathie, Rezeptoren, kleine Gabe, arzneistoffspezifische Nebenwirkungen

Inhalt

1. Gegenstand der Betrachtung
2. Ausgangssubstanz

2.1. Toxizität und Hauptwirkstoff
2.2. Vergiftungssymptomatik

3. Wirkungsweise von Acetylcholin und Atropin
4. Vergleich der schulmedizinischen mit der homöopathischen Anwendung

4.1. Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis und hAMP
4.2. Wirkungen und Nebenwirkungen
4.3. Dosierung der homöopathischen Arzneimittel
4.4. Indikationen – Anwendungsmöglichkeiten

5. Fazit

1. Gegenstand der Betrachtung

Die Arzneipflanze Atropa belladonna wird sowohl in der Homöopathie als auch in der Schulmedizin, hier allerdings in Form des Hauptwirkstoffes Atropin, erfolgreich eingesetzt. Diese Tatsache macht eine vergleichende Betrachtung möglich, denn auch in der Homöopathie lassen sich die Wirkungen der Arzneipflanze Atropa belladonna, in erster Linie bewirkt durch die Tropanalkaloide und den Hauptwirkstoff Atropin, verstehen (vgl. Mezger 1995, S. 289). Die Nebenwirkungen oder toxischen Wirkungen von Atropin stimmen mit den Vergiftungssymptomen der Tollkirsche überein (vgl. Rote Liste 2009). Im Übrigen wird auch Atropinsulfat als Arzneimittel in der Homöopathie angewendet.

Beide Therapieformen nutzen die Wirkungen, die Atropin am Menschen hervorrufen kann. Der Unterschied liegt in den Kriterien für die jeweilige Indikationsstellung. In der Homöopathie erfolgt die Anwendung von Belladonna, wenn der Patient an ähnlichen Beschwerden leidet, wie die, die unter der Arzneiwirkung (z.B. bei einer Vergiftung) auftreten können. Die Indikationen der schulmedizinischen Behandlungen gründen sich zwar auf die gleichen Wirkungen, allerdings um gezielt einzelnen Beschwerden oder Symptomen entgegenzuwirken. In beiden Therapieformen wird so Linderung, Heilung oder Lebensrettung kranker Menschen bewirkt.

2. Ausgangssubstanz

Der Name Atropa belladonna, der Pflanze, die als Ausgangsmaterial für die homöopathische Arzneimittelzubereitung dient, leitet sich aus dem griechischen ‚atropos’ ab, was unabwendbar bedeutet. Atropos war in der griechischen Mythologie jene der drei Schicksalsgöttinnen, die den Lebensfaden abschnitt. Der Zusatz belladonna war bereits im 16. Jahrhundert die italienische Bezeichnung für diese Pflanze. Die etymologische Herkunft dieses Zusatzes ist nicht sicher geklärt. Die deutsche Bezeichnung Tollkirsche rührt wohl von der Beobachtung der Tollheit her, die Personen, welche die Droge eingenommen haben, zeigen.
Geschichtlich interessant ist, dass die schwarze Tollkirsche seit der Antike medizinisch genutzt wird, unter anderem als Schmerzmittel. Die Wahnzustände, die bei höherer Dosis auftreten, wurden im Mittelalter eingesetzt, um den Hexenverdacht zu bestätigen. Man nimmt an, dass die Tollkirsche ein Bestandteil sogenannter Hexensalben gewesen sein könnte. Die Tollkirsche wurde unter anderem zur Pupillenerweiterung verwendet.

Der aus der Pflanze isolierte Hauptwirkstoff Atropin war lange Zeit das einzige Arzneimittel zur Behandlung des Morbus Parkinson.

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Literatur
Clarke, J. H.: Der Neue Clarke, Bd. 1-4. Greifenberg: Hahnemann Institut, 2005.
Hahnemann, S: Organon der Heilkunst, Textkritische Ausg. der 6. Aufl. Neuausgabe, Heidelberg: Haug, 1999.
Hahnemann, S.: Gesamte Arzneimittellehre. Hrsg.: Christian Lucae/Matthias Wischner, Stuttgart: Haug, 2007.
Jahr, G. H. G.: Ausführlicher Symptomen-Kodex der Homöopathischen Arzneimittellehre, Nachdruck der Ausgabe von 1848, Hamburg: Bernd von der Lieth.
Loewe, S.: Atropin-Vergiftung durch Genuss von Fleisch eines vergifteten Tieres, Sammlung von Vergiftungsfällen, Band 1 (1930), A 18, S. 41-44 (www.gifte.de).
Mezger, J.: Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, 11. Aufl., Heidelberg: Haug, 1995.
Mutschler, E. (Hrsg.): Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9., vollst. Neu bearb. und erw. Aufl., Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2008.
Rote Liste (Hrsg.): Rote Liste 2009. Frankfurt/Main: Rote Liste, 2009.
Süß, W.: Potenzierbarkeit von Wirkstoffspuren bei der Herstellung von flüssigen homöopathischen Zubereitungen. Untersuchungen mit Hilfe des Ilium-Modells der Ratte. Allgemeine Homöopathische Zeitung, Band 251, Heft 4/2006, Stuttgart: Haug 2006, S. 164-170.
Schwamm, Brigitte; Schmitz, Rudolf: Atropa Belladonna. Eine antike Heilpflanze im modernen Arzneischatz, Stuttgart: Dt. Apotheker-Verlag, 1988.
Wischner, M.: Ähnlichkeiten in der Medizin. Über die Wissenschaftlichkeit von Homöopathie und Schulmedizin. Essen: KVC-Verlag, 2004.

Anschrift der Verfasser:
Dr. rer. nat. Berndhard Weilandt-Cohausz
Apotheker und Heilpraktiker
Färberweg 36b
55128 Mainz
Roger Rissel
Heilpraktiker und PTA
Friedrich-Naumann-Str. 24
55131 Mainz



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Naturheilpraxis 01/2010