FACHFORUM

Problem Angst

von Bärbel Tschech

„Jedes Jahr verschulden die Ärzte bei knapp 800.000 einen Dauerkonsum von Benzodiazepinen. In 130.000 Fällen tritt sogar schwere Abhängigkeit ein, aus der sich die Patienten nur selten selbst befreien können.“ (9) – So das Ergebnis einer aktuellen Studie zur Tablettensucht in Deutschland.

Psychopharmaka – Fluch oder Segen?

Es gibt verschiedene Psychopharmaka zur Therapie von Angsterkrankungen.
Zum Einsatz kommen im Wesentlichen

Zwar gelingt es immer besser, damit gezielt bestimmte Rezeptoren zu beeinflussen und so die Nebenwirkungsbreite zu minimieren. Trotzdem bergen viele chemische Psychopharmaka nach wie vor ein hohes Nebenwirkungs- und Abhängigkeitspotenzial.

Benzodiazepine gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamenten. Sie machen gleichmütig gegenüber angsteinflößenden Eindrücken (Anxiolyse). Darüber hinaus wirken sie sedativ und antikonvulsiv, indem sie den Einfluss inhibitorischer Neurone verstärken. Benzodiazepine werden zwar allgemein gut vertragen, sie haben jedoch entscheidende Nachteile: Die Reaktionsfähigkeit wird in einem Maße eingeschränkt, dass das Autofahren nicht mehr empfohlen werden kann. Noch wichtiger: Bei langfristiger Einnahme droh(t)en Persönlichkeitsveränderungen („Wurschtigkeit“) und Abhängigkeit. Entzugssymptome bei Abhängigkeit sind Unruhe, Angst und Krämpfe – die eigentlichen Indikationen. Dadurch werden die dauerhafte Einnahme und so die Abhängigkeit gefördert.

Ohne jeden Zweifel muss manchmal in Kauf genommen werden, dass Psychopharmaka gravierende Nebenwirkungen haben können. Umso gründlicher sollte die Risiko-Nutzen-Analyse ausfallen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es schon erstaunlich, dass eine Auswertung von wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva im Jahre 2008 (2) eine grundsätzliche Frage aufwarf: Ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Antidepressiva bei leichten bis mittelschweren Depressionen überhaupt gerechtfertigt, wenn sich der Placebo-Effekt meist als ebenso wirksam wie die medikamentöse Therapie erweist – und das bei einem hohen Nebenwirkungspotential?

Bei allem Fortschritt in der modernen Medizin, sollte doch immer mal wieder daran gedacht werden, was Hippokrates schon vor über 2000 Jahren predigte:

In der Krankheit musst du für zweierlei Sorge tragen: nützen oder wenigstens nicht schaden.
Hippokrates von Kos

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Literatur:
1. Akhondzadeh, S., Naghavi, H. R. et al. (2001): Passionflower in the treatment of generalized anxiety: a pilot double-blind randomized controlled trial with oxazepam. J Clin Pharm Ther 26 (5): 363-7.
2. Hüther, G.: Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden. Sammlung Vandenhoeck, 7. Auflage 2005.
3. Kirsch I., Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, Johnson BT (2008): Initial severity and antidepressant benefits: A meta-analysis of data submitted to the Food and Drug Administration. PLoS Medicine vol 5, 260-268 (e45).
4. Lüllmann, H., Mohr, K.: Taschenatlas der Pharmakologie, 4. Auflage 2001, Thieme-Verlag
5. Movafegh, a., Alizadeh, R. et al. (2008): Preoperative oral Passiflora incarnata reduces anxiety in ambulatory surgery patients: a double-blind, placebo-controlled study. Anesth Analg 106(6): 1728-32
6. Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH: Naturmedizin für die Seele Ihrer Patienten. Wissenschaftliche Broschüre (2008).
7. Snyder, S. H.: Chemie der Psyche. Drogenwirkungen im Gehirn. Spektrum-d.-Wiss.-Verlagsgesellschaft, 3. Auflage 1990.
8. Wittchen: Pro-CME. GAD – Generalisierte Angststörungen, Bedeutung und klinische Herausforderung. Georg Thieme Verlag KG 2009.
9. www.aerztlichepraxis.de (20.4.2009).

Anschrift der Verfasserin:
Bärbel Tschech (Dipl. Biologin)
88441 Mittelbiberach
Rindenmooser Str. 4



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Naturheilpraxis 10/2009