FACHFORUM

Polyneuropathien – Diagnose und Therapie in der naturheilkundlichen Praxis

Von Jochen Schleimer

Polyneuropathien (PNP) sind Erkrankungen, bei denen aus den unterschiedlichsten, systemischen Gründen gleichzeitig mehrere periphere Nerven geschädigt werden.
Die Unterscheidung in die zwei Formen primär axonal und primär segmental sind außerhalb der neurologischen Fachpraxis von geringem Belang.

Klinik:
Eine PNP beginnt in der Regel langsam und schreitet unbehandelt stetig fort.
Die Krankheit beginnt mit Störungen der Sensibilität in Form von Brennen und Kribbeln mit typischer nächtlicher Verschlimmerung. Die Patienten glauben, dass ihre Füße eiskalt sind und stecken die meist eiskalten Füße aus dem Bett.
Merke: Je länger ein Nerv ist, desto anfälliger ist er für eine PNP. Der längste Nerv ist der Ischiasnerv.
Erst später kommt es zu motorischen Störungen. Charakteristisch ist ein Verlust des Achillessehnen – Reflexes. Danach atrophieren die Mm. Interossei. Dabei können in den atrophischen Muskeln Faszikulationen auftreten.
Differentialdiagnose: Amyotrophe Lateralsklerose!

Diagnose:
Prüfung der Reflexe: Je länger der Nerv desto empfindlicher gegen PNP; daher erlöschen die Reflexe umso eher, je weiter ihr Erfolgsort von der motorischen Nervenzelle im Rückenmark entfernt ist. Deshalb erlischt als erstes der Achillessehnen – Reflex, dann der Patellarsehnen – Reflex und erst später die Reflexe am Arm (Radiusperiost – Reflex, Tricepssehnen – Reflex, Fingergrundgelenks – Reflex)

Die Sensibilität für Vibration (geprüft mit einer Stimmgabel) ist gemindert. Die Minderung ist symmetrisch, socken- oder strumpfförmig.
Noch empfindlicher als die peripheren Nerven sind die Nerven des autonomen Nervensystems. Ihre Schädigungen sind schwieriger zu deuten.
Schädigungen des autonomen Nervensystems gehen den peripheren Schädigungen oft um Jahre voraus.

Die Patienten klagen über ein schnelles Völlegefühl beim Essen sowie über einen Wechsel von Durchfall und Verstopfung. Männliche Patienten leiden unter Blasenentleerungsstörung und Impotenz.
Als unspezifische Befunde finden sich eine Ruhetachykardie, ohne dass Zustände (z.B. Fieber, Hyperthyreose) vorliegen, die eine Pulsbeschleunigung hinreichend erklären. Es finden sich weiterhin unspezifische Herzrhythmusstörungen und in schweren Fällen Ptosis der Oberlider, Pupillenstörungen und Strabismus. Letztere bedürfen einer genauen neurologischen und augenärztlichen Abklärung.
Die Sensibilitätsstörungen führen zu Schäden an der Haut u.a. in Form schwer heilender Wunden nach Bagatelleverletzungen.

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Literaturverzeichnis:
Netter, F.H.: Neurologie, Thieme, Stuttgart, 2001
Schleimer, J.: Neuro – Injektopunktur, Naturheilpraxis, München, 2007
Wipp, B.: Persönliche Mitteilung
Yamamoto, T., Maric-Oehler, W.: YNSA, Chun – Jo, Freiburg,

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. J. Schleimer
Neurologe – Psychiater
Mitglied der American Society of clinical hypnosis
Waltramstr.3
81547 München



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Naturheilpraxis 10/2009