BERICHT

Hexen, Heiler, Priester

Krankheit und magische Heilung bei den Luo im Westen Kenias

von Kurt Lussi

Wie in fast allen traditionellen Gemeinschaften Afrikas, werden auch bei den Luo viele Krankheiten auf das Wirken böser Geistern und Hexen zurückgeführt. Dieser Glaube beschränkt sich keineswegs nur auf die vor allem im Westen Kenias lebende Volksgruppe der Luo, sondern ist Teil des Weltbildes aller Ethnien und sozialen Schichten des Landes. Hohe Polizeioffiziere, Spitzenkräfte der Armee und Parlamentarier führen unerklärliche Krankheiten ebenso oft auf das Wirken von Hexen und schwarze Magie zurück, wie die Menschen der städtischen Unterschicht von Kisumu oder die Bewohner der Slums von Nairobi. Dementsprechend großen Zulauf haben Heiler und Zauberer.

Das Volk der Luo

Besonders tief verwurzelt sind die Vorstellungen von Hexenwerk und Gegenzauber bei den Luo, einem vor Jahrhunderten von Norden eingewanderten Volksstamm, der sich rund um den Viktoriasee niedergelassen hat und dem etwa 3,4 Millionen Menschen angehören. In Kenia leben die Luo hauptsächlich am Ostufer des Viktoriasees in den Provinzen Western und Nyanza. Nach den Kikuyu und den Luhya sind die Luo die drittgrößte Ethnie des Landes. Ihre Sprache heißt Luo oder Dholuo. Dholuo gehört zu den nilotischen Sprachen. Unterteilt sind die Luo in clans, die wiederum in subclans aufgesplittert sind. Ursprünglich lebten die Luo nomadisch. Heute betreiben sie Ackerbau und Fischfang, da für eine nomadische Lebensweise nicht genügend Weideland zur Verfügung steht. Dank der Abgeschiedenheit ihres Siedlungsgebietes haben sich bei den Luo viele ihrer traditionellen Lebensformen erhalten – und mit ihnen die Vorstellungen vom Wirken der Ahnengeister, Hexen und Zauberer sowie der Glaube an die magischen Kräfte der traditionellen Heiler.

Im Raum südwestlich der Straße Kisumu-Bondo-Usenge leben die meisten Luo noch immer in traditionellen homesteads. Mit dem Begriff homestead wird die von einer Hecke umgebene Niederlassung (engl. compound) einer Familie bezeichnet, die aus einigen wenigen oder – je nach Anzahl der Frauen und Söhne – aus bis zu zehn mit Stroh gedeckten Hütten bestehen kann. Dazu kommen Vorratsspeicher und einfache Ställe für Ziegen und Hühner. Eine homestead ist die kleinste Form einer Niederlassung. Mehrere homesteads sind zu Dörfern zusammengeschlossen, die nach einer geografischen Bezeichnung oder einem Clanmitglied benannt sind.

Das Land der Luo wird nicht nur von den Lebenden, sondern auch von den Verstorbenen sowie zukünftigen Generationen bewohnt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden folglich ein Ganzes. Die eigene homestead ist für den Luo daher zentraler Anknüpfungspunkt sowohl zur sichtbaren als auch zur unsichtbaren Welt der Ahnen. Wenn immer möglich, wird ein Luo auf seiner homestead bestattet, auch wenn er vielleicht weitab von seiner Heimat verstorben ist. Luo-Land kann daher weder verkauft noch verpachtet werden. Mit einem Verkauf würde man die Seelen der Ahnen veräußern und sich selbst heimatlos machen – im Diesseits, wie auch im Jenseits.

Die Felsformation Kit-Mikayi an der Straße von Kisumu nach Bondo ist das zentrale Heiligtum der Luo im Nordwesten Kenias. Hüter der Stätte sind Mitglieder des Luo-clans der Kakello, welche die Gegend um den heiligen Stein bewohnen. Bei anhaltender Dürre halten die Ältesten am Fuß der Felsformation ein Ritual ab. Sie beschwören dabei die Geister der Ahnen, sie möchten bei den Göttern um Regen bitten. Um die höheren Mächte günstig zu stimmen, schmettern kräftige Männer einen Opferstier so lange gegen einen großen Stein, bis er tot zusammenbricht.

Kit-Mikayi heißt wörtlich übersetzt „Stein der ersten Frau“, womit vielleicht eine mythische Urmutter gemeint ist. Der Stein dient auch den Mitgliedern der Legio Maria, einer aus dem Christentum hervorgegangenen Sekte, als Kultstätte. Ähnliches wird vom Crying Stone an der Straße von Kisumu nach Kakamega berichtet.

Krankheiten durch Behexung
Ein Fall von Behexung
Der night runner von Wagusu
Heilung durch den Gegenzauber
Heilung durch Gebete der Legio Maria
Die Legio Maria
Die Messe
Leben und Wirken des Baba Messiah
Der Hexenjäger von Malindi
Hexenmacht und Hexenjagd

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Quellen und Literatur:
Dieser Beitrag entstand durch die Befragung von Personen aus dem Raum zwischen Bondo und Wagusu am Viktoriasee (Januar/Februar 2009). Diese Gegend ist das Hauptsiedlungsgebiet des Luo-clans der Sakwa. Die Angaben zu den Vorfällen außerhalb dieses Gebietes entnahm ich verschiedenen Ausgaben des ‚Standard’, der zweitgrößten Tageszeitung Kenias. Die im Text genannten Daten beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der betreffenden Ausgabe.
Die Bilder zu diesem Beitrag stammen vom Verfasser. Alle Aufnahmen wurden mit Zustimmung der abgebildeten Personen gemacht.
Zur Verifizierung einzelner Aussagen wurden folgende Werke benutzt:
MULEMI, B. A.; S. M. NANGENDO: Therapeutic Strategies and Traditional Medical Knowledge of the People of Bar Chando Sublocation, Bondo District, Kenya, in: Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin (Hg.): Curare. Zeitschrift für Ethnomedizin und transkulturelle Psychiatrie/Journal für Ethnomedicine and Transcultural Psychiatriy, Berlin 2001, S. 47-56.
OCHOLLA-AYAYO, A. B. C.: Traditional ideology and ethics among the southern Luo. Uppsala 1976.
ODONGO OGEMBO, J.: Medicine made out of myths at the Nile river, in: Christine E. Gottschalk-Batschkus und Joy C. Grenn (Hg.): Der grosse Lebenskreis. Ethnotherapien im Kreislauf von Vergehen, Sein und Werden/Ethnotherapies in the cycle of life. Fading, Being and Becoming. Norderstedt 2005, S. 237-243.
TURAKI, Y.: Foundations of African Traditional Religion and Worldview. Nairobi 2006.

Fotos: Lussi

Anschrift des Verfassers:
Kurt Lussi
Neuenkirchstraße 17
CH-6017 Ruswil
E-Mail: k-lussi@bluewin.ch



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Naturheilpraxis 08/2009