FACHFORUM

Die schmerzende Hand – Operation oder Repertorisation?

Von Wolfgang Spudy

Die öffentliche Aufmerksamkeit und das Interesse an den naturheilkundlichen Therapien hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Aber das mit ganz unterschiedlichen und entgegengesetzten Vorzeichen. Während die Akzeptanz bei den Hilfesuchenden nach wie vor hoch ist, wird von bestimmten Interessens-gruppen der nationalen und europäischen evidenz-basierten Medizin immer wieder der Versuch gemacht, die vielfältigen alternativen Heilverfahren zu verunglimpfen, indem man ihnen die wissenschaftliche Beweiskraft abspricht. Ich spreche nicht von der Bildzeitung, vom Stern und von Stiftung Warentest, für die die Naturheilverfahren ohne Wirkung sind. Auch nicht von den Ausfällen des Herrn Joachim Bublath, der beweisen will, daß die Homöopathie nur ein Placebo-Effekt sein kann.

Nein, ich will vielmehr von dem berichten, was ich nur durch Zufall erfahren habe und was viel ernster einzuschätzen ist. Im Februar 2006 finde ich in meinem Briefkasten die medizinische Fachzeitschrift PERFUSION, das offizielle Organ der Deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung, Jahrgang 19, Heft 1, Januar 2006. In der Übersichtsarbeit „Complementary and alternative medicine – an evidence-based introduction“ (Die komplementäre und alternative Medizin – eine evidenzbasierte Einführung) berichten die Professoren E. Ernst (Großbritannien) und T. Falkenberg (Schweden) über die naturheilkundlichen Verfahren Akupunktur, Homöopathie, Chiropraktik und Phytotherapie. Die Autoren sind Leiter von Instituten in ihren Ländern, die in großem Umfang und mit staatlichen Fördergeldern Forschungen über die Naturheilkunde betreiben. Die Forschungen beziehen sich auf Wirksamkeit, Sicherheit (Risiken) und Kosten der naturheilkundlichen Therapien. Seit über 10 Jahren werden in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, den USA und anderen Ländern solche Untersuchungen durchgeführt. Das Ziel dieser Arbeiten ist – so geht aus dem oben genannten Artikel hervor – die naturheilkundlichen Therapien auf der Basis einer wissenschaftlich beweisbaren Methode (evidence-based CAM) zukunftsfähig zu machen. Auf welche Weise das zu geschehen hat, wird dann auch deutlich gesagt, nämlich in Form von randomisierten, placebokontrollierten Studien (Randomised Controlled Trials = RCT). Inzwischen ist eine große Zahl solcher Studien entstanden. In der Veröffentlichung der Professoren Ernst und Falkenberg werden Analysen dieser Studien durchgeführt. Man versichert, sich um Objektivität zu bemühen, räumt ein, daß manche Studien nicht sachkundig angelegt sind und deshalb keine Ausagekraft haben und bescheinigt einigen Methoden positive Ergebnisse. Bei der Auswahl der zu behandelnden Leiden ist man weniger glücklich. Beispielsweise wird die Wirkung der Homöopathie bei einem postoperativen Ileus untersucht, weil es darüber schon so viele Studien gibt. Die Ergebnisse werden mit einigen Vorbehalten positiv bewertet. Zahlreiche weitere Auswertungen, bei denen es um den Vergleich zwischen homöopathischen und schulmedizinischen Mitteln geht, finden keinen überzeugenden Beweis dafür, daß die homöopathischen Mittel mehr als nur ein Placebo sind. Die Akupunktur ist unwirksam bei Asthma, Kopfschmerz, Nackenschmerz und Epicondylitis. Bei der Akupunkturbehandlung wird vor möglichen Risiken gewarnt, wie einer Herztamponade oder einem Pneumothorax. In der Homöopathie sind allergische Reaktionen zu befürchten und in der Phytotherapie haben sich Baldrian und Echinacea als unwirksam erwiesen. Die Chiropraktik ist unwirksam beim Kopfschmerz, Nackenschmerz und Rückenschmerz. In der Spalte „Positive Wirkung bei“ steht lakonisch „None“.

Derartige und ähnliche „wissenschaftliche“ Erkenntnisse haben sich bereits im Rahmen der Gesundheitspolitik der Europäischen Union in Verordnungen und Gesetzesvorlagen niedergeschlagen. Denken wir nur an die Nachzulassungsverfahren für die Phytotherapeutika bezüglich Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität. Damit wurden bereits viele Phytotherapeutika und Komplexmittel der Arzneimittelhersteller wegen angeblicher Unwirksamkeit vom Markt verbannt. Andere Komplexhomöopathika bekommen heute in der Regel keine Zulassung mehr, sondern lediglich eine „Registrierung“ und die Angabe einer Indikation ist nicht mehr zulässig. Den Heilpraktikern hat man verboten, Procain und Lidocain anders als intrakutan anzuwenden. Der Prozeß der Demontage der Naturheilverfahren wird weitergehen, wenn wir uns nicht dagegen wehren. Hier sind auch unsere Berufsverbände und die Politik gefordert. Es geht nicht nur darum, den Herren Professoren klarzumachen, daß man mit einer randomisierten, placebokontrollierten Studie vielleicht die Wirkung eines für eine Indikation entwickelten Medikaments untersuchen kann, nicht aber die vielfältigen, nur auf das kranke Individuum zugeschnittenen Therapien der Erfahrungsheilkunde. Wie der Name sagt, basieren diese Heilmethoden auf einer sehr, sehr langen Erfahrung. Hätten diese Methoden in der Vergangenheit ihre heilsamen Wirkungen verfehlt, wären sie längst verschwunden.

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Anschrift des Verfassers:
Wolfgang Spudy, Heilpraktiker
Am Rain 11
75328 Schömberg

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Naturheilpraxis 06/2009