Die chronische Krankheit am Beispiel der Arthrosis deformans

Pathophysiologische Betrachtungen zum Thema Degeneration und zur Frage: Wie wirkt man ihr entgegen

Von Margret Rupprecht

„Die Erhaltung der Gesundheit beruht auf der Gleichstellung der Kräfte. Gesundheit dagegen beruht auf der ausgewogenen Mischung der Qualitäten“, schrieb Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Chr. Womit eigentlich alles gesagt ist, es sei denn, man beginnt sich mit der Frage zu beschäftigen, was unter Gleichstellung der Kräfte und unter ausgewogen gemischten Qualitäten eigentlich zu verstehen sei.

Gesundheit wird häufig als ein Zustand funktioneller und struktureller Stabilität des lebenden Systems in der Gesamtheit seiner auf Selbst- und Arterhaltung gerichteten Lebensäußerungen definiert. Krankheit hingegen als eine meist zeitlich begrenzte labile Form des Lebens, die durch morpho-physiologisch bedingte Dispositionen und Einschränkungen der Lebensäußerungen auf Prozesse ausgerichtet ist, die zur Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Inwieweit das gelingt, ist eine Frage der Anpassungsfähigkeit und der Breite des vom Individuum tolerierten Milieus.

Der Ursachenkomplex, der zum Ausbruch einer Krankheit führt, ist vielschichtig. Er umfasst genetische Bedingungen, insbesondere deren Schwachstellen, ferner erworbene Dispositionen, Vorerkrankungen, das sozioökonomische Umfeld (Gesellschaftsschicht, Beruf), Lebensweise (Weltanschauung, Ernährung, Freizeitgestaltung) sowie die mentale und emotionale Stärke des Individuums. Darüber hinausgehend mag es als Ursache für die Krankheitsentstehung schicksalsmäßige Verflechtungen geben, wenn diese auch für einen nüchternen Betrachter nicht erkennbar und nachweisbar sind. Oder, wie ein alter Heilpraktikerkollege einmal sagte: „Manches ist eben Karma: Da kar ma goa nix mache.“

Am Anfang einer Erkrankung steht so gesehen ein Bedingungskomplex. Gesellt sich zu diesem ein Auslöser hinzu oder auch wiederkehrende, entwickelt sich das Krankheitsbild in Phasen, der sog. pathogenetischen Reihe. Diese Phasen können unterschiedlich lang sein, folgen in der Regel aber einer logischen Reihenfolge. Gut gewählte Therapien können die pathogenetische Reihe ganz oder teilweise zurückführen oder zumindest am weiteren Fortschreiten hindern. Bei einer akuten Krankheit sieht die Allgemeine Pathologie vier prinzipielle Möglichkeiten ihres Ausgangs:

a) Restitutio ad integrum (völlige Wiederherstellung der Gesundheit)
b) Restitutio cum defectu (Defektheilung; nicht vollständige Wiederherstellung der Gesundheit)
c) Übergang in die chronische Krankheit
d) Tod

Bei der chronischen Krankheit wird es schon schwieriger und das hat seinen Grund: Mit zunehmendem Alter erfährt das Bindegewebe erhebliche Veränderungen, die mit der Zeit zu Funktionseinschränkungen führen. Genauer gesagt: führen können, aber nicht müssen. Das lässt sich am Beispiel der Arthrose, einer chronischen Volkskrankheit, gut erläutern. Zwar sind bei jedem Siebzigjährigen im Röntgenbild arthrotische Veränderungen im Gelenkknorpel erkennbar, aber viele Menschen sterben im Alter von achtzig oder neunzig Jahren, ohne je von Gelenkschmerzen geplagt worden zu sein. Vor allem die degenerativen Erkrankungen des Bindegewebes entsprechen im Wesentlichen einem beschleunigten Alterungsprozess. Indem der Mensch altert, degeneriert er – zwangsläufig. Das Alter ist keine Krankheit. Davon zeugen viele alte Menschen, die hoch betagt und trotzdem beschwerdefrei durch´s Leben gehen. Das Alter kann aber zur Krankheit werden, wenn die natürlichen Degenerationsprozesse zu früh beginnen und zu schnell ablaufen. Die Prophylaxe degenerativer Erkrankungen beginnt in jungen Jahren. Damit nicht das passiert, was der französische Philosoph Voltaire so treffend auf den Punkt brachte, als er schrieb: „In der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben, in der zweiten Hälfte opfern wir unser Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen. Und während dieser Zeit gehen Gesundheit und Leben von dannen.“

Wenn ein Mensch – aus welchen Gründen auch immer – zu einer chronisch-degenerativen Erkrankung neigt, so arbeitet ein Therapeut höchst hippokratisch, wenn er dem Fortschreiten dieses Prozesses gezielt entgegenwirkt. Eine gute Therapie geschieht nach dem Gesetz des Ausgleichs: etwas fortnehmen, wo zuviel Last ist, und Notwendiges hinzufügen, wo es fehlt. Darauf spielte Hippokrates an, wenn er von einer Gleichstellung der Kräfte und einer ausgewogenen Mischung der Qualitäten sprach.

Zur Pathophysiologie der Arthose

Gelenkbelastung reduzieren, Wasserbindungsfähigkeit erhöhen

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Literatur
Ruediger Dahlke: Krankheit als Symbol. Bertelsmann Verlag, München 2002
Otto Gillert, Walther Rulffs: Hydrotherapie und Balneotherapie. Pflaum Verlag, München 1990
Florian Lang: Pathophysiologie, Pathobiochemie. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1990
Wilhelm Pelikan: Heilpflanzenkunde III. Verlag am Goetheanum, Dornach 1999
Peter Pitzen, Helmut Rössler: Orthopädie. Urban & Schwarzenberg, München 1998
Gerhard Risch: Homöopathik – Die Heilmethode Hahnemanns. Pflaum Verlag, München 1985
Robert F. Schmidt, Gerhard Thews: Physiologie des Menschen. Springer Verlag, Berlin 2004
Hans-Joachim Weiler: Prellbock Stütz- und Bewegungsapparat. Phönix Schriftenreihe Nr. 13, Bondorf 1998
Die homöopathischen Einzelmittel wurden repertorisiert nach:
a) Der Neue Clarke. Eine Enzyklopädie für den homöopathischen Praktiker. 6418 Seiten. Dr. Grohmann Verlag für homöopathische Literatur. Bielefeld 2001
b) Karl Stauffer: Klinische Homöopathische Arzneimittellehre. Johannes Sonntag Verlagsbuchhandlung. Regensburg 1955
c) William Boericke: Homöopathische Mittel und ihre Wirkungen. Verlag Grundlagen und Praxis, Leer 1973

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Str. 6a
81929 München
Internet: www.quinta-essentia.info

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