Psychotherapien

Von Seelenpflanzen und Pflanzenseelen

Von Falk Fischer

„Pflanzen sind Lebewesen“. Diese scheinbar profane Feststellung steht als erster Satz über den „Rheinauer Thesen zu Rechten der Pflanzen“. Die ausdrückliche Betonung kann als Indiz verstanden werden dafür, wie sehr das Verhältnisses zwischen Mensch und Pflanze verunsichert ist. Pflanzen können sich nur wenig bewegen, daher auch keine E-Motionen zeigen, was nicht zwangsläufig damit gleichzusetzen ist, dass sie vollständig gefühllos wären.

Inwieweit Pflanzen eine Seele haben, beantworten unterschiedliche Kulturen sehr unterschiedlich, in aller Regel abhängig davon, wie sehr die Menschen der Kulturen wirklich noch mit Pflanzen zusammen leben und sie Teil ihrer Lebenswelt sind oder ob das tägliche Erfahrungsfeld vor allem vom Gebrauch technischer Erfindungen dominiert ist. Es ist daher eher eine Frage des täglichen Umgangs, der Beziehung, der Vertrautheit mit dem Verhalten der Pflanzen, wie stark ein seelischer Aspekt von Pflanzen für den Menschen erlebbar wird oder nicht, inwieweit sich subtile Resonanzen einstellen. Resonanzen, ganz gleich ob zwischen Mensch und Mensch oder zwischen Pflanze und Mensch, sind zwar nicht ohne Störung messbar, sprich objektivierbar. Für denjenigen, der sie erfährt, sind sie jedoch unmittelbar evident und fraglos.

Manch einer tut sich bereits schwer, Pflanzen so etwas wie Verhalten überhaupt zuzuschreiben. Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Freiburg haben inzwischen allerdings eindrucksvolle Erkenntnisse gesammelt, zu welchen Wahrnehmung und Handlungen(!) Pflanzen fähig sind. Auch ohne explizite Nervensysteme stehen Wurzeln und Blätter in beständiger (elektrischer) Kommunikation. Pflanzen wissen, wo oben und unten ist, können ihren Wasserhaushalt aktiv regulieren, reagieren auf Düfte, auf Berührung, auf Klänge, wählen gezielt – nach Geschmack – Nährstoffe aus, können direktes Licht von reflektiertem Licht unterscheiden, d.h. sie verfügen über sehr ähnliche Sinne wie Tiere und Menschen, besitzen sogar Neurotransmitter, ein Hormonsystem und ein Immunsystem und können variabel in Art und Stärke auf Bedrohungen reagieren. Die Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Pflanze sind viel weitreichender, als lange Zeit gedacht.

„Wenn wir der Pflanze als eigenständigem Wesen begegnen und uns auf sie einlassen, entwickeln wir Sensibilitäten und Fähigkeiten, die es uns erlauben, sie in ihrem Dasein tiefer zu verstehen. In ihr und durch sie erleben wir etwas Umfassendes“, heißt es in den Rheinauer Thesen. Diese Qualität, die etwas mit Resonanz und Begegnung zu tun hat, lässt sich therapeutisch nutzen. Darin liegt ein noch ungehobenes, bislang wenig bewusstes Potenzial, ganzheitlich mit Pflanzen zu heilen.

„Die Naturwissenschaften“, ergänzen die Autoren der Thesen, „sind nur ein Erkenntnisweg unter anderen .... Er ist nicht von vornherein wichtiger als andere Erkenntniswege.“ Diese anderen Erkenntniswege sind jene der Begegnung. Wie der Physiker Hans Peter Dürr einmal feststellte, gibt es eine natürliche Fähigkeit unmittelbaren Erkennens, die allerdings unter der Dominanz naturwissenschaftlichen Denkens weitgehend aus dem Blick geraten ist und mithin auch das sichere Vertrauen in das eigene Wahr-Nehmen. Wenn dieses Vertrauen fehlt und die Fähigkeit auch kaum mehr abgefragt wird, reduziert sich die Arbeit mit Heilpflanzen auf den reinen Wirkstoffaspekt. Das Potenzial, das in der Vermittlung von Begegnung liegt, bleibt dann außen vor. Pflanzenheilkunde ganzheitlich zu betreiben heißt, den Mut wiederzufinden, neben allem naturwissenschaftlichen Wissen auch dem, wenn man so sagen will, poetischen Erkennen einen gleichwertigen, komplementären Platz einzuräumen.

Was mit dieser Art des Erkennens gemeint ist, soll an zwei Beispielen, zwei Seelenpflanzen erläutert werden, zwei weniger bekannten, nämlich Daucus carota, der Wilden Möhre und Passiflora incarnata, der Passionsblume.

Passiflora incarnata

Daucus carota – die Zentrierende

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(1) F. Kochlin: Pflanzenpalaver – Belauschte Geheimnisse der botanischen Welt, Lenos Verlag, Basel 2008
(2) Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau (Schweiz) 2002
Rheinauer Thesen:
http://www.gentechnologie.ch/pdfs/Rheinauer%20Thesen%2008.pdf

Anschrift des Verfassers:
Dr. rer. nat. Falk Fischer
Wissenschaftsjournalist
Arbeit am Tonfeld¨
Ernst-Menne-Weg 6
57076 Siegen
E-Mail: FalkFischer@web.de
Internet: www.falkfischer.com

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