Ernährung / Nahrungsergänzung

Die Hoffmann–Rheingau–Kur

Von Jochen Schleimer

Wir leben in psorischen Zeiten: Jede Diät verlangt von uns Verzicht, nirgends findet sich verschwenderisches Schwelgen, außer bei Kohlsuppe und Zucchini. Es gab auch andere Zeiten zum Beispiel im Barock, das uns neben den Grundlagen der Musik und Mathematik ein Lebensgefühl bescherte, das wie die Natur selbst den Überfluss als Lebensstil propagierte.

Friedrich HOFFMANN kennt heute kaum jemand mehr. Unsere Großmütter vertrauten noch den Baldrianhaltigen Tropfen, um ihre beklommenen Herzen zu beruhigen. In seiner Eigenschaft als Professor für Medizin an der Universität Magdeburg betreute er den Doktoranden Johannes Valentin KAUPPERS, der eine Kur zur „Blutauffrischung“ erfand. Da HOFFMANN der bekanntere Akademiker war, ging diese barocke Wellness-Aktion als Hoffmann – Rheingau – Kur in die Geschichte ein.

HOFFMANNS Anweisungen waren einfach: täglich Wein; andere Getränke wurden nur im medizinischen Notfall zugelassen. Wassertrinkern (der Ausdruck wird wie eine medizinische Diagnose gebraucht) empfiehlt er den raschen Übertritt zur weinseligen Orthodoxie.

Wichtigstes Zubehör für die Kur ist ein alter, wohltemperierter Rheinwein.
Vollblütigen Menschen, die an der Kur teilnehmen wollen, werden anfangs Aderlässe empfohlen und wer sich von Schleim und Unreinheiten im Darm befreien will, soll ein sanftes Abführmittel einnehmen, wenn eine Neigung zur Verstopfung besteht.

Während der gesamten Kur wird kein anderes Getränk als eben Wein empfohlen, besonders soll Branntwein vermieden werden. Die Speisen sollten leicht sein und nicht stark gewürzt. (Wer allerdings an mediterrane Küche denkt, liegt völlig falsch und kennt das Barock nicht).
Die Kur sollte an einem heiteren Ort durchgeführt werden, um sich durch angenehme Eindrücke von den Sorgen des Alltags abzulenken.

Bei Hitzegefühl und Schlafstörungen (im 17. Jahrhundert eher die Ausnahme) wird erlaubt, den Wein mit Schwallbacher Mineralwasser zu verdünnen.

Bei Verstopfungsneigung (ein Hauptübel einer Zeit mit zweistelligen Gangzahlen bei zwanglosen Essen) werden gekochte Zwetschgen, Äpfel, Rosinen oder Feigen empfohlen – versetzt mit etwas Kaliumnitrat.

Die Kur dauert 5 Wochen (Seehofer mit seiner Schmalkuren ist noch weit entfernt) und soll im Frühjahr oder Herbst durchgeführt werden.
Während der ersten Woche sollte jeden Morgen 1 Liter Wein verdünnt mit 1 Liter Mineralwasser getrunken werden (aller Anfang ist leicht).
Zum Mittagessen gibt es so viel Wein, wie man braucht (?!) und etwas mehr als der Durst verlangt, und zwar unverdünnt, aber so, dass niemals Übelkeit eintritt.
So soll man während der ersten Woche 3 1/2 bis 5 Liter Wein trinken und danach etwa 7 bis 8 1/2 Liter.
Am Ende wird ein Abführmittel verabreicht und dir Gelenke mit Wein gewaschen.

Der Wein war im 17. Jahrhundert leichter als heute (kältere Durchschnittstemperaturen und weniger leistungsfähige Hefen) aber 8 Liter Wein hatten auch damals gut 420 Gramm Alkohol; ein Wert, der jedem Diätetker den Angstscheiß auf die dehydrierte Stirn treibt.
Kann das gut gehen und wie ging es HOFFMANN?

Friedrich HOFFMANN lebte von 1660 bis 1742. Er war Leibarzt von Friedrich I, dem Großvater und Friedrich Wilhelm II („Soldatenkönig“) Vater Friedrich II, „des Großen“. Er arbeitete erfolgreich bis etwa 14 Tage vor seinem Tod.

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Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Jochen Schleimer
Neurologe – Psychiater, Homöopathie – Naturheilverfahren
Waltramstr. 3
81547 München
Tel. 089 - 692 63 53
Fax 089 - 692 73 57

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