BETRACHTUNG

Ich bin der berühmte Eisenbarth

Von Hermann Speiser

Um die barocken Kapriolen Eisenbarths besser zu verstehen, versuchen wir am besten, uns in die damaligen Zeitumstände mit ihren wiederaufkeimenden Lebensfreuden nach dem mörderischen 30-jährigen Krieg zu versetzen, den Frankreich, Österreich und Schweden auf deutschem Boden ausgefochten hatten. Er endigte schließlich im Jahre 1648. Richelieus Rechnung war voll aufgegangen: Habsburgs Vormachtstellung in Deutschland zu brechen und Frankreich an seine Stelle zu setzen. Am Ende lag Deutschland verwüstet und öd da, viele Gebiete völlig menschenleer, mehr als ein Drittel der Bevölkerung war umgekommen. Abends in den verbliebenen Stuben hörte man oft das Kinderlied singen: Maikäfer flieg, mei Vadder ist im Krieg, mei Mutter ist im Pommernland, Pommernland ist abgebrannt, Maikäfer flieg. Sogar wir sangen es noch. Jacob Burckhardt sagte es treffend: Der Franzose kann nun einmal auf den Tod nicht leiden, wenn Deutschland irgendwie unter irgendeiner starken Zentralgewalt wieder zu Kräften kommt.

Fünfzehn Jahre nach Osnabrück und Münster, den Orten des Friedensschlusses, die Kriegsschäden waren noch längst nicht verheilt, erschien Johann Andreas Eisenbarth in der Oberpfalz auf der Bühne dieser Welt. Das Bühnenhafte sollte ihm künftig sein Schicksal werden. Sein Vater war schon Okulist, Stein- und Brücheschneider, so dass sein Weg vorgezeichnet war. Seine Jugend- und Lehrzeit übergehen wir, es würde zu langatmig. Nur eines, von Anfang an kannte sein Wissensdurst keine Grenzen.

Das Medizinalwesen früherer Zeit ist nicht vergleichbar mit unserem heutigen. Nur größere Städte konnten sich promovierte Doktoren leisten die aber nur internistisch tätig waren. Im Übrigen verrichteten chirurgische und zahnärztliche Arbeiten die Bader. Das Landvolk war völlig auf die herumziehenden Barfußärzte angewiesen, die auf Jahrmärkten ihre Wundermittel anpriesen und ihren Theriak verkauften, einträchtig zusammen mit dem übrigen fahrenden Volk der Gaukler, Vieh- und aller möglichen Händler. Wie oft wahres Können und Scharlatanerie nahe beieinander lagen, zeigt uns Molieres Sganarell als Arzt wieder Willen:

Sganarell: ist das die Patientin?
Geronte: Ja, das ist meine einzige Tochter. Ich wäre untröstlich, wenn sie mir stürbe.
Sganarell: Das hat sie bleiben zu lassen. Sie hat nicht ohne ärztliche Verordnung zu sterben!

Die Aversion zwischen akademischen und nichtakademischen Ärzten ist bis heute geblieben, wenn auch oft kaschiert, Worte wie Kurpfuscher oder Scharlatan fallen immer noch von infantil gebliebenen Geistern.

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Anschrift des Verfassers:
Hermann Speiser
Wilhelm-Speiser-Weg 3
73033 Göppingen

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