Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Die Fünf Wandlungsphasen in der Gesellschaft

von Ulrich Neumann, Düsseldorf

Teil 1 (von 3): Grundlegende Zuordnungen mit Nähr- und Kontrollzyklus

Gesundheit nach Chinesischer Medizin bedeutet Harmonie (dynamisches Gleichgewicht) auch mit der Umgebung. Sucht man die Wurzeln von Disharmonien zu ergründen, trifft man immer wieder auch auf gesellschaftliche Umstände und Einflüsse.

Die Philosophie von den Fünf Wandlungsphasen (wu xing, auch als „Fünf Elemente“ übersetzt) hat ebenso wie die von Yin und Yang universellen Charakter, d.h. sie müsste sich auch auf die Gesellschaft anwenden lassen. Die folgenden Zuordnungen und Zusammenhänge habe ich aus meinem subjektiven Verständnis der wu xing, eigenen Gedanken und Beobachtungen entwickelt. Dieser Artikel ist keine Präsentation historischen Wissens und nicht das Ergebnis meiner Arbeit, sondern ein Entwurf, mit dessen Veröffentlichung ich möglichst viele Kolleg(inn)en zu weiteren Beiträgen zu diesem Thema einladen und animieren möchte. Die Idee, die wu xing auf die Gesellschaft anzuwenden, hatte ich bereits in meiner Grundausbildung in Chinesischer Medizin vor 15 Jahren. In diesem Artikel habe ich nun versucht, meine Ansätze zu skizzieren, weitgehend auszuloten und zu veranschaulichen. Fasziniert, wie sich immer mehr Puzzlesteine zusammenfügen ließen, habe ich nicht gespart, Konturen zu suchen nach dem Motto einer Projektplanung in Phase Eins: Den Ideen einen Freiraum zur Entwicklung geben. Sowohl meine Ausführungen, als auch die Kritik, die sie hervorrufen, sind vielleicht wertvolle Anregungen zur Ausreifung dieses Konzeptes. Ich hoffe, eine Diskussion anzuregen mit dem Ziel, die Konturen zu verbessern und weiter auszuarbeiten, um ein überzeugendes Bild daraus entstehen zu lassen.

Die Fünf-Wandlungsphasen-Philosophie spielte in frühen Dynastien (Zhou, Qin ,Han) eine große Rolle in vielen Lebensbereichen, aber derartige Ansätze und differenzierende Ausführungen, wie sie hier vorgestellt werden, sind mir aus der historischen Literatur nicht bekannt. Die Frage der Anknüpfung an die Tradition der wu xing bedarf sicherlich noch einer detaillierten Erörterung. Dass dem Leser die Grundzüge der klassischen Lehre über die wu xing bekannt sind, setze ich voraus.

Das Holzelement ist kreativ, innovativ, expansiv; in der Gesellschaft wird es durch Kunst und Forschung repräsentiert. (Zwar mag für den einzelnen Künstler die Intuition der entscheidende Zugang zur Kunst sein, doch als gesellschaftliches Phänomen vermittelt die Kunst neue Sichtweisen der Realität ebenso wie neue Forschungsergebnisse, Erfindungen und Entdeckungen. Z.B. hat der Surrealismus Unbewusstes an die Oberfläche gebracht wie in einem analogen Prozess die Tiefenpsychologie. Außerdem ist für die gesellschaftliche Entwicklung, und darum geht es bei den Wandlungsphasen, das kreativ-schöpferische Potential der Kunst entscheidend und nicht die meditative Schauung des Einzelnen.)

Das Feuerelement ist Lebensfreude, kommunikativ und verwandelt Stoffe; es entspricht Kultur und Technik. (Die Technik mag für jemanden, der ihre Produkte als Selbstverständlichkeit benutzt, ohne sich um die Hintergründe zu kümmern, emotional kalt und eher metallisch erscheinen. Als Handwerker und Ingenieur sehe ich das anders: Die Technik beruht auf Energieeinsatz zum Antreiben von Maschinen und für endotherme chemische Reaktionen, die vielen technischen Prozessen zugrundeliegenden, oft sogar als reales Feuer: im Ofen zum Heizen, Kochen und Backen, in der Dampfmaschine, im Kraftwerk, in der Schmiede, im Hochofen u.v.a. Industrieanlagen. Säge und Feile gehören sicherlich zum Metall, aber ohne Aktivität können sie nicht mehr als herumliegen.)

Das Element Erde nährt und trägt; materiell ist es die Wirtschaft, immateriell sind es die Sitten. Damit meine ich hier nicht den Aspekt der Sitten als Ritual zum Umgang mit zum Feuer gehörenden Energien, sondern die Sitten als Umgang miteinander (einschließlich Tiere und Natur) und damit den Aspekt der Geborgenheit im Umfeld. Zum Leben brauchen wir nicht nur die wirtschaftliche Versorgung, sondern auch diese Geborgenheit, die eindeutig zum Erdelement gehört. Ein besseres Wort als „Sitten“ ist mir dafür nicht eingefallen.

Zum Metallelement gehören ordnende Strukturen: das Gesellschaftssystem, manifest durch Gesetze und gestaltet durch die Politik.

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Naturheilpraxis 10/2008