FACHFORUM

Feldenkrais – ein sanfter Weg

von Annette Waibel

Dr. Moshe Feldenkrais (1904 – 1984) war einer der großen Pioniere neuer, sanfter Methoden zur Entwicklung besseren Körpergefühls und besserer Selbstorganisation. Moshe Feldenkrais war Doktor der Naturwissenschaften, er hatte Physik, Mathematik, Maschinenbau und Elektrotechnik in Paris studiert und arbeitete mit dem Nobelpreisträger Frederic Joliot-Curie zusammen. Er erwarb als einer der ersten Europäer den schwarzen Gürtel in Judo und gründetet den Judo-Club von Paris.

Sich Drehen –
eine Feldenkraiskurzlektion im Stehen

1. Stehen, die Arme hängen locker. Drehen Sie mehrmals Schultern, Kopf und Oberkörper ganz ruhig und sanft nach rechts als wollten sie über die Schulter schauen. Drehen Sie sich nur so weit wie es ganz leicht geht. Erlauben Sie ihrem Atem frei und leicht mit der Bewegung zu fließen.
• Kleine Pause

2. Schauen Sie geradeaus und fixieren Sie mit den Augen den Punkt an der Wand gegenüber auf den ihr Blick jetzt von alleine fällt. Halten sie die Augen auf diesen Punkt gerichtet und drehen Sie wieder mehrmals Kopf, Schultern und Oberkörper nach rechts. Machen Sie ganz kleine Bewegungen, so dass die Augen auf den Fixpunkt gerichtet bleiben können.
• Kleine Pause

3. Schauen Sie geradeaus und halten Sie auch den Kopf nach vorne gerichtet. Drehen Sie Schultern und Oberkörper sanft wieder mehrmals nach rechts und zurück. Drehen Sie nur so weit wie es ganz leicht und angenehm geht.
• Kleine Pause

4. Legen Sie die leicht mit den Fingern gekreuzten Hände mit den Handflächen auf ihren Scheitel.
Legen Sie die Hände so leicht auf den Kopf dass Sie sie kaum spüren. Denken Sie sich in ihren Handflächen eine magische Kraft die Ihre Wirbelsäule länger werden lässt, stellen Sie sich vor, Sie werden 1 – 2 cm größer. Behalten Sie das Gefühl des Langseins in der Wirbelsäule. Machen Sie jetzt eine ganz kleine Seitbeugung nach rechts unten, der rechte Ellbogen geht ein Stück nach unten Richtung Boden. Wiederholen Sie die Bewegung mehrmals. Wo fühlen Sie in der linken Brustkorbseiten ein öffnen der Rippen, wo schieben sich die Rippen auf der rechten Seite eher zusammen.
• Kleine Pause

5. Stehen, die Arme hängen locker. Drehen sie nochmals wie in Punkt 1 beschrieben. Wie geht die Drehung jetzt? Leichter, weicher, weiter?
Wiederholen Sie die Bewegungsschritten von Punkt 1 bis 5 nach links.
Gehen sie einige Schritte umher, drehen Sie sich mal nach rechts, mal nach links. Fühlen Sie wie es Ihnen geht.

Während des zweiten Weltkrieges entkam er 1940 nach England wo er für die britische Admiralität arbeitete. Auch während dieser Zeit betrieb und lehrte er Judo. Durch wiederholte Knieverletzungen hatte er chronische Schmerzen und sah sich 1942 mit der Möglichkeit konfrontiert den Rest seines Lebens mit Krücken verbringen zu müssen. Nach Einschätzung seiner Ärzte stand die Chance durch eine Operation das Knie wieder funktionsfähig zu machen fünfzig zu fünfzig. Dieses Risiko war ihm zu hoch. So begann er mit seinem durch Judo entwickelten Verständnis für den menschlichen Körper und seiner wissenschaftlich geschulten Fähigkeit zur Problemlösung einen Weg zum besseren Gebrauch seines lädierten Knies zu suchen. Er befasste sich intensiv mit Neurologie, Anatomie, Biomechanik und allem was damals über Heilung und Gesundheit an Literatur verfügbar war. So entwickelte er seine einzigartige Form neuromuskulärer Übungen. Es gelang ihm seine Gehfähigkeit wieder zu erlangen. Dieser Erfolg führte Freunde und Kollegen mit Muskel- und Gelenkproblemen zu ihm und er verfeinerte seine Methode durch die Arbeit mit ihnen weiter. Nach dem Krieg wurde er Professor für Physik am Weismann-Institut in Israel. Gleichzeitig entwickelte und lehrte er seine Methode. In ganz Israel bekannt wurde er durch die Arbeit mit dem Premierminister David Ben-Gurion der unter chronischen Rückenbeschwerden und gesundheitlichen Einschränkungen litt. Gegen 1954 war die Nachfrage so groß, dass er beschloss die Physik aufzugeben, seine Methode zu lehren und Schüler auszubilden die diese Methode weiterunterrichten konnten. Er verbrachte viel Zeit in den USA um zu lehren und Vorträge zu halten. Moshe Feldenkrais starb 1984 in Israel. Seine Methode wird inzwischen weltweit gelehrt. Ideen der Feldenkrais-Methode fließen zunehmend in andere Wege der Körperarbeit mit ein.

Eine Feldenkraislektion besteht aus einem Bewegungsthema, wie z.B. sich Drehen. Kleine, achtsam und bewusst ausgeführte Bewegungen werden immer wieder durch Momente des Innehaltens, durch Pausen unterbrochen.

Bei der Feldenkraisarbeit interessiert uns mehr das Wie als das Was. Wie organisiere ich mich in meinen Bewegungen, wie viel (unnötige?) Kraft bringe ich auf, wie viel Sanftheit, wo bin ich klar wo unklar über den Weg, die Kraftrichtung der ausgeführten Bewegung, wo fühle ich ein Echo, ein mitbewegen im Körper wenn ich ein einzelnes Körperteil bewege, wie fließt der Atem?

Die Bewegung wird sozusagen in Einzelbestandteile zerlegt, variiert, in oft verblüffenden, ungewöhnlichen Kombinationen neu durchgespielt.

Wir gehen niemals über Grenzen weg. Ein Unwohlsein, ein Ziehen, eine Blockade bedeutet immer: Pause, nachspüren, weniger tun, Spannung loslassen, den Atem wahrnehmen.

Viele Lektionen werden im Liegen ausgeführt. Da sich der Körper hier nicht gegen die Schwerkraft organisieren muss fällt ein Teil der üblichen Muskelspannung weg, wodurch die Wahrnehmung verfeinert wird. Es gibt aber auch Lektionen und Teilsequenzen im Sitzen, Stehen und Gehen.

Die Lektion beginnt mit einer Wahrnehmungsreise durch den Körper und beendet sie ebenso. Man liegt am Ende einer Feldenkraisstunde anders dem Boden auf als zu Beginn der Stunde. Eine unmittelbare Rückmeldeung dass sich der Muskeltonus und das eigene Körperbild verändert hat.

Feldenkraislektionen sind sensomotorisches Lernen. Unsere Sinne in Verbindung mit der Bewegung bewirken eine Rückmeldung an das Gehirn. Das Gehirn verarbeitet die Informationen, bildet neue Bewegungsmuster und sendet die modifizierten Bewegungsentwürfe an die Muskeln. In der Feldenkraisarbeit wird dieses Lernen als angenehm und sicher empfunden. Im Idealfall empfindet der/ die Teilnehmer/in die Lektion wie ein sich völlig einem Spiel hingegebenes Kind.

Unproduktive, unnötige Muskelanstrengungen werden mehr und mehr aufgespürt und im Sinne ökonomischer, funktionell besserer Bewegung verändert.

Anschrift der Verfasserin:
Annette Waibel
Heilpraktikerin
IFF cert. Feldenkraislehrerin, Gesundheitspädagogin SKA, Krankenschwester.
Tel.: 07141/81751
Kornbeckstr. 10
71640 Ludwigsburg

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