FACHFORUM

Rehabilitation der Frischzellen?

von Hermann Massinger

Die Ablehnung jeglicher Zelltherapie durch die wissenschaftliche Medizin hat in den Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts teilweise groteske Züge angenommen. So wurde der Schweizer Arzt Paul Niehans (21. 11. 1882 – 1. 9. 1971) mit seiner Zellulartherapie, die er aus fötalen Zellen von Schafen gewann und den Patienten injizierte, als Scharlatan bezeichnet. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1997 ein Verbot der Zelltherapie ausgesprochen, im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2000 (BvR 429/97) wieder zugelassen. Die vorgebrachten Argumente der Außenseiter Methoden haben zwar nicht in allen Punkten überzeugen können, eindrucksvolle Besserungen in der Alltagspraxis, die in Einzelfällen gut dokumentiert vorgelegt wurden, dürfen nicht einfach, da der Wissensstand keine Erklärung bietet, barsch abgelehnt werden.

Historisch wurden bereits im 17. Jahrhundert vom Franzosen Jean-Baptiste Denis erste Versuche mit Kälberblut und von dem Berner Arzt Theodor Kocher (1841- 1917) mit Hodengewebe junger Hunde gemacht. Die Liste illuster Therapeuten ließe sich gerade im 20. Jahrhundert erheblich erweitern. Allen gemeinsam war – in Unkenntnis der Immunitätslehre – die teilweise schlechte Verträglichkeit, die Übertragung von Krankheitserregern und die Unverträglichkeit von Fremd-Eiweiß. Die Verdünnung der Zellsuspension nach homöopathischen Gesichtspunkten hat die Unverträglichkeiten vermindert, einen breiten Durchbruch hat aber auch diese Abwandlung der Zelltherapie nicht gebracht. Im Deutschen Sprachraum hat sich die Therapie nach Dr. K. E. Theuerer (Biomolekulare VitOrgan- Therapie), die Bogomoletz Therapie (Serum Therapie nach Wiedemann), die Behandlung mit Suis-Organpräparaten nach Dr. H. H. Reckeweg (1905 – 1985) im Rahmen der Homotoxinlehre 1, die Regeneresen Therapie nach Prof. Dr. H. Dyckerhoff u.a. erhalten.

Die wissenschaftliche Medizin hat mit Aufnahme der Stammzellen- Forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend Interesse an der Zelltherapie gewonnen und mit den „Hightech“ Methoden der molekularen Therapie erste Erfolge vorzuweisen. Das „Tissue-Engineering“ wird heute auf breiter Basis erforscht und –meist in Pilotprojekten- therapeutisch bereits angewendet.

Progenitorzellen.

Die Forschung an embryonalen Stammzellen wird weltweit betrieben und favorisiert. Die pluripotenten embryonalen Zellen wecken große Erwartungen. Erste Erfolge sind auch mit adulten Stammzellen (multipotent, nur im Bereich des eigenen Keimblatts wirksam) aus der Haut zu erzielen.

Die Progenitorzellen sind ein sehr interessantes Forschungsgebiet; Birgitt Assmus und Andreas M. Zeiher2 berichten über Erfolge mit der intrakardialen Anwendung bei akutem Herzinfarkt. In der neueren Literatur (z.B. PuBMed) finden sich Hunderte Arbeiten verschiedener Forschungsgruppen, die auch bei peripheren Durchblutungsstörungen, Schäden der Skelettmuskulatur der peripheren Nerven u.a. interessante Ansätze verfolgen.

Der Vorteil dieser Therapie ist, dass kein Fremdeiweiß eingebracht, kein Embryo verbraucht wird und keine ethische Bedenken und Hemmnisse gegeben sind. Der natürliche Heilvorgang aus dem eigenen Blut wird nachgeahmt und potenziert.

Was sind Progenitorzellen?

Progenitorzellen durch Sport:

Frischzellentherapie:

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Zusammenfassung:
Die moderne Forschung hat wahrscheinlich einen bedeutenden Meilenstein zur Behandlung degenerativer Erkrankungen mit der Entdeckung und Erforschung der Progenitorzellen gesetzt. Die Pioniere der letzten 2 Jahrhunderte, deren Forschungsdrang in die gleiche Richtung ging, wurden durch Ablehnung, Verunglimpfung und Verbot behindert. Die aktive Bewegung, mit langsamer Steigerung der sportlichen Betätigung, bewirkt die Ausreifung und Freisetzung von Progenitorzellen und damit die Regeneration geschädigter Organstrukturen. Die Motivation, richtige Anleitung und wohlwollende Begleitung der Therapeuten und Kostenträger ist als wichtiges medizinisches und volkswirtschaftliches Ziel anzusehen; Wirksamkeits-Beweise liegen vor. Die Eigenbluttherapie scheint mir durch die Entdeckung der Progenitorzellen erklärbar, deren Anwendung sollte eine Renaissance erfahren 6.

Langfristig wird die Innovation der Progenitorzellen die Frischzellentherapie verdrängen: Sie bedeutet einen großen Fortschritt bei Organschäden mit berechtigter Hoffnung auf eine gezielte Reparatur. Sobald breite Erfahrungen vorliegen, die Progenitorzellen in ausreichender Menge verfügbar sind und sich die Therapie-Erwartungen bestätigen, ist zu vermuten, dass Gutes dem Besseren weichen wird.

1 Reckeweg hat in der „Ordinatio antihomotoxica et materia medica“, unter Suis-Organpräparate, ausgeführt: „Die organotrope Wirkung der zugeführten Substanzen ist organspezifisch und nicht nur speziesspezifisch (zit. Milgram 1964, Campbell 1964 u.a.). Als Indikation werden zelluläre Phasen, speziell bei chronischen Krankheiten und bei pathologischen Exkretionsphasen angeführt. Die Verabreichung ist parenteral am wirksamsten, aber auch die perorale Anwendung der Ampullen ist möglich. Bei der Behandlung mit Aorta suis Jnjeel weist R. auf mögliche, kräftig ausfallende, Erstreaktionen hin, die einen stenokardischen Anfall auslösen können“.
2 Assmus B, Honold J, Schächinger V, et al. Transcoronary Transplantation of Progenitor Cells for Left Ventricular Dysfunction after Myocardial Infarction. N Engl J Med 2006.
3 Die Eigenblut-Therapie – eine bewährte Methode der Naturheilkunde – könnte mit dem Progenitor- Wirkmechanismus eine Erklärung finden.
4 Cheng CP. et al. Histol Histopathol 2006 Nov; 21 (11) 1209-1216
5 Florian Tögel, Claudia Lange, Axel R. Zander, Christof Westenfelder: Regenerative Medizin mit adulten Stammzellen aus dem Knochenmark. Dtsch. Ärztebl. 2007; 104(23): A 1663-70.
6 Eigenbluttherapie intramuskulär bei Tumorkrankheiten ist sorgsam abzuwägen, da im Blut kursierende Tumorzellen zu einer Metastasierung im Injektionsgebiet führen können. Hier bietet sich die Herstellung einer Nosode zur oralen Therapie an.

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hermann Massinger
Gerner Straße 27
80638 München

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