FACHFORUM

Spinat bald auf der Dopingliste?

von Jens Bielenberg

Echter Spinat (Spinacia oleracea)

Systematik

Klasse: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige (Rosopsida)
Unterklasse: Nelkenähnliche (Caryophyllidae)
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae)
Gattung: Spinat (Spinacia)
Art: Echter Spinat
Wissenschaftlicher Name: Spinacia oleracea L.

Die Inhaltsstoffe im Einzelnenbezogen auf 100 Gramm
frischen Spinat):

- Energiegehalt: 20 kcal / 85 kJ
- Wasser: 92,7 Prozent
- Eiweiß: 2,5 Gramm
- Kohlenhydrate: 1,6 Gramm
- Ballaststoffe: 1,2 Gramm
- Fett: 0,4 Gramm
- Oxalsäure: 800 Milligramm
- Carotinoide: 0,7 Milligramm
- Vitamin B1: 0,1 Milligramm
- Vitamin B2: 0,2 Milligramm
- Nicotinsäure (Vitamin B3): 0,6 Milligramm
- Vitamin B6: 0,2 Milligramm
- Vitamin C: 40-150 Milligramm
- Vitamin E: 2,5 Milligramm
- Eisen: 3-4 Milligramm
- Kalium: 450 Milligramm
- Calcium: 130 Milligramm
- Kupfer: 0,1 Milligramm
- Magnesium: 23 Milligramm
- Natrium: 65 Milligramm
- Phosphor: 45 Milligramm
- Zink: 0,22 Milligramm

Das, was Generationen weiser Eltern schon lange wissen, stellten jetzt amerikanische Wissenschaftler fest, nämlich dass Spinat wirklich stark macht. Während früher der legendäre Matrose Popeye herhalten musste, um widerspenstige Kinder von den nutritiven Vorteilen des Spinatverzehrs zu überzeugen, könnte jetzt die moderne Wissenschaft die nötige Überzeugungsarbeit leisten. Während früher der Eisengehalt des Spinats dafür verantwortlich war, die Muskeln Popeyes auf überdimensionale Proportionen anschwellen zu lassen, um seine geliebte Olivia gegen Nebenbuhler zu verteidigen, ist es nun endlich einem Wissenschaftlerteam aus dem Biotech Center, Rutgers University, New Jersey, gelungen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Nicht dem Eisengehalt des Spinats verdankt Popeye seine übermenschlichen Kräfte, sondern Pytoecdysteroiden. Phytoecdysteroide sind pflanzliche Stoffe, die mit Steroidhormonen von Insekten vergleichbar sind. Bei vielen Insekten können sie die Häutung auslösen. Die Wissenschaftler aus New Jersey stellten einen Spinatextrakt her und testeten die Auswirkungen auf Muskelzellen von Mäusen und Menschen. In diesen in Vitro-Versuchen konnten Phytoecdysteroide die Proteinbiosynthese bis zu 20 % erhöhen. In inVivo-Versuchen an Ratten konnte deren Vorderpfoten-Greifkraft erhöht werden (1) Pflanzen enthalten ein großes Reservoir von Ecdysteroiden in hohen Quantitäten. Ecdysteroide binden nicht an Steroid-Rezeptoren des Cytosols. Vielmehr sollen sie an der Signalübertragung über membrangebundene Rezeptoren analog Steroidhormonen beteiligt sein. Überlegungen von Wissenschaftlers gehen dahin, dass Ecdysteroide eine vielversprechende nebenwirkungsfreie Alternative sein können zu anabolen Steroiden (2).

Spinat hat einen hohen Gehalt an Mineralien, Vitaminen (b-Carotin, auch Pro-Vitamin A genannt, Vitamine der B-Gruppe, Vitamin C) und Eiweiß. Er besitzt zwar innerhalb der Gemüsearten einen hohen Gehalt an Eisen, den bis heute noch gelegentlich behaupteten, außergewöhnlich hohen besitzt Spinat jedoch nicht – der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge hatte 1890 den Wert zwar richtig berechnet, doch bezogen sich seine Angaben auf getrockneten Spinat, wurden aber später irrtümlich frischem Spinat zugeschrieben, der zu ca. 90 % aus Wasser besteht. 100 Gramm frischer Spinat enthalten also durchschnittliche 3,5 Milligramm Eisen und nicht außergewöhnliche 35 Milligramm. Weiter enthält Spinat Oxalsäure und reichert überdurchschnittlich viel Nitrate aus dem Boden an, besonders wenn er nicht im Freiland gezogen wird. (Tab.)

Allerdings werden die kleinen Dosen aus Popeyes Spinatdosen wohl nicht ausreichen für eine Verwandlung in einen Kraftprotz. Dennoch werden findige Chemiker möglicherweise schon bald in der Lage sein, die Moleküle so zu modifizieren, dass eine größere Effektivität besteht, so dass nicht Kiloweise Blattspinat verzehrt werden muss, um anabole Effekte zu ermöglichen. Wir müssen wohl noch einige Zeit warten, dass die „Body-Building-Mucki-Buden“ durch Spinat-Imbisse verdrängt werden. Aber vielleicht wird gar nicht mehr so viel Zeit ins Land gehen, dass Fahnder auch nach illegalen Ecdysteroiden aus den Laboren von gewissenlosen Dopingärzten suchen.

Literatur:
1 Gorelick-Feldman J, Maclean D, Ilic N, Poulev A, Lila MA, Cheng D, Raskin I., Phyroecdysteroids increase protein syntheisi in skeletal muscle cells, J Agricol Food Chem. 2008 May; 56(10).3532-7
2 Bathori M, Toth N, Hunyadi A, Marki A, Zador E., Phytoecdysteroids and anabolic –andogenic Steroids- structure and effects in humans, Curr Med Chem 2008;15(1):75-91

Anschrift des Verfassers:
Jens Bielenberg, Apotheker
Bahnhofstr. 53
25364 Westerhorn

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis 10/2008

Naturheilpraxis 10/2008