Arbeitskreis für Augendiagnose und Phänomenologie Josef Angerer e.V

Vorsicht Falle!

Ein misslungenes Bild und seine Folgen

von Hermann Biechele

Pupillenentrundungen und ihre möglichen Ursachen

Eigentlich ist es ja eine Binsenweisheit: die Bewertung eines Auges sollte nur „am lebenden Objekt“, also mit Lupe oder Irismikroskop erfolgen. Nur so können die Strukturen in ihrer räumlichen Anordnung erkannt werden, wobei die variable Lichtführung dazu eine erhebliche Hilfe darstellt. Auch die Eigenbewegungen des Auges, das Pupillenspiel, Pupillotonie, Nystagmus usw. sind nur so wahrnehmbar. Nun gehören die Dokumentation und die spätere Überprüfung des iridologischen Befundes zu den selbstverständlichen Vorgängen in meiner Praxis. Die Fotografie ist dazu ein einfaches (und mit der Digitalkamera auch äußerst preiswertes) Mittel. Dass damit auch Fehlbewertungen möglich sind, soll an einem Praxisfall gezeigt werden.

Bild 1: Der 7jährige Stefan wurde erstmalig vorgestellt wegen einer bereits länger andauernden Sinusitis.

Die Pupillengröße passt zum Alter und signalisiert in Verbindung mit der sehr engen Krausenzone eine deutliche Sympathikotonie. Der hellrote Pupillensaum weist auf eine kontinuierliche nervliche Anspannung hin – in diesem Alter sollte das doch eigentlich noch nicht der Fall sein. Das Irisstroma ist locker gewellt, auffällig sind die Zirkulärfurchen (vegetativ-spastisch), einzelne helle Fasern und die partielle Hellung der Iriskrause (Reizzeichen) mit ihrem an dieser Stelle starren Verlauf. Die lakunen- bzw. kryptenartigen strukturellen Veränderungen in und an der Iriskrause lassen an eine schwach ausgeprägte glanduläre Disposition (nach Deck) und/oder an das Pankreas denken. In der Krausenzone imponieren eine Reihe von Rarefikationen und Krypten, die als genetische Darmschwächezeichen gelten dürfen. Ein im Hintergrund stehendes allergische Geschehen könnte damit in Zusammenhang stehen.

Bild 2: Wir finden eine für ein Kind relativ kleine Pupille. Die verhältnismäßig straffe Faserführung lässt an eine neurogene Disposition denken, die durch den hellroten Pupillensaum noch unterstrichen wird. Familienanamnestisch sollten die beiden Krypten am inneren Krausenrand bei 40’ an den Pylorus, die sektorale Abdunklung bei 14’ an Herz/Lunge, bei 25’ an das Pankreas und bei 32’ an Niere/Uterus/Prostata denken lassen. Alle Strukturzeichen sind relativ spitz, was ihnen nach übereinstimmender augendiagnostischer Lehre eine gravierendere Bedeutung verleiht. Die Aufhellung der humoralen Zone (Lymphbelastung) passt zur lymphatischen Konstitution.

Abb.1 Abb. 2

Zwei verschiedene Bilder und zwei doch recht unterschiedliche Bewertungen. Dass es sich in beiden Fällen um das gleiche Auge handelt, wird erst bei genauerem Hinsehen deutlich. Was war passiert?

Da Stefan sehr lebhaft ist, gelang die erste Aufnahme nicht wirklich gut, was an der Unschärfe deutlich erkennbar ist. Also machten wir ein zweites Bild. Erst bei der Archivierung der Bilder fielen mir die Unterschiede auf, so dass ich zunächst sogar dachte, ich hätte bei einem Patienten vergessen, das rechte Auge zu fotografieren. Anhand der Bilddaten (Aufnahmezeit) war diese Möglichkeit aber sofort auszuschließen. Die Ursache für die unterschiedlichen Bilder musste wo anders liegen: Stefan – aufgeweckt wie er ist – ahnte wohl, dass mit dem Griff zum Kameraauslöser jetzt jeden Moment der Blitz blenden würde, was „vorbeugend“ zur Pupillenverengung führte. Die Schlussfolgerung kann nur lauten: abhängig von der Elastizität der Fasern und dem Tonus der Irismuskeln wie sie sich in der Pupillengröße darstellen, kommt es zu Veränderungen in der Textur des Stromas. Bei Pupillenverengung werden die Fasern gestrafft, die Strukturzeichen gedehnt und damit schmäler und spitzer. Bei Pupillenerweiterung kommt die Elastizität der Fasern zur Wirkung; sie ziehen sich zusammen und die Strukturzeichen werden breiter und runder. Dass die Faserelastizität mit zunehmendem Alter nachlässt, muss berücksichtigt werden. Jedenfalls achte ich seit der geschilderten Erfahrung bei der Bewertung der Strukturzeichen (auch am Mikroskop) ganz bewusst auf Pupillengröße, Pupillenspiel und Fasertonus. Übrigens ergaben weitere Kontrollen, dass Bild 1 doch den realistischeren Zustand wiedergibt. Und ich habe den Kabelauslöser für die Kamera inzwischen ergonomisch so positioniert, dass er für die Patienten nicht sichtbar bedient werden kann. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die nächsten Aufnahmen von Stefans Augen dann wirklich gelingen.

Bilder Hermann Biechele

Anschrift des Verfassers:
Hermann Biechele
Kaiserstr. 51
80801 München

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