Der Mann in der Naturheilkunde

Männer und Herzinfarkt – psychoaktive Somatisierung, oder „schlichter“ Hormonmangel?

von Brigitte Nusser

Per Definition bedeutet ein Herzinfarkt eine akute Myokardnekrose durch Koronarthrombose bei stenosierender Herzgefäßerkrankung. Betroffen ist meist der linke, gegenüber Sauerstoffmangel empfindlichere Ventrikel, wobei Voder- und Hinterwandinfarkte etwa gleich häufig sind. Die schlechteste Prognose haben Vorder-und Scheidewandinfarkte. Von den Betroffenen die ins Krankenhaus kommen, sterben vier bis zwölf Prozent.

Der Herzinfarkt stellt die häufigste Todesursache in den westlichen Industriestaaten dar. An den Folgen sterben etwa 21% der Deutschen. Die Mehrzahl der Infarkte ereignet sich im 5.-6. Lebensjahrzehnt, doch werden zunehmend jüngere Männer betroffen. Auch wenn der Anteil der Frauen an Herzinfarkten zunimmt, erkranken Männer drei- bis fünfmal häufiger. Dahingegen ist das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben für Frauen höher als für Männer.

Es gibt auch deutliche geographische Unterschiede. Während in Japan auf 100000 Einwohner weniger als 100 Infarktpatienten kommen, liegt die Zahl der Fälle in Deutschland und im gesamten nordeuropäischen Raum bei 300 pro 100000 Einwohner. Die bekannten Risikofaktoren für die Entstehung einer koronaren Herzerkrankung sind erhöhter Blutdruck, Übergewicht, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen.

Lange Zeit galt der Herzinfarkt als reine „Männerkrankheit“. Ist dafür das männliche Psychogramm verantwortlich oder bieten die weiblichen Östrogene den Frauen einen ausreichenden Schutz? Frauen holen was die Inzidenz des Herzinfarkt in Deutschland angeht immer weiter auf. Liegt das an dem angenäherten Rollenverhalten? Ticken unsere Herzen unterschiedlich, oder wie weit hat unser geschlechtsspezifisches Verhalten Einfluss auf die Erkrankung? Werden Frauen klinisch gleich behandelt? In der GUSTO- IIb-Studie beispielsweise, einer Herzinfarktstudie, haben Frauen den Notarztwagen deutlich später als Männer gerufen. Obwohl die Mortalität nach Myokardinfarkt stetig sinkt, bleibt sie bei Frauen deutlich höher als bei Männern (18 vs. 9%). In verschiedenen Studien wurde auch gezeigt, dass bei Frauen weniger intensiv diagnostiziert und therapiert wird als bei Männern. Frauen erhalten beim akuten Herzinfarkt seltener eine Thrombolyse, eine Koronarangiographie bzw. eine PTCA (Percutane Transluminale Coronare Angioplastie) und koronare Bypassoperation.

Männer legen weniger Wert auf regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, melden sich seltener krank und weisen einen deutlich geringeren Arzneimittelkonsum auf als Frauen. „Männer fühlen sich kerngesund bis sie Tod umfallen“, es gilt einfach als unmännlich tief in seinen Körper hineinzuhorchen – sensibel sein bedeutet Schwäche. So redet ein Mann mit seinem Arzt auch lieber über eine handfeste orthopädische Operation als über vegitative Verstimmungen, die allerdings Vorboten für eine drohende koronare Herzkrankheit darstellen könnten.

Negative Affekte wie Depressivität, vitale Erschöpfung, Angst und Ärger stellen potentielle psychosoziale Risikofaktoren für eine KHK dar. Die Bereitschaft Gespräche zu suchen, bzw. noch mehr, die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch zu nehmen ist bei den meisten Männern nicht gegeben. Es entsteht ein Circulus vitiosus. Stress kann nicht abgebaut werden, wirkt grenzüberschreitend, das heißt, er wird vom Arbeitsplatz auf die Familie übertragen oder von der familiären Situation auf die berufliche Ebene geschoben. Somit wird der Psyche die Möglichkeit genommen zu entspannen und zu regenerieren. Krankheitssymptome können nicht im ausreichenden Maße wahrgenommen, bzw. verarbeitet werden. Die Ausbildung einer Typ-D Persönlichkeitsvariablen wird gefördert.

Neben Rauchen, Bewegungsmangel, hohem Cholesteringehalt des Blutes und Bluthochdruck gibt es einen Persönlichkeitstyp, der einen weiteren Risikofaktor für die Entstehung und den Verlauf koronarer Herzkrankheiten darstellt. Dieser Typ D genannt, ist durch zwei Merkmale gekennzeichnet, nämlich Negative Affektivität und Soziale Inhibition. Erstere bezeichnet die Tendenz, häufig unabhängig von der aktuellen Situation negative Emotionen zu erleben, letztere den Ausdruck von Emotionen in sozialen Interaktionen zu unterdrücken. Personen mit negativer Affektivität tendieren dazu, die negative Seiten von anderen und der Welt im Allgemeinen zu sehen. Personen mit sozialer Inhibition richten ihren Ärger und ihre negativen Gefühle stärker nach innen, möglicherweise aus Angst vor Missbilligung.

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Anschrift der Verfasserin:
Dr. med. Brigitte Nusser
Reinweg 1
82031 Grünwald



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