BERTRACHTUNG

Artemisia L. absinthium - Neues und Merkwürdiges über die Arzneipflanze

Von Josef Karl

Hört, liebe Leser/innen, denen ein Wermuttee schon immer als Ausbund der Bitternis galt: frei nach der Reklame der Firma Manufactum: „Es gibt sie wieder, die guten alten Dinge“ taucht seit einigen Monaten ein Oldtimer auf, der durchaus mit Medizin etwas zu tun hat: der Absinth. Sie denken jetzt an Cincano, Martini oder Ähnliches?
Gefehlt: Ich gehe zum Weinhändler, suche für mich und einen verwöhnten Freund ein paar Flaschen Riesling und verirre mich in die Spirituosenabteilung. Sehe dort eine schlanke, hohe Flasche mit einem ungewöhnlichem Bild (siehe Foto). Nimmt man diesen seltsamen Gegenstand aus dem Regal, mangelt es auf dem vor- und rückseitigem Etikett nicht an Warnungen! Schließlich darf das grüne Etwas mit 70 % (!) Alkohol niemals unverdünnt genossen werden – verdünnt – und an die Gebrauchsanweisung halten!
Aber doch zum Medizinischen: Das Absinthtrinken hat eine fast 80-jährige unrühmliche Vergangenheit. Zahlreiche Trinker, solche aus der modischen Gesellschaft vor allem in Paris und Berlin, auch Wien, erlagen elend der Absinthsucht. Aber auch die arme und trostlos dahinvegetierende Arbeiter- und Arbeitslosenschicht, naturgemäß den billigsten Fusel sich nur leisten könnend, versackte noch mehr in die Abhängigkeit und den Krankheitssymptomen als da drei markante Symptomen sind: Impotenz (wesentlich stärker als bei gewöhnlichen alkoholischen Getränken), Leberzirrhose (beschleunigt) und die zerebrale Verwirrung, eine Demenz die zur totalen Psychose und in die Psychiatrie führt. Wir wissen von vielen prominenten Opfern – besonders unter den Künstlern: Von van Gogh über Dichter wie Rimbaud, Baudelaire und vielen anderen. Besonders bei der feinen Damenwelt der „Roaring Twenteys“ gehörte es zum guten Ton, als Sündowner-Getränk ein Gläschen echten Absinth zu genießen (so wie es seinerzeit als höchst schick galt, Coca Cola, das noch Cocain enthielt, zu konsumieren!)

Jedoch und endlich: Was unterscheidet die heute harmlosen Wermutgetränke von diesem – von vielen als Teufelszeug gebrandmarkten – Absinth. Pharmakologisch gesehen ist es in erster Linie das Thujon, dessen Name uns schon verrät, dass es auch in den Thujapflanzen enthalten ist, ein ätherisches Öl, das diesen auch den charakteristischen Duft gibt. (Was kleine Thujenzweige, beim Heckenschneiden und längerem Abräumen derselben bewirken können, zeigt Abbildung zwei).
Als man die verheerende Wirkung einer Dosis Thujon voll erkannte, wurde es verboten – und es ist jetzt seit dem zweiten Weltkrieg das erste Mal, dass stärkere thujonhaltige Getränke wieder auftauchen. Ob das gut geht, wird sich zeigen.

Wie kam es zum Wiederauftauchen des Absinths? Von 1923-1981 war die Herstellung in Deutschland verboten, ebenso in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Italien. Das Verbot der Verwendung des Thujons wirkte jedoch über die Aromen-Verordnung von 1981 fort. Erst durch eine EG-Richtlinie aus dem Jahr 1988 kam eine Veränderung insofern, als dass ein Grenzwert von 35 Milligramm pro Liter Brennspiritus festgelegt wurde, der jetzt von einigen Herstellern ausgereizt wird (nur ob dies dann so bleiben wird, erscheint mir fraglich!).

Bei der chronischen Vergiftung durch Absinthbranntwein und –likör handelt es sich durch das toxische Thujon (auch in den Thujapflanzen) um einen komplizierten Alkoholismus; im Vordergrund stehen hierbei starke psychische, motorische und sensible Störungen. Besonders ist im Zentralnervensystem das Gehirn betroffen, ein allgemeiner Verfall der betroffenen Personen ist die
Folge. – Übrigens der Preis: 500 ml kosten 28 Euro. –

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Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Alpenstr. 25
82377 Penzberg



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