Schmerz und Depression

Wenn der Kummer weh tut - Über den Zusammenhang von Schmerzerleben und Depression

von Hellmuth Schuckall

Wer mit Schmerzpatienten zutun hat, findet sich nicht selten mit der eigenen Ohnmacht wie der des Patienten konfrontiert, wenn all die medikamentösen wie technischen Maßnahmen keinen oder nur sehr kurzzeitigen Erfolg zeigten. Selbst vorsichtige Äußerungen einer sich verdichtenden Ahnung, es könne neben der somatischen Genese möglicherweise auch einen seelischen Hintergrund geben, werden von bestimmten Patienten nicht nur wütend und gekränkt abgelehnt, vielmehr werden derartige Vermutungen als Beleg einer offensichtlich minderen Qualität des behandlerischen Könnens und einer offenkundigen therapeutischen Ignoranz interpretiert.

Wer sich als Therapeut dennoch nicht einschüchtern lässt und mit dem Patienten in eine – mitunter ausgesprochen schwierige- Überzeugungsarbeit eintritt, kann nicht selten entscheidend dazu beitragen, eine schwere chronifizierte Schmerzerkrankung aufzulösen. Dabei mag sich die fundamentale Erkenntnis (und Überzeugungsarbeit), dass zwischen Befund –z.B. via Röntgenbild CT, oder MRT etc.- und dem Auftreten von chronischen Schmerzen keine zwingender Zusammenhang bestehen muss, für Behandler wie Patient als erster Schritt aus dem Leiden erweisen. Andererseits ist all jenen, die jeden länger währenden Schmerzzustand als psychogen klassifizieren durchaus auch mit Skepsis zu begegnen. Es geht also um eine latente Bereitschaft, auch psychogene Ursachen einer Schmerzerkrankung mit im diagnostischen Kalkül zu halten. Einer therapeutischen Haltung, deren anamnestischen Fragenkatalog auch entschieden lebensgeschichtlich- biografische Informationen mit einholt, gehen nicht selten Hinweise ins Netz, die als Indizien für eine entsprechende seelische Disposition oder gar Somatisierungstendenz in Richtung Schmerz herangezogen werden können. Hierzu gehören beispielsweise traumatische körperliche und seelische Erfahrungen (Unfall, körperliche Misshandlung, Missbrauch, anhaltende Stresssituationen, aber auch desolaten Familienverhältnisse, Sucht- und Vernachlässigungsatmosphären, Heimaufenthalte Flucht- und Kriegssituationen etc.) als lebensgeschichtlich prägende Erfahrung. Je nachhaltiger und einschneidender derartige Erfahrungen waren, ohne dass sie relativiert oder bearbeitet werden konnten/durften, umso häufiger werden innere Konflikte und Schwierigkeiten via Somatisierung abgewehrt bzw. umgelenkt. Dabei kommt dem Körper die Funktion einer Projektionsfläche zu, wo seelisch unauflösliche Spannungen innere Leere- und Schuldgefühle, aber auch diffuse Ängste und Bedrohungsempfindungen in eine- vermeintliche (wie meist unbewusste) und fassbare, sprich behandlungsfähige Symptomatik transponiert werden. Ein Nacken-Schulter oder Rückenschmerz ist einfach zu kommunizieren und löst in der Regel ein gut greifbares und aktives therapeutisches Handeln aus versus beispielsweise ein kaum richtig schilderbares Gefühl ängstlicher Getriebenheit, depressiver Leere und elementarer Lebensangst und Verlassenheitsgewissheit etc.

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Literaturliste beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hellmuth Schuckall
Psychotherapie Psychoanalyse, Naturheilverfahren
FA f. psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Nördl. Auffahrtsallee 62
80638 München
E-Mail: dr.schuckall@doc-schuckall.de

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