Die Frau in der Medizin/Naturheilkunde

Frauenheilkunde und Hexenmedizin

Von Brigitta Neubert

Auf der Suche nach Therapiemöglichkeiten und Quellen, die uns ermöglichen aus dem reichen Wissensschatz unserer heimischen Ethnomedizin, der Erfahrungsheilkunde unserer Ahnen zu schöpfen, begegnen wir zunächst einem fremden, aber doch uralten und ursprünglichen Weltbild. Für die Retrospektive, die uns auch in die vorchristliche Zeit führt, müssen wir bereit sein, eine Welt zu verstehen, die stark animistisch geprägt war. Sie empfand die Natur als beseelt und fühlte sich stark mit ihr verbunden. Uns begegnen wirkstofforientierte Behandlungsempfehlungen ebenso wie eine Fülle von Überlieferungen magischer Rituale, schamanisch-orientierter Heiltechniken, Pflanzen- und Runenzauber sowie ein starker Glaube an unterstützenden Götter- und Geistwesen.

Das verzaubert und wirft gleichzeitig neue Fragen auf. Viele uralte magische Bräuche der Erfahrungs- und Volksheilkunde wurden nach der Christianisierung zum Teil verändert weitergeführt. Einige wurden in christliche Rituale integriert, manche blieben ihrer Ursprungsform sehr nahe. Ein großer Teil ist in der Zeit der Hexenverfolgungen sicher verloren gegangen oder wurde niemals schriftlich festgehalten.

Ein Blick in den phytotherapeutischen Anwendungsbereich lässt uns viele gut bekannte und bewährte Heilpflanzen entdecken. Es tauchen jedoch auch Pflanzenerwähnungen auf, denen wir in der modernen Frauenheilkunde wenig Beachtung schenken. Dies liegt teilweise sicher an den Erkenntnissen unserer heutigen Pharmakologie über Toxizität und Langzeitwirkungen bestimmter Inhaltsstoffe. Leider sind uns, gerade bei hochpotenten Heilmitteln, wie den Nachtschattengewächsen kaum Dosierungsangaben überliefert. Wir müssen also davon ausgehen, das hier eine persönliche Erfahrungsheilkunde handelte, die teilweise von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

In alten Schriften finden wir wirkstofforientierte und magische Empfehlungen zum Liebeszauber und dem Gebrauch von Aphrodisiaka. Es werden empfängnisfördernde Mittel erwähnt, ebenso Anti-Konzeptiva und abortiv wirkende Mittel. Einen großen Teil nimmt die Geburtshilfe und Pflege der Wöchnerin ein.

Die Anwendung pflanzlich-magischer Mittel taucht in allen Jahrhunderten auf. Noch um 1890 fand in der Gegend von Berlin ein reger Verkauf von Glückwurzeln, der gelben Schwertlilie (Iris pseudacorus), für 10 –50 Pfennige das Stück statt. Sie sollten, um den Hals getragen, Reichtum und Kindersegen bringen. Diese äußere Form der Anwendung scheint sehr beliebt gewesen zu sein, Heilkräuter, Metalle. Steine und Tierprodukte wurden gerne als Amulette in einem Beutel um den Hals getragen. Die orale Einnahme und die Wirksamkeit ihrer Inhaltstoffe wurde häufig dadurch potenziert, dass Kräuter mit magischen Worten beschrieben und dem Kranken zu essen gegeben wurden. Unsere heutigen Kenntnisse über Informationsmedizin verändern langsam die Sichtweise, dass es sich hier um rein abergläubische Rituale handelte. Sie öffnen einen neuen und interessierten Blick auf alte Bräuche, wie beispielsweise dem Ratschlag, dass Schwangere zur Erlangung einer leichten Geburt 3 Dornen des Weißdorns (Crategus oxycantha) brechen und bis zur Geburt an ihrer linken Seite tragen sollten.

Auch in der Verwendung von Aphrodisiaka, Fruchtbarkeits- und Schwangerschaftsmitteln finden wir oft eine Kombination aus Phytotherapie und Magie. Eisenkraut (Verbena officinalis), am Marientage geweiht, sollte Begierde und Fruchtbarkeit anregen“. Eschensamen (Fraxinius) riefen „unkeusche Geiste“ herbei. Eine Frau, die Hasenkot in einem Säckchen um den Hals trug, wurde angeblich nicht schwanger. Zum gleichen Zweck wurden Katerhoden in Mauleselleder gebunden und um den Hals getragen. Die Eberraute (Artemisia abrotanum) legte man unter das Kopfkissen um „den Beischlaf zu fördern und Zaubereien, die ihn verhindern, zu vertreiben“.

„Schutzrunen lerne, wenn Du schwangere Frauen,
von der Leibesfrucht lösen willst:
Auf Hände und Gliedbinden male die Heilszeichen
Und um den Beistand der Disen bitte.“
(Edda, Sigrdrifumal 9)

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Anschrift der Verfasserin:
Birgitta Neubert
Heilpraktikerin
www.hollehof.de
Vinning 3
59427 Unna
Tel.: 02308 / 12 06 61

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