Komplexhomöopathie

Ein Plädoyer für die Komplexhomöopathie

Von Josef Karl

Der Streit zwischen Einzel- und Komplexhomöopathen ist alt: eine irritierende Tatsache ist, dass beide Lager – die sich nicht selten verbittert gegenüberstehen – ihre Erfolge (und Misserfolge) haben. Große Frauen haben mit Komplexmitteln gearbeitet, angefangen bei Frau Pastor Madaus, ihrer Tochter Eva Flink, Pastor Felke, der Heilpraktiker Zähres und ungezählte andere. In der neueren Zeit hörte ich selbst von großen Komplexmittel-Heilpraxen: HP Klitzen in Lengries, Frau Koll. Mayerhofer in München und nicht zuletzt auch Josef Angerer, ein Meister im Zusammenstellen eigener Phyto – Homöopathiemittel. Das ist nur ein Bruchteil großer Praxen; im Rheinland war u.v.a. Werner Theegarten und in Wiesbaden durfte ich ein Viertel Jahr bei Joseph Diener hospitieren, dessen Sohn Dieter in die Fußstapfen seines Vaters trat: 50 – 60 Patienten pro Tag waren durchaus keine Seltenheit, die er über Jahrzehnte mit seinen selbstkomponierten Dienaplexen kurierte. Und die Menschen kamen von weither. Vorher, 1957, wurde ich in der damaligen FDH-Schule in der Giselastraße in München nicht zur Einzelhomöopathie inspiriert: es lag zum Großteil an einem Lehrer, der trocken nach dem „Staufer“ vorging und selbst so gut wie keine Praxis hatte (Das bekommen Schüler schnell heraus!). Er konnte deshalb auch kaum eigene Fälle vortragen. Ich war schon von der Schule weg, als Dr. phil. Herbert Fritsche diesen Unterricht übernahm. Er hatte großen Zulauf. Zu seinen Vorlesungen kamen auch manche, die schon in eigener Praxis tätig waren. Fritsche promovierte in Berlin in Zoologie, war eine Zeit lang in der Fastenklinik Buchinger in Überlingen und Bad Pyrmont als eine Art psychologischer Berater tätig und kam mit der ganz einfachen fasten begleitenden Einzelhomöopathie in Berührung, die Otto Büchinger gab. Bekanntheit hatte er bereits durch das wunderbare Buch „Der Erstgeborene“. Dieser phosphorische Feuergeist könnte durch seine geistreiche und umfassende Bildung viele in seinen Bann schlagen. Wie jedoch so oft ein „Aber“: Praxis hatte er keine – und ob er für die Homöopathiebegeisterten mehr Hindernis war (weil sie annehmen mussten, dass Wunder in Zahl durch sie geschehen) oder ein Vorteil, möchte ich dahingestellt lassen. Leider verstarb er früh. Ich war vor allem von seinen Büchern begeistert (siehe oben); auch eine Hahnemennn-Biogrphie kam aus seiner Feder.

Ein Fall:

Ein mittjähriger Mann kam in die Praxis und zeigte mir seine argen exzematischen Hände. Er war Hausmeister, früher auch Maurer – und das Zement-Exzem ist keine Seltenheit. Mancher musste deswegen den Beruf wechseln. Die Iris zeigte einen erheblichen Hautring (sechste Zone), verfärbt ins grau-gelbliche. Es war auch nicht zu überhören, dass das Atmen erschwert war. In der Iris war in beiden Lungenfeldern eine Abdunklung und wegen des schon vor Jahren vom Arzt diagnostizierten Asthma bronchiale gab er das mäßige Rauchen ganz auf. Nun ist der Wechsel Ekzem/Asthma genügend bekannt. Cortisonsalbe äußerlich, Cortisontabletten in geringer Dosis innerlich und ein ACC-Präparat zum Abhusten hielten die Sache einige Zeit im Schach. Natürlich hörte er von Nachbarn und Bekannten, dass auf die Dauer Cortison nicht gut sei und auch der vernünftige Hautarzt bestätigte es ihm und reduzierte die Dosis.

Das erste Rezept meinerseits war:
Nach drei Wochen zeigte sich eine starke Verbesserung der rauhen, aufgerissenen Hände, wir freuten uns, aber diese Freude wurde getrübt, als er sagte, mit dem Atmen sei es seitdem wieder schlechter und er könne auf das Cortison-Spray nicht völlig verzichten. Und unverhohlen: wenn er die Wahl zwischen Ekzem und Asthma hätte, würde er ersteres doch vorziehen.
Also Therapiewechsel:

Erläuterunq dieser Verordnunq:

  1. Hydrocotyle, das auch Graphites, Sulfur und ähnliches enthält, soll die Haut weiter versorgen. Es hat sich in meiner Praxis sehr bewährt.
  2. Da ihm die Ekzevowen-Salbe gut tut, läuft sie weiter

  3. Ephedra Synergon als Wechselmittel für das Asthma

  4. Tornix von „Steierl Pharma“ tut ihm vor allem für die Nacht gut, weil es neben Weißdorn Baldrian und Passionsblamenkraut enthält. Es ist ein sehr brauchbares Phytotherapentikum.

Insgesamt wurde es besser, zurfriedenstellend war die Situation noch nicht. Da eine erbliche Komponente dabei war, gaben wie einmal im Monat Metabiarex „meta-Fackler“ als Nosodenpräparat i.m.

Zu verstehen ist, dass ein Patient irgendwann müde wird mit dem „Einnehmen“. Handbäder mit Schwefel „Klopfer“ am Abend waren positiv.
Aber wir wollten mehr. Ich ermunterte ihn intensiv, in eine viertwöchige Asthmaumstellungskur in eine Naturheilklinik an die Nordsee zu gehen. Der sehr kooperative Arzt bewältigte den ganzen Papier- und Befundkrieg, dem man heute mit der Kasse ausgesetzt ist und erreichte diese Kur.
Dem Patienten, der sehr stark von der Vorstellung beherrscht war, dass „man ein und dieselbe Arznei nicht zulange nehmen darf“, ging mit Cortisonreduzierung und einem Wechselrezept an die Nordsee.

Nach den vier Wochen Kur kam er psychisch und physisch recht stabil zurück. Er meinte sogar, er sei „ein anderer Mensch“ – nahm noch einige Zeit die Mittel, von denen er den besten Eindruck hatte.
Niemand soll meinen, dass solche nicht ganz unkomplizierten Fälle immer so ablaufen. Ich habe genügend Misserfolge ebenso erlebt. Es ist auch das Glück notwendig, dass der Patient mitmacht, der Hautarzt nicht unsere Sache verdammt – und in der jetzigen Zeit ist es nicht unerheblich, dass der Patient auch das Geld für die keineswegs billigen Arzneien aufwenden kann. Die GKV und immer mehr der Privaten Krankenversicherungen sparen, wo sie nur können (nicht zuletzt wohl, dass genügend für die hohen Managergehälter übrig bleibt).

Für viele Menschen ist Naturheilkunde zu teuer – im Gegensatz zu einem chemischen Medikament, das ohne weiteres 100 Euro und mehr kosten kann. Wir stecken in keiner guten Entwicklung.

Josef Karl

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Naturheilpraxis 03/2008