Komplexhomöopathie

Eine Domäne der Komplexhomöopathie - Angst und Unruhe

Von Alexsandra Hodgson u. Franz Lang

Immer wieder, seit vielen Jahrzehnten, seit Pastor Felke oder auch dem heute fast vergessenen Arthur Lutze haben sich Komplexhomöopathika in psycjischen Indikationsbereich bewährt. Warum das so ist, wollen wir versuchen, herauszufinden.

Die Homöopathie lebt von der genauen Beobachtung. Bei den Arzneimittelprüfungen wird jede Reaktion des Patienten exakt aufgezeichnet und zu einem Gesamtbild gefügt, das dann die Arzneimittelbilder wiedergibt. Seien es Hahnemann, Clark, Boenninghausen, Boericke, Kent oder Hering, in den Repertorien und Materiae medica spiegelt sich die Erfahrung von Jahrhunderten wieder – und wird auch immer wieder neu bestätigt. Dabei ist die Kluft zwischen der Einzelhomöopathie, wie sie zuerst von Hahnemann gefordert wurde und der Komplexhomöopathie geringer, als man glaubt. Man muss sich in die Zeit von Hahnemann hineinversetzen. Damals hat die Schulmedizin Arzneimittel rezeptiert, die Lutze in seinem Lehrbuch der Homoeopathie von 1860 als „Vielmischerei der Allöopathen“ beschrieben hat. Es war Hahnemann selbst und vor allem seine Schüler, die dieser Polypragmasie die reine Lehre der Einzelhomöopathie entgegen setzen wollten – ein Politikum, das sich bis heute erhalten hat. Hahnemann selbst hat über Doppelmittel veröffentlicht, Boenninghausen und Aegidi ebenso. Im von Lutze redigierten 6. Organon hat es einen Paragraphen 274b gegeben, der die Verwendung von Doppelmitteln beschreibt. Die Originalmanuskripte von Hahnemann lagen Lutze nachweislich vor. Unter dem Druck der (homöopathischen) Öffentlichkeit haben Hahnemann, Boenninghausen und Aegidi schließlich den Doppelmitteln abgeschworen. Eine Entscheidung, die aus nüchterner Betrachtungsweise rational nicht zu erklären ist, sondern eher weltanschaulich anmutet.

So wollen wir auch nicht beurteilen, welcher Therapierichtung die Ehre zukommt, die wahre Lehre zu vertreten. Einzelhomöopathie und Komplexhomöopathie haben aus unserer Sicht ihre Daseinsberechtigung und wenn man sich die Markterfolge der Komplexhomöopathika anschaut, die ein Vielfaches mehr als die Einzelhomöopathika umsetzen, dann kann das doch nicht alles falsch sein. Schließlich sind das keine Eintagsfliegen. Komplexhomöopathika werden mittlerweile seit über 100 Jahren industriell gefertigt. Dabei haben wir heute noch Arzneimittel im Handel, die sich seit damals kaum oder gar nicht verändert haben. Wenn Mittel sich seit vielen Jahrzehnten in der Therapie bewähren (und nicht in Doppelblindstudien an jungen, männlichen Erwachsenen, deren Ergebnisse dann verallgemeinert werden), dann wirken sie; denn ihr Einsatz begründet sich mit der genauen und individuellen Beobachtung der Patienten durch die Verordner.

Die humoralpathologische Denkweise, von Hippokrates begründet, hat das Fundament für die Komplexhomöopathika gelegt. So kam es, dass Homöopathen begannen, ihre Mittel passend zur jeweiligen Affinität eines Organs oder einer Organgruppe zusammen zu stellen. Die von Galen begründete Konstitutionslehre bildete die Basis. „Die Berücksichtigung individueller angeborener und erworbener Reaktionsbereitschaft bei dieser Denkweise führte zur Bildung von Therapiesystemen mit Komplexmitteln unterschiedlichster Zusammensetzung. Dabei stand die syndromale Sichtweise von Gesundheit und Krankheit sich selbststeuernder dynamischer Systeme im Vordergrund“ (Beierle 1999: 2).

Interessant ist, dass alle Pioniere der Komplexmittel-Homöopathie, die ursprünglich Einzelhomöopathen waren, allen voran Pastor Felke, auch durchaus mit Repertorien und Materiae medica umgehen konnten. Sie erkannten nur, fernab jeder Dogmatik, wie vielschichtig der Mensch ist, dass sehr wohl mehrere, durchaus konkurrierende Arzneimittelbilder auf ein Individuum zutreffen können und – sie haben beobachtet und experimentiert. In aller Regel sind die Mittel der frühen Jahre empirisch, nach Auswertungen der einschlägigen Lehrbücher zusammengesetzt, immer wieder erprobt und schließlich in am Patienten bewährter Form in die industrielle Fertigung gekommen. Dabei hat damals ein reger Gedankenaustausch zwischen rezepturentwickelnden Therapeuten, homöopathisch interessierten Apothekern und der Industrie stattgefunden. Die Industriellen in der Frühzeit waren vielfach selbst Therapeuten, wie Heinrich Hense, Frau Madaus mit ihren Kindern, oder Wilhelm Zähres; auch Pharmazeuten wie Friedrich Pascoe, Wilmar Schwabe und Richard Mauch haben sich der Homöopathie verschrieben und in verschiedenen Zeitepochen für Pastor Felke Arzneimittel mitentwickelt und industriell vermarktet. In diesem Zusammenhang muss auch Emil Hevert genannt werden, der als Pharmazeut nach langjähriger Tätigkeit für Richard Mauch sein eigenes Unternehmen in der Hauptwirkungsstätte des Pastor Felke, in Bad Sobernheim begründete. Seine außerordentlich guten Kontakte zu führenden Therapeuten trug dazu bei, dass Hevert in kurzer Zeit einen beachtlichen Arzneimittelschatz aufbauen konnte.

Wir wollen an einem Beispiel aufzeigen, wie sich Komplexmittel weiterentwickelt haben, wie wertvoll die homöopathische Übung der Materia medica ist und wie man mit den Folgen der Nachzulassung umgeht.

Ausgewählte Arzneimittelbilder aus den einschlägigen Materiae medica:

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Literatur:
Wiliam Boericke: Handbuch der homöopathischen Materia medica. Haug Verlag
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Elsevier, Urban & Fischer Verlag
Constantin Hering: Condensed Materia medica. B. Jain Publishers PVT LTD
Raimund Friedrich Kastner: Bönninghausens Repertorium der homöopathischen Arzneimittel. Haug Verlag
James T. Kent: Repertorium der homöopathischen Arzneimittel. Narayana Verlag
Andrea M. Sahler: Homöopathische Komplexmittel. Richard Pflaum Verlag
Hevert Arzneimittel: Vademecum.

Anschrift der Verfasser:
Alexsandra Hodgson & Franz Lang Heilpraktiker
Im Tal 10
65329 Hohenstein
E-Mail: info@atemfluss.de

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