Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Yi Lun

Japan ist anders!

Nachdem das Thema Japanische Akupunktur, auch im TCM-Kongress Rothenburg, immer mehr Raum und Freunde gewinnt, war es auch für die AGTCM an der Zeit, mal einen offiziellen Blick auf Japan zu werfen. Auf Einladung von 3b Scientific reisten daher Gerd Ohmstede und ich im Herbst nach Japan. Seirin hatte uns und 14 weitere hochrangige Repräsentanten von anderen europäischen TCM-Organisationen eingeladen, darunter die DÄGFA (aus Deutschland), DGFAN (aus Deutschland), ÖGFGZ (aus Österreich) und ETCMA. So war das Ganze nicht nur eine Tour durch japanische Universitäten und Schulen, sondern auch eine innerdeutsche und europäische Annäherung.

Japan hat alles gehalten, was es in „Lost in Translation“ versprochen hat – und noch mehr. Es ist ein unglaublich faszinierendes Land, mit extremen Widersprüchen und Kontrasten. Alt und Neu stehen nebeneinander und beeindrucken durch den Spagat zwischen Schlichtheit und Exaltiertheit. Neben der Einkaufsstraße, die den Times Square in New York wie einen Dorfmarkt aussehen lässt, findet man wunderschön stille Tempel und Häuser mit einzigartigen Zen-Gärten.

Für uns aber am interessantesten war der Kontakt mit japanischen TCM-Universitäten. Auch hier gibt es große Unterschiede. Auf der einen Seite der absolute Spitzenreiter: die Meji Universität in Kyoto, die mit einem riesigen Campus, wunderbaren Gebäuden und einem Krankenhaus beeindruckt. Auf der anderen Seite die etwas kleineren Schulen, wie z.B. die Moniomiya Universität in Osaka, die nur etwas größer als eines unserer ABZs ist.

Um eine Akupunktur-Lizenz zu erhalten, braucht es eine 3-jährige Vollzeit-Ausbildung, die allerdings zur Hälfte aus westlicher Medizin besteht. Wenn man sich die theoretische Akupunktur-Ausbildung anschaut, so entspricht unsere Ausbildung in den Kooperationsschulen fast diesem Level. Ein eindeutiger Vorsprung in Japan herrscht in den praktischen Ausbildungen.

Es gibt ca. 55000 lizenzierte Akupunkteure in Japan bei einer Bevölkerung von 127 Millionen. Anders als bei uns ist die Akupunktur im Augenblick kein Modethema, sondern eine Therapie, die vor allem von alten Frauen in Anspruch genommen und daher als altmodisch angesehen wird. Trotzdem gibt es inzwischen ca. 20 Akupunktur-Schulen, die sehr teuer sind (allerdings ist jedes Studium in Japan teuer). Junge Studenten studieren meist Akupunktur, wenn sie keinen Studienplatz in westlicher Medizin bekommen. Akupunkteure dürfen keine Kräuter verschreiben oder Ernährungsberatung machen. Dafür werden ca. acht bis zehn Indikationen von den Krankenkassen übernommen, und ein Akupunkteur bekommt für eine 60-Minuten-Behandlung ca. 45 Euro.

All dies erfuhren wir durch Vorträge an der Meji Universität. Es gab interessante Diskussionen und Vergleiche, und die japanischen Kollegen waren sehr an den Entwicklungen in Europa interessiert. Man merkte immer wieder, dass Japan ein Land mit einem hohen Bildungsniveau und einer langen ununterbrochenen Kultur ist, was sich besonders auch bei der Akupunktur bemerkbar macht. Diskussionen waren auf einem sehr hohen Niveau möglich, und ich war erstaunt über das große Maß der Selbst-Reflexion.

Japan ist also anders und gleichzeitig auch sehr ähnlich. Wir sind der Meinung, dass es sich für uns sehr lohnen würde, Japan als Quelle für Akupunktur weiter zu nutzen und den Kontakt zu vertiefen.

Nils von Below
1. Vorsitzender der AGTCM

Die AGTCM wünscht allen Mitgliedern und allen Helferinnen und Helfern, die die AGTCM mit ihrer unermüdlichen Arbeit so außerordentlich unterstützen, ein wunderbares Weihnachten, eine erholsame Zeit und einen guten Start ins neue Jahr.


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Naturheilpraxis 12/2007