Spektrum Naturheilkunde

Die Scheinakazie - Robinia pseudoacacia L.

Von Markus Berger

Im Gegensatz zu den verwandten Acacia-Spezies werden die Scheinakazien der Gattung Robinia, die wie die echten Akazien zur Familie der Fabaceae (Schmetterlingsblütler) gehören, medizinisch kaum genutzt. Auch innerhalb der Industrie oder nutzpflanzlichen Anwendung haben die Robinien einen eher zu vernachlässigenden Stand. Trotzdem kann anhand der volksheilkundlichen Genese gut ersehen werden, welch Qualitäten die bei uns vielerorts in Forst und Ortschaften angepflanzte Robinie in phytopharmakologischer Hinsicht hat.

Die Gattung Robinia ist auf dem amerikanischen Kontinent beheimatet. In Europa wurde die Scheinakazie Robinia pseudoacacia L. (Robinie, Schotendorn) eingebürgert und schmückt Wälder, Wegränder, Gärten und Straßen. Mit dieser Zier erschöpft sich die Existenzberechtigung des Baumes bei uns. Doch welche Rolle spielt die Spezies in ihrer Heimat? In den Augen einiger amerikanischer Farmer ist Robinia pseudoacacia eine den Boden positiv beeinflussende Pflanze, ein ausgezeichnetes Tierfutter und ein qualitativ hochwertiges Brennholz. Die Bäume stellen (auch bei uns) eine fulminante Nektarquelle für Honigbienen dar und spielen außerdem als Gewürz und Aromastoff in der Parfümherstellung sowie als Insekten vertreibendes Mittel eine Rolle. Aus der Rinde kann Papier und Textilstoff hergestellt werden. Die Samen werden gekocht (wodurch sie ihre typische Bitterkeit verlieren) und wie Erdnüsse geknabbert. Junge Samenkapseln werden ebenfalls gekocht und als Süßigkeiten für Kinder genutzt. Die gekochten Blüten werden wegen ihres süßlichen und duftigen Aromas zum Backen gebraucht oder in Form eines Erfrischungsgetränkes gereicht. Auch einige andere Robinien-Spezies sind als Speiserohstoffe dienlich: Die Blüten der Robinia luxurians (Dieck.) Scheid. und Blüten und Samen von Robinia neomexicana A. Gray werden in Nordamerika, die Samen von Robinia flava Lour. Nord-China als Nahrungsmittel verwendet.

Die heilkräftigen Eigenschaften

Robinia pseudoacacia enthält die giftigen Proteine Phasin und Robin, Protocatechin-Gerbstoffe, Syringin und Harz in der Rinde (Cortex Robiniae pseudoacaciae), Acacetin, Asparagin, Indican, Flavonoide und ätherisches Öl in den Blättern (Folia Robiniae pseudoacaciae) und ätherisches Öl, Acacetin, Farnesol, Kämpferol, Linalool, Nerol und die Flavonoide Acaciin und Robinin in den Blüten (Flores Robiniae pseudoacaciae). Die Samen enthalten Lectine.

Die Scheinakazie wirkt antiviral, fiebersenkend und abführend und wird in Amerika ethnomedizinisch als Adstringens, Brechmittel, Diuretikum, Laxans (= Abführmittel), gallentreibendes Mittel, Gift, Sedativum (Beruhigungsmittel), Tonikum und glättende Hautcreme sowie bei Erkrankungen durch Protozoen, Verdauungsstörungen/Dyspepsie und spastischen Leiden angewendet. Als Brechmittel und Tonikum dient die Rinde, insbesondere die Wurzelrinde. Um Erbrechen auszulösen wird die Wurzelrinde gekaut – gegen Zahnschmerzen behält man die Rinde ohne zu kauen einfach im Mund. Aus der Haut der Robinien-Früchte wird ein narkotischer, giftiger Trank bereitet, außerdem wird aus der Pflanze Piperonal extrahiert und als Vanille-Substitut verwendet. Die aromatischen Blüten haben antispasmodische, diuretische, laxierende und Haut glättende Effekte, gegen Augenleiden zum Beispiel werden sie gekocht und gegessen. Die Blätter wirken emetisch und Gallenfluss fördernd und enthalten einen Saft, welcher antivirale Qualitäten aufweist.

Innerhalb der italienischen Ethnomedizin wird ein Dekokt aus den getrockneten Früchten der Robinia pseudoacacia gegen Bronchialbeschwerden eingesetzt. Angeblich wird die Robinia pseudoacacia in England zu therapeutischen Zwecken genutzt (Quelle: Internet). Bisher konnte mir aber niemand den Wahrheitsgehalt dieser Aussage bestätigen.

Die homöopathische Potenz Robinia pseudoacacia HAB (D3 bis D6) aus der frischen Rinde junger Zweige wird bei Gastro-Intestinal-Beschwerden, Verstopfung, Hyperaciditiät, Migräne, Sodbrennen, saurem Aufstoßen, Magenkatarrh und Magen-Darm-Geschwüren verabreicht. Die Monografie der Kommission D schreibt entsprechende Zubereitungen vor. Die verwandte Robinia neomexicana A. Gray wird in Amerika volksmedizinisch als Brechmittel (z.B. um den Magen zu reinigen) und Rheumatikum genutzt.

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Anschrift des Verfassers:
Markus Berger
Heilpraktiker
Kaiserstr. 8
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