FACHFORUM

Irisdiagnose – eine Hilfe bei Stoffwechselstörungen?

von Erwin Stutz

“Die meisten Menschen essen zuviel. Von einem Viertel dessen, was sie verzehren leben sie, von den restlichen Dreivierteln leben die Ärzte.”
(ägyptische Papyrusrolle ca. 6000 Jahre alt)

Von Galen, dem nach Hippokrates bedeutendsten Arzt der Antike stammt der Satz: “Der Fraß tötet mehr Menschen, als das Schwert.”
Stichworte des neuesten Ernährungsberichtes im Auftrag der Bundesregierung: “zu viel, zu fett, zu süß.”
Wir können also feststellen: in punkto Ernährung gibt es praktisch nichts Neues.

Über den Stoffwechsel können wir nicht sprechen bevor wir eines klargestellt haben: Virchow irrte, als er unseren Körper als Zellstaat definierte. Wir sind 10 x mehr Bakterien und 1000 x mehr Viren, die an entscheidenden Prozessen, z.B. dem Stoffwechsel beteiligt sind. Die Frage von Gesundheit und Krankheit spielt sich an der Nahtstelle, beim Zusammentreffen von Viren, Bakterien und Zellen ab; und der Hauptaustragungsort ist der Darm. Wenn wir uns ein Fußballfeld vorstellen, und seit letztem Sommer können das die meisten, nimmt die Haut etwa die Fläche des Tores ein, die Lunge entspricht der 11 m Zone, der Darm hingegen nimmt mehr als die Hälfte des Fußballfeldes ein und dort findet man konsequenterweise auch 80% unserer Abwehr, das sog. darmassoziierte Immunsystem. Störungen in diesem Gebiet haben nicht nur mangelnde Abwehr von Keimen zur Folge, sondern verstärkte Durchlässigkeit von Schleimhäuten für Toxine.

Ivan Illich definiert Gesundheit, als die Intensität mit der ein Organismus sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Krankheit also, als notwendiges Krisenmanagement in der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt, wobei eine neue Herausforderung die momentane Stabilität in Frage stellt und einen neuen Zustand höherer Stabilität erfordert. Krankheit als Chance, als Lernprozess, sowohl für unser Immunsystem, aber auch für die ganze Person. Die Chance liegt demnach nicht so sehr auf der Fokussierung, ob der Organismus mit der Herausforderung fertig wird, als vielmehr in der Zunahme des Vertrauens, dass er es schafft. Die moderne Kohärenztheorie sieht den Erfolg einer therapeutischen Maßnahme in einer Annäherung an ein Urvertrauen, was der harmonischen Abgleichung, also Kohärenz mit dem Makrokosmos entspricht, was letztendlich nichts anderes bedeutet, als unsere alte Forderung, die Selbstheilungskräfte zu fördern. Diese Mit-Betonung des seelisch-geistigen Faktors macht erst den wirklich ganzheitlichen Anspruch unseres Therapieverständnisses aus. Wir befinden uns auch nicht mehr auf spekulativem Terrain, wenn wir uns aus dem Bauch heraus entscheiden, seit höchst wissenschaftlich von einem Bauchhirn gesprochen wird, das neben Sympathicus und Parasympathicus als sog. intramurales System mit mehr als 100 Millionen Ganglienzellen, das 4-5 fache des Rückenmarks, viele Abläufe selbstständig steuert und sogar dem Gehirn Befehle erteilen kann. Jede emotionale Äußerung ist untrennbar mit der Stoffwechselregulation verbunden, spätestens dann, wenn sie sich mal wieder fragen, wer oder was schlägt mir auf den Magen sollten Sie sich daran erinnern.

Konstitutionseinteilungen haben den Sinn, das unterschiedliche Potential der Verarbeitung der Herausforderung zu erkennen und therapeutisch entsprechend umzusetzen. Konstitutionsbegriffe sind so alt wie die Naturheilkunde selbst. Die Humoralpathologie entwickelte die Säftelehre, verschiedene Schulen gebrauchten Einteilungen, wie Temperamente oder Charaktertypen. Eine der klarsten Definitionen geht auf Hippokrates zurück:

Hippokrates lassen wir noch hinzufügen: “Je nachdem die Augen sind, ist auch der ganze Körper”.

Beim Blick ins Auge kommen wir dem ganzen Menschen besonders nahe, vor allem konstitutionell. Wir gehen heute davon aus, dass die Mehrzahl der Erkrankungen über das Gleis der genetischen Schwachstellen läuft.
Disposition benennt Schwachstellen, welche bestimmte Krankheiten begünstigen.
Diathese-diathesis = Neigung des Körpers (nach einer Seite) ist schon eine spezifische Reaktionsweise, wie die Erkrankung verlaufen wird.

Eine der Stärken der ID ist: die Iris ermöglicht den direkten Blick ins lebendige Bindegewebe. Spätestens seit Pischingers Grundregulationskonzept und Angerers wunderbarem Gedanken: “die Organe sind so gesund, wie das Meer in dem sie schwimmen” ist uns klar geworden, welch ungeheurer Schatz die Irisdiagnose uns bietet. Durch die Einbeziehung konstitutioneller Merkmale und Reaktionsweisen liefert sie die entscheidenden Hinweise für die Komplexhomöopathie bei krankheitsbedingter Dissonanz körpereigener Regulation steuernd einzugreifen. Die alte Forderung, erstmal die Hähne öffnen ist einmal das Konzept vieler komplexhomöopathischen Systeme, zum anderen ermöglicht uns der Blick ins Auge eine durch das Erkennen der konstitutionellen Stärken und Schwächen für den Einzellfall angemessene Therapie. Die Therapie der Matrix ist deshalb eine moderne und zugleich altbekannte Methode der Naturheilkunde. Heine, der vielleicht eifrigste Vertreter des Pischinger Gedankens, beschrieb den Unterschied von konventioneller Medizin und Naturheilkunde in etwa folgendermaßen: Krankheit ist nur eine lokale Manifestation einer allgemeinen Stoffwechselstörung und daher am besten durch allgemein greifende, den ganzen Körper beeinflussende Maßnahmen zu behandeln, im Unterschied zur kausal analytischen Sichtweise, nach der jede Störung einen lokal definierbaren Anfang und einen anatomisch bestimmbaren Sitz hat.

Wie neue Erkenntnisse in der Wissenschaft behandelt werden, wusste schon Montaigne im 16. Jahrhundert. Er beschreibt 3 Phasen:

1. Das trifft wahrscheinlich nicht zu

2. Das mag wohl zutreffen, aber es ist nicht wichtig

3. Gewiss ist es wichtig, aber es ist nicht mehr so neu

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Anschrift des Verfassers:
Erwin Stutz, Heilpraktiker
Senftenau 2
88131 Lindau



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