Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Psyche und Soma – Das Qi folgt dem Geist

Die Verantwortung des Therapeuten

Von Michaela Molzahn, Hamburg

„Der diesjährige TCM Kongress in Rothenburg, der mittlerweile an die 1000 Therapeuten der Chinesischen Medizin anzieht, fand unter dem Titel Psyche und Soma statt. Ein Titel, der in unseren Praxen seinen Widerhall findet. Gerade die ganzheitlich ausgerichtete Naturheilkunde zieht immer wieder Menschen mit unklaren Symptomen an. Beschwerden, die schulmedizinisch keine Ursache finden und somit bei den Patienten eine gewisse Hilflosigkeit hinterlassen. Die Diagnose Psychosomatik wird somit immer öfter gestellt und ist salonfähig geworden.

Noch vor ein paar Jahren wurde die Psyche mit „Einbildung“ oder „verrückt sein“ in Verbindung gebracht. Doch die Gesellschaft entwickelt sich weiter – oder besser gesagt wir entwickeln uns dahin, wo wir vor 2500 Jahren schon einmal waren. Die Chinesen und auch Hippokrates lehrten schon damals, dass Gesundheit im Menschen ein Zustand der Harmonie in sich selbst und innerhalb seiner Umgebung – ein Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele ist.

Im 17. Jahrhundert ging diese Einstellung verloren, als die wissenschaftliche Denkweise der westlichen Welt, allen voran Descartes, den Menschen in den Körper (Soma) und die Seele (Psyche) aufteilte. Dies führte zu der uns bekannten dualistischen Denkweise und die Medizin konzentrierte sich ausschließlich auf den Körper. Nur das Sichtbare ist real und zählt.

Der Leistungsdruck und die Existenzangst vieler Menschen bringen sie an ihre Grenzen und noch nie waren so viele Patienten offen für Entspannungsübungen, Stressmanagement oder Coaching und Beratung. Selbst das unsichtbare Qi wird akzeptiert und mit Neugier und Hoffnung von den Patienten aufgenommen.
Die Naturheilkunde steht für viele Betroffene noch einen Schritt vor dem Gang zur Psychotherapie. Hier mag bei dem einem oder anderem, der seine Mitte verloren hat, der Wunsch bestehen das Ungleichgewicht durch die Nadel, den Tee oder das Globuli wieder ins Gleichgewicht „bringen zu lassen“. Unsere Aufgabe ist es nun, die Verantwortung mit dem Patienten zu teilen und ihn neben der Heilkunde, zu seinen inneren Lösungen zu begleiten – zu seiner Bestimmung zurück zu führen.

Das bezieht sich auf den Patienten, der berichtet, dass er so unruhig ist, schlecht schläft und vielleicht doch ein bisschen viel Stress in letzter Zeit auf der Arbeit oder in der Familie hatte, ebenso wie auf den Manager mit den Rückenschmerzen, der nur möchte, dass wir ihn wieder ins Gleichgewicht bringen, damit die Schmerzen weggehen.

Hier liegt die Chance für die Naturheilkunde als seriöse Therapie noch ernst(er) genommen zu werden. Allerdings erfordert diese Aufgabe vom Therapeuten Fähigkeiten aus der Beratung oder vielleicht sogar dem Coaching, die oft die fachliche Ausbildung übersteigen.

In den Angeboten der Fortbildungsinstitute zeigt sich das große Interesse der Therapeuten an der Auswirkung der Emotionen auf die Organe, der Behandlung der Konstitution mit der Akupunktur nach den 5 Wandlungsphasen und den entsprechenden Diagnostischen Methoden. Wir Therapeuten achten auf eine fachlich hervorragende Ausbildung auf der körperlichen Ebene, der Kräutertherapie, Qi Gong, Akupunktur, Diagnose, Ernährung usw. Mehr als fünfzig Prozent der Behandlung besteht jedoch aus dem Gespräch, dem Eingehen auf den Patienten mit dem gesprochenen Wort, dem Nachfragen in der Diagnose und dem Zuhören und Verstehen des Gesagten und... dem Unausgesprochenen. Hier entsteht noch vor der ersten körperlichen Behandlung die erste wahre Berührung von Geist zu Geist oder von Seele zu Seele – der Psyche.

Eine Ausbildung in der Berührung mit dem Wort haben nur wenige Therapeuten und obwohl wir sicherlich intuitiv vieles richtig machen, liegt die Verantwortung auch bei uns, in der Kommunikation genauso sorgsam zu sein, wie in der Auswahl der Kräuter oder dem Setzen der Nadel. Denn das Wort kann die Nadel maßgeblich unterstützen. Josef Müller nannte es „die Nadel besingen“, Klaus Stahlberg sagt: „die Gefühle so ansprechen, dass sich beispielsweise Angst in Ärger und somit in die nächste Wandlungsphase erheben kann.“ Wann macht es Sinn, zu provozieren? So wie J.R. Worsley seinen todkranken Patienten, der keinerlei Angst zeigte, „brutal“ darauf anspricht und ihn so aufrüttelte, dass er sein Leben komplett änderte. Wie hole ich den Patienten aus der „Ja, aber“ Schleife heraus und führe ihn auf einen Weg der Wandlung, der aus der Person selber kommt. Hier kommen die drei Helfer des Coaches zum Einsatz: Nichtwissen, Verwirrung und Hilflosigkeit – Der Coach traut sich, der Spiegel für die blinden Flecken in der Seele des Patienten zu sein. Vom Berater erfordert das Mut, Authentizität und Vertrauen zu den eigenen Gefühlen. Und spannender Weise geht genau dann, wenn dieses Nichtwissen sich zeigen darf, der Prozess überraschend schnell in eine Lösung über. Taoismus hat auch in der Beratung seinen Platz.

Doch welche Ausbildung bietet sich im Bereich der Beratung für den Therapeuten der Naturheilkunde an? Systemische Familientherapie, Hypnotherapie, Transaktionsanalyse, Kommunikation nach Prof. Schulz von Thun (Arbeit mit inneren Anteilen, die vier Ohren), Gestalttherapie, Konstruktivismus (Watzlawik) sind einige der fundierten Therapie- und Kommunikationsmodelle in der Arbeit mit der Seele und dem Geist.
Anfang der 70er Jahre haben Richard Bandler und John Grinder erfolgreiche Therapeuten und Pioniere ihrer Fachrichtung in ihren Kommunikationsmustern beobachtet. Es waren der Entwickler der Gestalttherapie, Fritz Perls, Virginia Satir – die „Mutter“ der Familientherapie und der legendäre Milton Erickson, der im Rollstuhl sitzend, ein Meister der Hypnose und der therapeutischen Metaphern wurde. Daraus entstand dann das NLP – Neuro Linguistisches Programmieren. Trotz der ungeschickten Namensgebung setzte sich dieses leicht zu erlernende Modell als Grundlage für Menschen durch, die andere in ihrem Veränderungsprozess unterstützen.

Vor 10 Jahren habe ich das NLP als Grundlage für meine Arbeit als Trainerin und Coach kennen gelernt und war erst einmal sehr zurückhaltend dieser Methode gegenüber. So fand mein Grundkurs dann auch bei einem Erfolgs- und Motivationstrainer statt und obwohl mir diese Art der Vermittlung nicht gefiel, entdeckte ich eine neue Tiefe in der Kommunikation, die mich faszinierte. Die Folgekurse belegte ich bei einem erfahrenen Psychologen, bei dem ich entdeckte, was Empathie und Respekt in der Arbeit mit Klienten wirklich bedeutet. Wie ich mich so auf jemanden einstelle, dass ich über kleinste und unbewusste Veränderung der Atmung, Gesichtsfarbe und Mimik auch bei inhaltsfreier Arbeit, die innere Bewegung der Emotionen wahrnehme. Welchen Unterschied es macht, auf welcher Ebene das Problem eines Klienten sich befindet, im Verhalten, den Fähigkeiten, den Werten, der Identität oder vielleicht der Zugehörigkeit zu dieser Welt, der Spiritualität. Das kann ich allerdings nur herausfinden, wenn ich absolut offen und neugierig bin und die Fragen so stelle, dass der Patient sie beantwortet und ich sie nicht mit meinen Interpretation fülle.

Am meisten habe ich verstanden, indem ich die Gelegenheit nutzte, meine eigenen Themen zu bearbeiten, in der Lebenswegarbeit mit der Timeline, in der Arbeit mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen, Glaubensätze entdeckte und verwandelte oder durch den Einsatz von Metaphern in der Trance Sprache.

Das Qi folgt dem Geist. Und den Geist gilt es, auf einer Reise zu begleiten, die der Bestimmung wieder näher kommt. Eine Nadelung von Le 3 bei Qi Stagnation oder von He7 zur Beruhigung des Geistes wird das Qi in Bewegung bringen und auch den Shen nähren und somit eine Linderung herbeiführen. Doch eingefahrene Muster der Psyche haben eine hohe Kraft, das Ungleichgewicht wieder herzustellen. So wie ein Milz-Herz Block im Verlaufe der Organuhr in dem Erklärungsmodell nach den 5 Elementen wieder kehrt, wenn Ideen und Erkenntnisse in den Gedanken stecken bleiben und nicht von dem Herzen verinnerlicht werden. Eine Begleitung mit dem Wort kann einen Therapieprozess beschleunigen und vertiefen.

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Anschrift der Verfasserin
Michaela Molzahn
Praxis Wandlungspunkte
Poppenbüttler Hauptstr. 54b
22399 Hamburg
Fon: 040 - 86 62 59 35



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