BERACHTUNG

20 Jahre Homöo-Set: Taschenapotheken und mehr ...

Von Eugen Eschenloher

Begonnen hat alles 1986 – mit einem grübelnden Kopf, Lederresten sowie einer Nähmaschine:
Dem Schwager, einen Homöopathen, sollte ein selbst gefertigtes Weihnachtsgeschenk helfen, Ordnung in seinen Medikamentenschrank zu bringen: Die Hobbynäherin und Lederliebhaberin Frau Schaich-Tögel fertigte ihre erste homöopathische Taschenapotheke!

Der Beschenkte war von der Idee und von dem was er vor sich hatte, begeistert, dachte an seine Leidensgenossen und meinte: “Das wär doch was für alle Kollegen” – Homöo-Set war geboren!

Aus einer Idee wurde ein Handwerksbetrieb, aus einer einzigen Nähmaschine mehrere, aus dem “Urmodell” Taschenapotheke viele verschiedene Formate und Größen in über 10 verschiedenen Farben für verschiedenste Zwecke: Vom 10er Mäppchen oder Röllchen als Begleiter bei Bergtouren oder Ähnlichem bis hin zu den großen Geschwistern für über 1000 Fläschchen für Praxisapotheken bzw. Testsysteme, zum großen Teil auf Anregungen zufriedener Verwender. Schön sind sie alle – zum Tasten, Sehen, Wertschätzen. All das kann man besonders, wenn man hinter die Kulissen blickt:

Durch die Ledermanufaktur der Fa. Homöo-Set im schwäbischen Dietenheim geht man am besten mit offenen Sinnen, um das zu erleben was hier in traditioneller Handwerkskunst und mit viel Liebe für naturheilkundliche Therapeuten aus einem Naturprodukt gefertigt wird: Individuelle, hilfreiche und schöne Lösungen für die Praxis.
An der Lagerwand hängen sie aufgereiht, in vielen schönen, verschiedenen Farben:
Mehrere Quadratmeter große Häute von Rindern, welche aus dem nahen Allgäu stammen, einer klassischen Milchviehregion mit artgerecht gehaltenen Tieren, deren Heimat Wiesen und Weiden des Voralpenlandes sind.

Im Unterschied zu Konkurrenzprodukten wird bei Homöo-Set ausschließlich hochwertiges, strapazierfähiges Vollrindleder und weder Spalt- oder Kunstleder verarbeitet. Gegerbt und gefärbt wird das Rohmaterial ebenfalls regional, um unnötige Transportwege zu vermeiden. Niedrige Preise durch minderwertige Materialien oder geringe/fehlende Umweltstandards beim Gerben und Färben im Ausland sind für Homöo-Set tabu.

Die Philosophie des Unternehmens:

Naturheilkundliche Mittel zur Gesundung von Menschen gehören in einwandfrei hergestellte Taschenapotheken; der Benutzer soll damit lange Zeit Freude und keinen Ärger haben.
Sehr angenehm fühlen sich die pflanzengegerbten Leder an, sie sind richtige Schmeichler und sprechen den Tastsinn des “manuellen Betrachters” an. Als Gerbstoffe kommen dabei Fruchtschoten des Tarabaumes (Cesalpina spinosa) und verschiedene Eichenarten (Quercus valonea) zum Einsatz. Die Gerbeigenschaften derartiger Materialien beruhen auf einer Wechselwirkung mit den Kollagenfasern der Haut, wodurch sich die Häute zusammenziehen und somit erst haltbar, strapazierfähig und materialbeständig werden.
Jeder, der schon einmal frische Walnüsse aus ihrem grünen Mantel herausgeholt hat, bemerkt diesen “Gerbeffekt” über Tage und weiß dann zudem, warum aus Juglans regia auch Pflanzenfarben gewonnen werden.

Anmerkung: Aufgrund ihres adstringierenden Effektes werden Gerbstoffe wie z.B. tanninhaltige Drogen, Eichenrinde, Ratanhia- und Tormentillwurzel auch in der Medizin (z.B. für Sitzbäder; bei Entzündungen des Mund- und Rachenraums) verwendet. Sie haben darüber hinaus aber aufgrund ihres physikalischen Effekts auch noch antimikrobielle Eigenschaften. Ferner werden Gerbstoffe als Antidiarrhoika eingesetzt.

Unser weiterer Rundgang in der Manufaktur (“Von Hand gefertigt”) bringt uns in die eigentliche Werkstatt, das Reich flinker Finger und geschickter Hände, zwei ureigene Merkmale von klassischen Handwerksberufen. Im Nebenraum saust eine schwere Stanzpresse nach unten und zwingt den großen Häuten mit Hilfe von Metallmatritzen die vorgegebenen Formate ab. Für jede Taschenform und jedes Element ein anderes Stanzwerkzeug, da heißt es das richtige von den vielen an ihren Wandhaken auswählen.
Selbst die Lederreste aus der Stanze werden noch an einen anderen Betrieb weitergegeben und weiterverarbeitet zu Patchworkprodukten o.ä. – manch einer wird sagen “typisch schwäbisch eben”, manch anderer wohl eher “nachhaltig ökologisch und ressourcensparend”.

Um zu sehen, was alles in so einer – noch leeren – Tasche drinsteckt, muss man schon genau hingucken. Am Zuschneidetisch sieht man die Einzelteile, die dann die Näherinnen und Täschnereien zum kleinen Gesamtkunstwerk zusammenfügen:

– Außenseiten, Innenseite, Vorder- und Rückseite der Innenfächer jeweils aus Leder
– Futteral, verklebt mit dem Leder
– Schlaufen zum Aufnehmen der diversen Gläschen aus elastischem Gummiband
– Ein Reißverschluss mit kleinem Abschlusszopper aus Leder

So besteht beispielsweise eine mittelgroße Tasche für 240 Mittel aus knapp 20 Einzelkomponenten, welche zu einem harmonischen Miteinander zusammengefügt werden wollen.

Die Täschnerinnen (Fachberuf für die Lederverarbeitung) sind mit dem Aufbau der “Karosse” beschäftigt, dem Einfügen des Futterals sowie der richtigen und dauerhaften Verklebung der einzelnen Elemente. Rhythmisches Hämmern dringt dabei in das Ohr des Besuchers, wenn mit viel Gefühl und einem speziellen Stein Klebekanten durch Klopfen fest verbunden werden.
An den Nebentischen surrt es, flinkes Treiben bestimmt die Arbeit an den Nähmaschinen. Ich und sicherlich viele Männer denken da oft mit Sorge an die eigenen Finger. “Mann” würde sich da anstellen wie ... na, Sie ahnen es!

Genauso beeindruckend wie die Geschicklichkeit und Wendigkeit dieser Frauen ist auch die sorgfältige und gleichmäßige Vernähung der Laschen mit dem Gummiband. Aufwendig durchgenäht von vorn bis hinten sind diese Elemente und sehen aus wie “vom Automaten” genäht. Gekonnt ist eben gekonnt. Nach dem Einnähen des Reißverschlusses werden noch die überstehenden Fäden abgeschnitten und die Enden versengt, damit der Faden nicht aufgehen kann.
In der einzig mir bekannten heimischen Lederwerkstatt für Taschenapotheken zeigt sich viel Herz und Verstand.

Der Kreis schließt sich, der Rundgang führt uns wieder am Versandtisch und den locker aufgehängten Lederhäuten vorbei in den kleinen Laden, wo wir die vielen, mittlerweile bekannten Farben gleich wieder erkennen: Schön aufgereiht, nach verschiedenen Größen sortiert und neugierig darauf, welche Therapeuten “irgendwo da draußen” sie zeitlebens erfreuen können.

...

Anschrift des Verfassers:
Eugen Eschenlohr
Apotheker
Steierl Pharma GmbH
Mühlfelder Str. 48
82211 Herrsching



weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis 05/2007

Naturheilpraxis 05/2007