Magdalene Madaus und die Komplexmittel

von Klaudia Schnepp

Dieses Jahr wäre Magdalene Madaus 150 Jahre geworden. Ihren ersten Zugang zur Homöopathie fand sie als junge Mutter. Sie hatte zu der Zeit schon einen doppelten Leidensweg hinter sich: selbst litt sie unter einer schweren Gebärmutterentzündung und zusätzlich erkrankte ihr Sohn Hans an Polio. Schließlich kam sie zu Emanuel Felke, der sie durch die Gabe bestimmter Kombinationen von Einzelmitteln heilte und unter dessen Therapie Hans Madaus wieder laufen lernte.

Diese Erfahrungen weckten bei Magdalene Madaus das Interesse für die Homöopathie und dieses Interesse machte aus ihr eine erfahrene und kompetente Homöopathin, die, immer hilfsbereit, das Wissen ihres Lehrers intensiv nutzte, weiter fortführte und ausbaute. So wurde sie zur Wegbereiterin der modernen Komplexmittelhomöopathie, die bis heute ihre Handschrift trägt.

Unter den Homöopathen galt zu Zeiten Magdalene Madaus’ noch die Meinung Samuel Hahnemanns, der als klassischer Homöopath die Komplexmittel ablehnte. Emanuel Felke, selbst Anhänger von Hahnemann, verordnete jedoch chronisch Erkrankten häufig mehrere Arzneistoffe gleichzeitig, von deren ‚komplexer Wirkung’ er überzeugt war. Diese Wirkung lässt sich ganz einfach erklären. Damals wie heute ist die Wahl eines Einzelmittels schwierig, oft fehlt die Zeit oder der Patient ist nicht in der Lage, die für die Bestimmung notwendigen Details richtig zu berichten. Daher werden Einzelmittel mit ähnlichen Arzneimittelbildern kombiniert, die sich ergänzen und fein aufeinander abgestimmt sind. So führen sie am Patienten zu einer deutlich besseren Wirkung.

Komplexmittel unter Beweis

Diese Beobachtungen wurden schließlich durch pharmakologische Untersuchungen zur therapeutischen Wirksamkeit bestimmter Substanzen von Prof. E. Bürgi theoretisch und von F. E. Koch klinisch bestätigt.
Koch führte einen Versuch mit Diphteriebakterien durch. Er überprüfte die Wirksamkeit von Mercurius cyanatus Oligoplex gegenüber Einzelmitteln und stellte fest, dass die Wirkung des Oligoplexes 250fach stärker war.
So gesellte sich zu dem bisher allein stehenden Satz von Hahnemann

‚In keinem Falle von Heilung ist es nötig, mehr als eine einzige einfache Arzneisubstanz auf einmal anzuwenden.’

der Satz von Bürgi:

„Zwei Substanzen, welche die gleiche Funktionsänderung bzw. dasselbe Krankheitssymptom beseitigen, addieren sich in ihrer Wirkung, wenn sie die gleiche, und potenzieren sich, wenn sie verschiedene Angriffspunkte haben.“

Nun ist Diphterie heutzutage zum Glüc selten geworden, doch Mercurius cyanatus Oligoplex (heute leicht abgeändert als Mercurius cyanatus N Oligoplex) wird weiterhin unterstützend bei Halsentzündungen eingesetzt.

Eine Systematisierung der Komplexmittel erfolgte zum ersten Mal durch Magdalene Madaus in ihrer Praxis. Durch ihre praktische Tätigkeit erarbeitete sie sich ein enormes Wissen und erweiterte die gelernten Vorgaben ihres Lehrmeisters E. Felke. Sie erschuf ein Therapiesystem mit 121 Komplexmitteln, die sie schließlich Oligoplexe nannte. Unter diesem Namen sind sie bis heute erhältlich. Dieses Therapiesystem setzte sie in ihrer Praxis ein und stellte es in enge Verbindung mit der Augendiagnose. In der eigenen Familie und im Freundeskreis überprüfte und erweiterte Frau Madaus die von Felke übernommene Diagnosetechnik. Sie war es, die die zirkuläre Topographie und die Iris-Konstitutionen entwickelte. Diese wurden von ihrer Tochter Eva Flink (1886–1959) weiter ausgebaut und an ersten Schulen für Iridologen, dem Lehr-Institut „Iris“ in Bonn, unter Leitung von Magdalene Madaus gelehrt. Ihr begeisterter Schüler Ernst Hugo Kabisch wiederum war es, der als erster die Irisdiagnose systematisierte und in Uslar 1959 den Uslarer Kreis als Fortbildungsinitiative ins Leben rief.

Ihre Mischungen ließ Magdalene Madaus schon 1911 in einer Apotheke in größerem Maße herstellen. Schließlich waren es ihre Kinder, die die Arzneimittelfabrik Madaus gründeten, die bis heute die Oligoplexe herstellt und vertreibt. So gehörte sie zu den ersten, die Komplexmittel in großen Mengen produzierte und verkaufte.
Aus der Praxis für die Praxis – dieses Motto verfolgte Magdalene Madaus, als sie ihr Therapiesystem entwickelte. Dies hat zur Folge, dass viele Therapiegebiete abgedeckt wurden.

Komplexmittel und Rheuma – ein Beispiel

In der Schulmedizin stellen die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) die klassischen Rheumamittel dar. Sie hemmen die Prostaglandinsynthese und bremsen auf diese Wiese den entzündlichen Prozess sowie die damit verbundenen Symptome: Schmerzen, Schwellung und Bewegungseinschränkung. Allerdings zeichnet sich diese Medikamentengruppe durch eine Reihe von Nebenwirkungen aus, die vor allem in der Langzeittherapie deutlich werden. Besonders oft ist der Magen-Darm-Trakt betroffen, aber auch Nieren-, Blutbild- und Hautveränderungen werden als Medikamentenfolge beobachtet. Viele Patienten, die vor der Wahl stehen, entweder eine Verschlechterung ihres Zustandes oder das Risiko erheblicher Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen, wünschen sich daher eine Behandlung mit alternativen Heilmitteln.

In einem Komplexmittel, das für einen solchen Patienten ausgewählt wird, sollte auf keinen Fall Rhus toxicodendron fehlen. Ergänzt wird es idealerweise durch Bryonia, Ledum, Ruta und Spirea ulmaria (z. B. in Rheumeda enthalten). Alle Bestandteile wirken im Bereich der rheumatischen Beschwerden und ergänzen sich in ihrer Wirkung.
Sollte sich hierdurch keine Besserung zeigen, so kann eine Kombinationstherapie mit Komplexmitteln versucht werden. Hierdurch ergeben sich wesentlich mehr Ansatzpunkte.
Besonders bewährt hat sich eine Kombination von Rhus toxicodendron D4 und Bryonia D3 (z. B. in Rhus toxicodendron N Oligoplex) im Wechsel mit Berberis D2, Abrotanum D1, Colchicum D4, Gnaphalium polycephalum D3 und Ledum D3 (z. B. in Berberis N Oligoplex).
Sollten die Schmerzen plötzlich und sehr heftig auftreten, so kann begleitend ein Komplex aus Gelsemium (D4), Aconitum D4, Gnaphalium polycephalum D2, Mezereum D4, Paris quadrifolia D2 und Ranunculus bulbosus D3 (z. B. in Gelsemium N Oligoplex) gegeben werden.

Magdalene Madaus in der heutigen Zeit?

Hätte Magdalene Madaus in der heutigen Zeit gelebt, wer weiß, was aus ihren sehr guten Ansätzen geworden wäre. Denn im Rahmen der Reglementierungen, Vorgaben und Gesetze, die an die Homöopathie gleiche oder ähnliche Ansprüche stellen wie an die Schulmedizin, wären einige der sehr guten Ansätze sicherlich nicht für die breit angelegte Therapie zugänglich geworden. Eine Kontrolle ist bei der Vielzahl an Medikamenten sicherlich richtig, doch die Homöopathie bleibt eine empirische Wissenschaft mit beachtlichen Erfolgen.

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Anschrift der Verfasserin:
Dr. Klaudia Schnepp
Johannes-Holtmann-Str. 6
42349 Wuppertal



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