Komplexhomöopathie

Einerseits und Andererseits – die Komplexhomöopathie

von Erwin Stutz

Der Patient als Individuum

Nach dem Psychoanalytiker Wilhelm Reich ist die am wenigsten unterdrückbare Sünde, nämlich die der Unkeuschheit, das 6. Gebot, eingeführt worden, um die Menschen wenigstens auf staatsbürgerlichem Gebiet, wo es nicht ganz so schwer fällt, sich ruhig zu verhalten, zu disziplinieren.

Bei Diskussionen über die Homöopathie, aber auch in Veröffentlichungen habe ich den Eindruck, daß die reine Lehre der Einzelmittelhomöopathie die meisten Anhänger hat, obwohl die Statistik uns zeigt, daß bis zu 90% der Naturheilpraxen Komplexhomöopathie anwenden. Heißt das, wenn wir schon sündigen, machen wir´s wenigstens heimlich? Die Entwicklungen auf dem Arzneimittelsektor in letzter Zeit zeigen klar, daß die 90% keine Stimme haben. Nehmen wir als Beispiel die neuen Dosierungsrichtlinien: möglichst selten, vielleicht 1 bis 3 mal 5 Tropfen. Das wäre das Ende der Komplexhomöopathie. Ein Resultat unserer Komplexe, nämlich derer im Kopf? In einer groß angelegten Umfrage der FAKOM und der Zeitschrift Naturheilpraxis zur wirkungsvollen Dosierung von Komplexmitteln hatten doch viele Anwender den Mut, ihre Erfahrungen bekannt zu machen und die behördlich verordneten Dosierungsvorschriften als unsinnig erklärt. Ein weiteres Beispiel ist der neue Aufdruck auf unseren Packungen „registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation“. Diese Vorschrift zeigt völliges Unverständnis für die Komplexhomöopathie, die ja häufig nach Indikationsgebieten zusammengestellt ist und es ist auch nicht schlüssig ein besseres Wissen um die Einzelmittel zu fordern. Das Komplexmittel ist meist nicht die Summe der Einzelmittel, sondern je nach Arzneimittelsystem eine Visitenkarte oft genialer Empiriker mit sehr differenzierten Absichten. Ein eher selbstgemachtes Problem resultiert aus dem manchmal fehlenden Verständnis der Quellen. So wird oft, wie es scheint leichtfertig, aber auch aufgrund von behördlichen Hürden, die ein oder andere Substanz aus dem Komplex genommen und die Anwender wundern sich, daß ihre „Rosinen“ nicht mehr funktionieren.

Hahnemann und seine Schüler

In meinen Artikeln „Tief sind die Wurzeln der Komplexhomöopathie“ und „Komplexhomöopathie: gestern, heute, morgen in der NHP 4/04 und 3/06 habe ich ein paar Begründungen für das Einsetzen von mehr als einem Mittel aus der historischen Entwicklung der Homöopathie beschrieben. Bekannte Namen, wie Aegidi, A. Lutze oder Bönninghausen, alle in Korrespondenz mit dem ´Meister` hatten die Erfahrung, aber auch das Selbstbewußtsein den autoritären Satz:“ macht´s nach, aber macht´s genau nach“, ausgerechnet von einem widdergeborenen lehrgebäude-einreißenden Unruhegeist, wie Hahnemann einer war, dort hinzustellen, wo er hingehört, in den historischen Kontext. Dadurch brachen sie Dämme ein, die es den Enkeln, Stauffer, Stiegele oder Metzger erst ermöglichte ihre großen Erfolge mit der klinischen Homöopathie zu feiern.

Felke und die Komplexhomöopathie

Wir können und dürfen die eigentliche Komplexhomöopathie nicht nur als Abweichungen oder Weiterentwicklung Hahnemann´scher Gedanken begreifen.
Die Denkansätze gehen zurück auf humoralpathologische Vorstellungen eines Hippokrates, auf die Einführung von Konstitutionselementen durch Galen, aber auch auf Paracelsus mit seiner Forderung: „die Natur sei eure Apotheke“.

Der Erste, der das in neuerer Zeit und umfassend in die Praxis umgesetzt hat, war Emanuel Felke. Mit seinem Konzept der Anwendung der 4 Elemente, Erde, Wasser, Luft und Wärme kurierte er Tausende von Hilfesuchenden. Er war so konsequent, daß er seine Patienten unbekleidet in seinem Park sich bewegen ließ, was in der damaligen prüden Zeit natürlich die Kirche gegen ihn aufbrachte - sicher nicht so einfach für den Pastor. Er hatte auch den Mut, trotz großer Kenntnisse homöopathischer Einzelmittel aufgrund seiner Erfahrung und der Unmöglichkeit einer gründlichen Repertorisation, bei bestimmten Erkrankungen gleiche oder ähnliche Mischungen zu verabreichen. Nachdem sein Erfolg nicht zu übersehen war, zog er eine ganze Reihe von Homöopathen an, die diese Kombinationen überprüften und zum Teil auch ihre eigenen Ideen weiter entwickelten. Fast alle heutigen homöopathischen Komplexmittelsysteme gehen direkt oder als Nachfolgesysteme indirekt auf diese Zeit zurück.

Augendiagnose und Komplexhomöopathie

Haben wir Komplexe bei der Ausübung der Komplexhomöopathie?

Ist die „reine Lehre“ realistisch?

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Anschrift des Verfassers:
Erwin Stutz, Heilpraktiker
Präsident der FAKOM
Senftenau 2
88131 Lindau



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Naturheilpraxis 03/2007