HPA-Extrablatt

Zur Rechtsgeschichte der Heilpraktikerschaft - Teil 2 - Das Dritte Reich

von Karl F. Liebau

Teil 1 - Von den Anfängen bis ins Dritte Reich

HPA-Extrablatt präsentiert die Geschichte der Heilpraktikerschaft, aus der immer mehr eine Rechtsgeschichte wird, die Rechte und Pflichten beschreibt und auf diese Weise den Status des Heilpraktikerberufs in all seinen Facetten herausschält, um auch Überlegungen über mögliche Zukunftsperspektiven anzustellen. „Naturheilpraxis“ hat die Entwicklung der Heilpraktikerschaft nach dem Krieg seit 1947 begleitet und hat stets über wichtige Ereignisse berichtet, die sich als Mosaiksteine schließlich zu dem heutigen Bild zusammenfügen. Geschichte ist lehrreich und die Kenntnis derselben fördert die Autonomie der eignenen Meinung gegenüber sich oft widersprechenden berufspolitischen Aussagen von Verbänden und Gruppierungen.
Die Redaktion

„Wiege und Grab zugleich“ sollte das 1939 erlassene „Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)“ für den Berufsstand der Heilpraktiker im Dritten Reich sein. Der Zwangsverband „Deutsche Heilpraktikerschaft e.V.“, in dem jede Heilpraktikerin und jeder Heilpraktiker verpflichtend Mitglied zu sein hatte, war freilich nur der verlängerte Arm der Politik und nahm diesbezüglich „hoheitliche“ Rechte war. An der Spitze stand der von der Regierung des Dritten Reichs eingesetzte Reichsheilpraktikerführer Ernst Heinisch. Die Konstruktion des Zwangsverbandes musste zweckdienlich sein und einen Durchsatz von der Spitze bis ins letzte Mitglied gewähren. So unterstanden dem Reichsverband die einzelnen Landesverbände, diese waren wiederum in regionale Bezirke untergliedert. Die Vorstände der Landesverbände und Bezirke wurden unter den damals gegebenen Umständen mehr oder weniger bestimmt.

Die dem Verband verordnete „Berufsordnung für Heilpraktiker –BOH“ wurde in all ihren Paragraphen sozusagen als Standesordnung in aller Konsequenz durchgesetzt. Sie enthielt beispielsweise allerstrengste Wettbewerbsregeln im Verkehr mit der Öffentlichkeit, die den einzelnen Heilpraktiker bis zur Unkenntlichkeit beschnitt. Die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ war verbindlich zu führen, weitere Angaben z.B. von Therapien oder ähnliches waren nicht erlaubt, weder in Telefonverzeichnissen noch auf Briefbögen oder Rezepten.

Die BOH schrieb eine Fortbildungspflicht vor, die gleichfalls mit aller Strenge durchgesetzt wurde. War jemand diesbezüglich säumig, wurde er vom Zwangsverband der unteren Verwaltungsbehörde gemeldet, die daraufhin seine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde kassierte. Die Fortbildung orientierte sich am Spektrum der Tätigkeitsberechtigung, wurde aber durch staatliche medizinische Gremien vorgegeben und kontrolliert. Hieraus ergibt sich, dass der Tätigkeitsberechtigung als Heilpraktiker sehr strenge Verpflichtungen in Bezug auf permanente Fort- und Weiterbildung gegenüberstanden – obgleich der Berufsstand um Aussterben bestimmt war und für die Zukunft nicht etwa ein neben dem Arzt selbständig tätiger Heilberuf beabsichtigt war.

Wenn man dennoch diese Pflichten einmal der heutigen Situation gegenüberstellt, so ist der gesamte Bereich der Fortbildung rechtlich gesehen „lediglich“ in die Eigenverantwortung gestellt und die Pflichten, die sich prospektiv aus dem BGH-Urteil über die Sorgfaltspflicht ergeben, werden nach eigenem persönlichen Ermessen erfüllt. Hier leisten die Verbände, die die stark abgespeckte und modifizierte sogenannte „BOH“ als Vereinssatzungsbestandteil adaptiert haben, eine ganz wichtige Hilfestellung zur Erfüllung diesbezüglicher zeitgemäßer Pflichten eines freien Heilberufs.

Bevor man das Dritte Reich nach dessen Ende und fulminantem Zusammenbruch geschichtlich verlässt, sollte man doch im Hinterkopf behalten, daß die Zulassung zu einem Beruf, der zum Aussterben bestimmt war, aus einer zweigeteilten Zulassungsüberprüfung bestand: mit einmal dem sehr wichtigen fachlichen Teil vor dem Berufsverband, dessen erfolgreiches Bestehen erst zu der Überprüfung der verlangten Regularien durch die untere Verwaltungsbehörde führte.

Unter dem Strich war der Heilpraktikerberuf im Dritten Reich nicht nur ein medizinisch streng überwachter, sondern auch ansonsten kein privilegierter Beruf sondern eher durch die beabsichtigte Aussterbelösung ein in gewisser Weise stigmatisierter.

So mancher Versuch, sich als „Einzelkämpfer“ die notwendigen Freiheiten in der Ausübung der Naturheilkunde zum Wohle der Patienten zu verschaffen, wurden im Keime erstickt. Man konnte diesbezüglich damals nicht von der Ausübung eines freien Heilberufs in unserem heutigen Sinne sprechen.

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Naturheilpraxis 02/2007