Die Heilkunde unserer Vorfahren

von Birgitta Neubert

Der Heilkunst unserer heimischen, germanischen Vorfahren wird in der medizingeschichtlichen Literatur meist wenig Beachtung geschenkt. Die großen heilkundlichen Traditionen der griechischen und römischen Antike sowie des vorderen Orients bestimmen unser Geschichtsbild. Für diese selektive Wahrnehmung ist sicher eine sehr dürftige Quellenlage, die wenig konkrete Zuordnungen erlaubt, verantwortlich. Leider haften der Thematik, besonders was den Bereich der Runenmagie betrifft, auch noch die unseligen Verstrickungen, die in der Zeit des 3. Reiches entstanden an. Die Wiederentdeckung und Neubewertung der Ethnomedizin, alternativer und alter Heilmethoden, wie beispielsweise Schamanismus und Phytotherapie vermitteln uns einen neuen Focus auf die Heiltechniken unserer Ahnen.

In der therapeutischen Arbeit sind uns 4 unterschiedlichen Bereiche der Heilkunst überliefert: Heilmagie, effiziente Wundversorgung, Behandlung mit pharmazeutischen Wirkstoffen aus dem Mineral-, Tier- und Pflanzenreich und die Behandlung durch besondere Personen, wie Priester und Könige sowie die Lachner.

Die Diagnosestellung erfolgte durch die fünf Sinne, das Betrachten der Wunden und des Körpers, das Tasten zur Beurteilung von Verletzungen, der Geruchssinn zum Erkennen von Infektionen und Verletzungen im Magen-Darm-Trakt, den Geschmackssinn zum Erkennen von Hohlwunden und der Gehörsinn zum Erkennen von Zischlauten beispielsweise bei Thoraxverletzungen. Ein Blutgeschmackstest und das Verabreichen eines Lauchgerichtes sind besondere und einmalige Diagnoseverfahren, deren korrekte Handhabung leider nicht mehr bekannt ist.

Ein wichtiger Schwerpunkt der täglichen Heilarbeit lag in der Versorgung von Wunden und der Behandlung von Knochenbrüchen. Offensichtlich ist diese Arbeit von guter Qualität gewesen. In der Osteologischen Sammlung der Universität Tübingen, in der Hunderten von Skeletten und menschliche Knochenreste aus aller Welt lagern, erhalten wir erstaunliche Einblicke in das medizinische Wissen und die verschiedenen Heilungsmethoden der Vergangenheit. Besonders Funde aus dem 6. und 8. Jahrhundert zeigen, dass Knochenbrüche sehr fachmännisch behandelt wurden.

Die Knochenbrüche aus dieser Zeit sind ausgezeichnet zurückgesetzt – was zum schnellen und geraden Zusammenwachen der gebrochenen Knochen führte. Im Mittelalter verschlechterte sich die Behandlung erheblich. Teilweise wurden die Knochen gar nicht mehr zurückgesetzt, sie wuchsen krumm zusammen, was für die Menschen natürlich mit großen Schmerzen verbunden war.

Phol ende uuodan
uuorun zi holza.
du uuart demo balderes uolon
sin uuoz birenkit.
thu biguol en sinthgunt,
sunna era suister;
thu biguol en friia,
uolla era suister;
thu biguol en uuodan,
so he uuola conda:
sose benrenki,
sose bluotrenki,
sose lidirenki:
ben zi bena,
bluot zi bluoda,
lid zi geliden,
sose gelimida sin.
Phol und Wodan
ritten ins Holz.
Da wurde dem Fohlen Balders
der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt
und Sunna, ihre Schwester;
da besprach ihn Frija,
und Volla, ihre Schwester;
da besprach ihn Wodan,
wie nur er es verstand:
Sei es Knochenrenke,
sei es Blutrenke,
sei es Gliedrenke:
Knochen zu Knochen,
Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern,
als ob geleimt sie seien.

...

Anschrift der Verfasserin:
Birgitta Neubert
Heilpraktikerin
Müdenkamp 13a
32657 Lemgo
Tel.: 05261 / 21 70 26
E-Mail: Birgitta-neubert@t-online.de



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