Phytotherapie

von Peter Germann

“Jeder Mensch hat seine eigene Diskretio.”
Hildegard von Bingen

Der Patient als Individuum

Bei einer Fernsehdiskussion “Sellerie verus Viagra”, zu der ich geladen war, wurde mir bewusst, dass die Meinung vorherrscht, eine genau definierte Erkrankung benötige eine genau benennbare Substanz, wo dann nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip Genesung eintritt.
Wir alle wissen aus der Praxis, dass dies nicht stimmt!

Auf naturheilkundlichen Fortbildungen behaupten Referenten immer wieder, dass schwerwiegende, seit zwanzig Jahren chronisch bestehende Symptome durch die Verabreichung des Medikamentes “XYZ” der Firma “Pfefferminzia” mit drei mal drei Tropfen täglich verschwunden waren und nicht mehr auftraten. Früher war ich von solchen Aussagen fasziniert, zweifelte aber gleichzeitig an meinem Können, da ich bei gleicher Symptomatik diese Erfolge in der Regel nicht hatte. Heute glaube ich den Kolleginnen und Kollegen das einfach nicht mehr.

Jedes Krankheitsbild und jeder Symptomenkomplex ist abhängig von der individuellen Prägung des Patienten. Selbst bei Infektionskrankheiten gilt der Satz, der die persönliche Bereitschaft vor den Mikroorganismus stellt:

Der Erreger ist nichts, das Milieu ist alles.

Wie schwierig wird das therapeutische Vorgehen erst bei beispielsweise allergischen Reaktionen. Genotypische Faktoren, chemische Noxen, psychische Muster, Reaktionen auf Stressproteine überzüchteter Nahrungsmittel, Genussgifte, Fokalgeschehen, physikalische Belastungen durch Strahlungen jeglicher Art, Altlasten im Lymphsystem und so weiter zeigen den individuell gefüllten “Reckeweg’schen Ascheneimer”, der zur Reaktion des Körpers führt – übrigens im Sinne einer Selbstregulation. Diese komplexe Vielfalt ist bestimmt nicht mit “Allergie weg” in den Griff zu bekommen.

Es muss therapeutisch immer breitbandig und in Kombination gearbeitet werden.

Diagnoseaussagen

Volhard prägte den Ausspruch:

“Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt...aber jede Diagnose bleibt solange ein Geschwätz, solange sie nicht therapeutisch weiterhilft.”

Das Konglomerat der unterschiedlichen Diagnoseaussagen verdichtet das therapeutische Konzept.

Erste Hinweise ergeben sich aus der Anamnese, die Augendiagnose lässt Aussagen zur Konstitution sowie Zeichenzuordnungen aus Iris und Skleren zu, wobei der Schwenktest aus dem Urin ein differenziertes Bild des Verdauungssystems gibt. VEGA-Testungen erheben einen Zahncheck und über Rayonex sind einzelne Organe, Erreger, Parasiten sowie Allergiereaktionen näher zu diagnostizieren. Weiterhin ergeben Aderlassanlayen Aussagen zu Dispositionen und Diathesen, der Spenglersan- Kolloid- Test untermauert unter anderem Herdverdachte, eine psychische Anamnese und ein Check des Bewegungsapparates runden das Bild ab.
Nun müssen die aufgezählten Diagnosemöglichkeiten sicherlich nicht bei jedem Patienten ablaufen, man kann auch Überdiagnostizieren, aber je chronischer und schwammiger ein Symptomenkomplex sich darstellt, desto differenzierter sollte die Vorarbeit sein.

Diagnose- und Therapiekonzept entstehen aus der Praxisarbeit oder wurden durch Empfehlung übernommen. Sie sind kein persönliches Eigentum. So sollte der Patient und der eventuell parallel mitarbeitende Therapeut immer über die Vorgehensweise aufgeklärt werden.

Vor kurzem bekam ich von einem Kollegen ein Schreiben, der zwecks Ruhestandes seine Praxis aufgab und mir für die Summe X ein Konzept zur Raucherentwöhnung anbot. Gleichzeitig sollte ich mich durch Unterschrift eines beiliegenden Schreibens verpflichten, gegenüber anderen Stillschweigen über Medikamentation und sonstigen Vorgehensweisen zu bewahren, da er das Urheberrecht der Zusammenstellung besäße und mich dann regresspflichtig machen könnte. Ich habe das Schreiben in meinem Ordner “Skurriles aus dem Fachkreis” abheftet.

Iriskonstitutionen und das persönliche phytotherapeutische Konzept

Lymphatische Konstitution

Es zeigt sich eine blaugraue, selten schwach pigmentierte Iris mit feiner Stromaführung (siehe Naturheilpraxis 02/2007).
Radiäre sowie verwischte Streifungen. Die Bildung transparenter, diffuser Wolken in der Ziliarzone deuten eine zunehmende Reizbarkeit des Lymphsystems an.
Konstitutionell stehen die Unterstützung im Lymph- und drüsigen Bereich im Vordergrund.
Therapeutisch ist Juglans folium (Walnussblätter) in einer Teemischung primär zu nennen.
Sie aktivieren die Lymphkinese und entgiften auch dieses System.
Rpcd. Tumoglin H (Pflüger) 100.0 3 x 30 Tr. tgl. (bewusst ist die angegeben Dosis erhöht)
Geranium robertianum (Stinkender Storchenschnabel) aktiviert den Lymphfluss, entgiftetet das System und geht therapeutisch gegen Drüsenschwellungen an.

Rpcd. Geranium robertianum Ø (ALCEA) 20.0; 3 x 3 Tr. tgl.

Bei Lymphstauungen sollte an den Steinklee (Melitotus officinalis) gedacht werden. Bei Patienten, die unter Marcumar stehen, kann er geringfügig in die Gerinnung eingreifen, muss es aber nicht. Das ist nachvollziehbar, da dieses Präparat aus den Wirkmechanismen des vergorenen Steinklees hergestellt wird.

Rpcd. Melilotus Ø (ALCEA) 20.0; 3 x 3 Tr. tgl.

An die Braunwurz (Scrophularia nodosa) sollte bei Lymphteemischungen gedacht werden (Scrophularia herba). Ihre Indikationen sind Drüsenschwellungen, Aktivierung des Lymphflusses und die Lymphentgiftung.
Braunwurz ist gut mischbar mit Viola tricoloris herba (Stiefmütterchenkraut). Die antidyskratische Wirkweise kommt dem Fliesssystem immer zu gute.

Hämatogene Konstitution

Therapieaufbau nach Diagnosestellung

Allergieschema (Beispiel)

Zusammenfassung

Der Beitrag sollte die Individualität und Vielfalt der einzelnen Krankheitsbilder und Symptomenkomplexe darstellen und darauf aufmerksam machen, wie persönlich auch die Therapie sein muss. Manchmal fragen junge Kollegen: “Was muss ich dem Patienten denn verordnen, dass seine Allergie verschwindet?” Dies ist vielschichtig und nicht mal eben zum Mitschreiben.

Allein die einfachen Hinweise aus dem Bereich der Augendiagnose lassen eine Therapiezusammenstellung zu, welche weitaus differenzierter ist, als nur Kompendium-Darstellungen zu folgen. Dies gilt für die Phytotherapie und andere Behandlungsmethoden auch.

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Literatur:
Joachim Broy: Die Konstitution – Humoral Diagnostik und Therapie, Klaus Foitzik Verlag (München), 1978
Gottfried Hertzka / Wighard Strehlow: Große Hildegard Apotheke, Bauer Verlag, 1989

Anschrift des Verfassers:
Peter Germann
Phytaro Heilpflanzenschule Dortmund
Im Karrenberg 56
44329 Dortmund



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