Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Behandlung einer Migräne unter stark belastenden äußeren Faktoren

Von Kunigunde Stolz

Zusammenfassung

Der hier dargestellte Behandlungsfall zeigt die homöopathische Behandlung mit Q- (LM-) Potenzen eines Mannes, der an Migräne leidet. Die täglichen oder zweitägigen modifizierten Arzneigaben ermöglichen auf den Therapieverlauf mit einer Anpassung der Gabengröße (Dosierung) auf die jeweilige Situation des Patienten zu reagieren. So wird dieser Vorteil der sachgerechten Behandlung mit Q-Potenzen deutlich.

Schlüsselwörter: Migräne, Gabengröße (Dosierung), Q-Potenzen, Lebensumstände.


Erstanamnese

Am 11.04.05 kam der damals 39jährige R.K. in die Praxis, nachdem bereits seine Frau und zwei seiner Kinder in Behandlung waren. Bei einer Körpergröße von 175 cm und einem Gewicht von 80 kg wirkte der Patient dabei aber schlank und schmal. Von Beruf Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik machte R.K. derzeit eine Umschulung zum Berufschullehrer und war bereits im Schuldienst, obwohl noch einige Prüfungen ausstanden. In seiner Freizeit ging er auf die Jagd. Der Patient hatte drei Kinder im Alter von damals 5 und 2 1/2 Jahren (Jungen) und eine kleine Tochter mit 10 Monaten. Die Familie wohnte mit der Mutter von R.K. in einem Haus und tauschte mit ihr die Wohnungen, weshalb größere Umbaumaßnahmen liefen. Es lebten deshalb alle fünf Personen seiner Familie in einem Zimmer, das übrige Haus war eine Baustelle.

Spontanbericht:

R.K. berichtete, dass er unter Kopfschmerzen leide. Dabei gebe es verschiedene Arten. Einmal einen Kopfschmerz, der in regelmäßigen Abständen ca. alle 6 Wochen auftrete. Dieser bestehe seit 10 Jahren. Er habe den Eindruck, es beginne mit einem Verspannungsgefühl im Schulter-Halsbereich, das sich zum Kopfschmerz steigere. Dabei trete die Empfindung auf, als ob die Augen herausgedrückt würden und als ob der Magen “abschalte”. Dies sei begleitet von Aufstoßen und einem Druckgefühl im Magen. Gleichzeitig gehe “der Kreislauf runter”. Darauf erfolge Erbrechen. Das Aufstoßen bringe keine Druckentlastung. Er sei dann total apathisch. Dabei bessere Hinlegen nicht, aber “langsam tun”. Morgens setze er sich auf im Bett und spüre als erstes in sich hinein, ob an diesem Tag wieder was kommen wolle. Nach 1-2 Tagen sei er “wieder in normaler Verfassung”, so die Worte des Patienten.

Des Weiteren gebe es gelegentlich einen Kopfschmerz, der sich wie verkatert anfühle. Er leide seit 10 Jahren an Nasennebenhöhlenentzündungen, die in den letzen zwei Jahren jedoch nicht aufgetreten seien. Er habe ein Haltungsproblem und sagte, die Verkrampfungen könnten von daher kommen. Er habe sich schon öfter schröpfen lassen, blutig und unblutig, das habe den Druck aus der Muskulatur genommen. Er trinke manchmal weniger als 2 Liter und habe den Eindruck, dass zu wenig Flüssigkeitszufuhr die Situation verschlechtere.
Insgesamt habe der erste Berufseinstieg zu einem deutlichen Einbruch seiner Gesundheit geführt, durch eine Arbeit auf einer Entsorgungs-Deponie, als er Wind und Wetter ausgesetzt gewesen sei. Nach einem Wechsel der Arbeitsstelle sei in der neuen Firma das Betriebsklima sehr miserabel gewesen. Auch habe er als Pendler täglich eine Strecke von 100 km zurücklegen müssen. Deshalb habe er umgeschult auf Berufsschullehrer, er habe so mehr Zeit für die Familie und die belastende Fahrerei falle auch weg. Damit gehe es ihm gut.
Seit 6 Monaten leide er noch an einem Schmerz im Ellbogen und Unterarm links. Er gehe alle 8-12 Wochen zum Blutspenden, ein Brauch, den er mit ehemaligen Bundeswehrkameraden pflege, um sich zu treffen und gleichzeitig was Sinnvolles zu tun. Dies mache er seit 1988/89.

Zur Zeit leide er an einer gewissen Antriebslosigkeit. Sein Wunsch sei, durch die homöopathische Therapie die Migräne loszuwerden und wieder vitaler zu werden.

Genauere Befragung des Patienten zum Spontanbericht:

Kopf:
Der Kopfschmerz sei in der Augen- und Jochbeingegend lokalisiert und beidseitig. Es sei ein drückender Schmerz. Er beginne bereits morgens im Bett, wenn er sich aufsetze, mit einem Spannungsgefühl im Schulternackenbereich, dann komme Aufstoßen bis zum Erbrechen, begleitet von einer totalen Apathie und den Kreislaufstörungen. Der Kopfschmerz steigere sich im Laufe des Tages und sei am schlimmsten am frühen Nachmittag. Ab 20.00 Uhr trete dann wieder Besserung ein. Die Druckempfindung im Oberbauch würde nur durch Erbrechen gebessert, Luftaufstoßen bessere nicht. Er spüre morgens einen leichten, dezenten Schwindel. Schwindel trete auch seit ca. 1 Jahr bei Augenbewegungen auf. Vom Kreislauf her habe er ein mattes Gefühl. Er mag dann am liebsten sitzen und keine Anforderungen von außen haben. Liegen bessere nicht.

Schlaf:
Der Schlaf sei zur Zeit häufig unterbrochen wegen der kleinen Kinder. Er schlafe in Rücken- oder Seitenlage. Träume seien eher selten.

Nase:
Er leide seit 10 Jahren an Nasennebenhöhlenentzündungen, die allerdings die letzen 2 Jahre nicht aufgetreten seien.

Ohren:
Er habe vermehrtes Ohrschmalz, berichtet der Patient auf Nachfrage.

Mund:
1997 seien 16 Amalgamfüllungen durch Gold ersetzt worden. Er knirsche mit den Zähnen im Schlaf.

Bewegungsapparat:
Er fühle sich insgesamt verspannt im Zervikalbereich. Er leide an einem Schmerz in der Ellenbeuge, der nach vorne in den Unterarm ziehe. Dieser verschlechtere sich bei Belastung. Er vermute, dass dieser Schmerz durch das Tragen der Kinder ausgelöst werde. Seit der Pubertät habe er einen leichten Rundrücken.

Haut:
Im Winter sei die Haut an beiden Schienbeinen extrem trocken und jucke. Sie fühle sich an wie Pergament. Eincremen bessere. Er habe ein großes Muttermal (8 x 4 cm groß) am rechten Oberschenkel gehabt, dunkel und behaart, das in 4 OP´s stückweise entfernt worden sei (1990-1993). Stechwarzen (Dornwarzen) an den Fußsohlen seien durch vereisen und andere übliche Mittel entfernt worden.

Durst:
Er bevorzuge temperierte oder heiße Getränke, vorwiegend Wasser und Apfelschorle, aber auch Kaffee.

Appetit:
Er beschrieb seinen Appetit als normal. Besonderes Verlangen bestehe nach Süßem wie Schokolade und Fruchtjoghurt. Auf Zwiebel reagiere er mit übelriechenden Blähungen, besonders wenn er außer Haus esse.

Urogenitaltrakt:
Während seiner Bundeswehrzeit seien Eiweißbeimengungen im Urin festgestellt, aber nicht therapiert worden. Er habe in seinem 14. und 15. Lebensjahr an einer Varikocele (Krampfaderbruch) gelitten, die beide Male operativ behoben worden sei. Gleichzeitig sei eine bestehende Phimose mitoperiert worden. Die Operationen seien ohne Komplikationen verlaufen.

Anus:
Er leide immer wieder an Juckreiz am Anus.

Impfungen:
Neben Polio, Diphtherie und Tetanus sei R.K. auch gegen FSME geimpft worden. Bei Impfungen in den Oberarm sei ein Anschwellen der Impfstelle zu beobachten gewesen.

Geist und Gemüt:
Herr K. beschrieb sich als reizbar und explosiv, wenn ein bestimmter Pegel erreicht sei, aber er beruhige sich auch schnell wieder. Das Wort “Druck” benutzte Herr K bei seinen Ausführungen häufig. Gefragt, was sein schönstes Erlebnis bisher war, nannte er die Geburt seines ersten Kindes. Das Schlimmste sei für ihn der Tod seines Vaters vor 10 Jahren gewesen. Er sei religiös. Auf seine Vitalität befragt, antwortete er, zur Zeit verfüge er über 40% v.H.

Modalitäten:
Nach Umständen, die verschlimmern oder bessern befragt, nannte R.K. die Verschlechterung seiner Haut im Winter.

Aktuelle Medikationen und Maßnahmen:

Aspirin bei Kopfschmerz (wie verkatert), bei der Migräne zeigte sich dieses Mittel als wirkungslos.
Korodin-Tropfen für den Kreislauf, welche manchmal helfen und manchmal nicht helfen würden.
Dampfbäder bei Erkältungen würden regelmäßig angewendet.
Schröpfen, regelmäßig.

Untersuchung: Die Untersuchung erbrachte Folgendes:

• Kypholordose
• vermehrtes Ohrschmalz
• Zunge rissig, Längsfurchen und Zahneindrücke
• RR: li 110/65, re 100/60
• Haut: viele Leberflecke

Persönlicher Eindruck:
Herr K. wirkte schlanker als seinem Gewicht nach zu vermuten war. Es fiel sein schmales Gesicht mit hoher Stirn und ausgeprägten Stirnfalten auf. Er wirkte sehr offen und sympathisch und versuchte möglichst genau zu beschreiben. Dabei hielt er stets den Blickkontakt.

Familienanamnese:
Die Befragung zu Erkrankungen in der Familie ergab:

Mütterlicherseits:
Die Mutter leide an Schuppenflechte.
Ein Bruder der Mutter leide an Kniebeschwerden und Zittern.
Der Großvater habe an Schuppenflechte und Altersdemenz gelitten.

Väterlicherseits:
Der Vater habe an Gürtelrose und Altersdiabetes gelitten. Er sei an einem Herzinfarkt verstorben.

Geschwister:
Eine Schwester habe eine Schilddrüsenüber- oder –unterfunktion.
Die andere Schwester leide an Übergewicht und Nasennebenhöhlenentzündungen.
Herr K. sagte, dass er eher dem Vater ähnlich sei, sowohl vom Aussehen als auch vom Charakter her.

Fallanalyse:

Die Kopfschmerzen haben anfallartigen Charakter und zeigen das Bild einer Migräne. Als weitere Diagnose ist die chronische Sinusitis festzuhalten, auch wenn sie zwei Jahre lang nicht aufgetreten ist. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung – die Dauer (10 Jahre) und die Symptomatik belegen dies. Auch ist die Erkrankung nicht von selbst ausgeheilt. Neben diesen Hauptbeschwerden des Patienten liegt auch eine mehr akute aktuelle Beschwerde in Unterarm und Ellenbeuge vor, die von einer Überanstrengung herrühren kann.

Zeichen, die für ein psorisches Miasma sprechen, sind die Rezidive der Sinusitis, das Jucken der trockenen Haut und der Juckreiz am Anus, aber auch der Schwindel und der Kopfschmerz (vgl. CK, S. 67) in seiner Periodizität. Zeichen für andere chronische Miasmen sind bisher nicht erkennbar.

Der Beginn der Erkrankung wird vom Patienten auf einen Zeitpunkt vor 10 Jahren datiert. Zu dieser Zeit begannen sowohl die Sinusitiden, als auch die Migräne. Der Tod des Vaters fiel in diesen Zeitraum, ebenso der Einstieg in den Beruf. Wenn der Patient vom Tod des Vaters spricht, macht er den Eindruck, als ob er ihn gut verarbeitet hätte. Dieses Ereignis kann allerdings als förderlich für die Manifestation der Symptome betrachtet werden, da ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Es ist denkbar, dass durch die Arbeit auf den Deponien (Wind und Wetter ausgesetzt) veranlagte chronische Prozesse aktiviert wurden. Auch das schlechte Betriebsklima kann das Entstehen der Symptomatik gefördert haben. Ob die ausgewechselten Amalgamfüllungen eine Rolle spielen, ist nicht eindeutig erkennbar, wird aber in Betracht zu ziehen sein, wenn die Therapie trotz gut gewähltem Mittel nicht läuft. Auch die Impfungen, die zuletzt 1998 und 2002 (Tetanus) stattfanden, geben keinen Anlass, sie in einem Zusammenhang mit den Beschwerden des Patienten zu sehen. Der Schwindel ist im Zusammenhang mit dem niedrigen Blutdruck zu betrachten. Hier ist sicher eine Causa zu den sehr häufigen Blutspenden zu sehen. Die Beschwerden der Ellenbeuge und des Unterarms können von einer Überanstrengung (Kindertragen) verursacht worden sein und sind somit eher als akute Beschwerden zu betrachten.

Aufgrund verwertbarer Symptome ist eine homöopathische Therapie möglich und auch sinnvoll. Da kein akut bedrohlicher Zustand besteht, kann mit der homöopathischen Therapie begonnen werden. Gegebenenfalls macht eine Blutuntersuchung Sinn, um einen Eisenmangel auszuschließen. Dies ist dann unumgänglich, wenn die homöopathische Therapie und eine Veränderung der Lebensweise keine rasche Besserung im Bereich der Vitalität bewirken.

Die Leiden des Patienten bestehen seit 10 Jahren. Hier kann davon ausgegangen werden, dass die homöopathische Behandlung sicher einen größeren Zeitraum benötigen wird, um erfolgreich zu sein. Da jedoch keine Organschäden vorhanden sind und ein Teil der Symptomatik durch ungünstige Lebensweise unterhalten wird, ist die Prognose eher als günstig einzuschätzen. Ich gehe zunächst von einem Behandlungszeitraum von ca. 2 Jahren aus.

Diät und Lebensweise:

Zunächst wurde der Patient angewiesen die Blutspenden zu unterlassen, da diese in Zusammenhang mit den Kreislaufbeschwerden zu sehen sind, aber auch generell die Vitalität schwächen könnten. Hierbei ist auch an einen möglichen Eisenmangel aufgrund des Blutverlustes zu denken.
Da der Patient gerne Kaffee trinkt (2 Tassen und mehr pro Tag), kann dies als unterhaltende Ursache des Kopfschmerzes betrachtet werden. Er soll deshalb den Kaffee möglichst weglassen bzw. ausschleichen. Außerdem ist auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten, mindestens 2 l /d. Die Familien- und Wohnsituation ist im Moment äußerst belastend. Hier kann momentan keinerlei Abhilfe geschaffen werden. Der Patient spricht sehr oft von “Druck” (Druckgefühl, drückender Schmerz). Dennoch sollte Herr K. sich so gut es geht Freiräume schaffen, um “Druckabbau” zu betreiben, z.B. leichte Gartenarbeiten und sportliche Betätigungen (Schwimmen), die ihm Spaß machen und Erfolg bringen. Schwimmen ist eine Sportart, die sich auch gut auf die Verspannungen im Schulter-Nackenbereich auswirken kann. Gegebenenfalls sollten die Eltern einen Babysitter organisieren.

Therapieziel / Therapieplan:

Der Wunsch des Patienten ist eine Besserung der Migräne, um seiner Arbeit ungehindert nachgehen zu können. Aus meiner Sicht sollte sich aber zunächst die Vitalität bessern, da sie zentral ist. Da der Schlaf immer wieder durch die Kinder unterbrochen wird und auch die Umbausituation belastend ist, wird dies nicht so einfach zu erreichen sein. Hier erwarte ich Schwankungen in der Gemütssituation. Der Schwindel, auch ein zentrales Problem, sollte sich relativ rasch bessern, vor allem wenn die schwächenden Blutspenden aufhören. Die Migräne wird sicher längere Zeit brauchen, da sie schon seit 10 Jahren auftritt. Auch ist damit zu rechnen, dass die Sinusitis wieder auftritt. (Repertorisation - siehe Naturheilpraxis 02/2007)

Lycopodium steht an erster Stelle der Repertorisation, gefolgt von Sulfur und Calcium. In der Literatur (Arzneimittelbeziehungen, Blasig-Jäger und Vint) werden diese Arzneimittel als in einem festen Zyklus angeordnet beschrieben. Es wird davor gewarnt, Lyc. als erstes Mittel anzuwenden, wenn es nicht zweifelsfrei indiziert ist, sondern es sollte in der Reihenfolge “Sulf. – Calc. – Lyc.” verordnet werden. Da es aufgrund der Symptome passend erschien, wurde die chronische Behandlung dennoch mit Lycopodium begonnen. Ein Blick in die Materia Medica bestätigt dies, denn dieses Mittel hat einen guten Bezug zu den Kopfschmerzen und dem Druckgefühl im Bauch, zum Luftaufstoßen und Erbrechen ohne Übelkeit. Die Empfindlichkeit auf Zwiebeln, das Verlangen nach Süßem, aber auch die rissige Zunge werden von Lyc. ebenfalls abgedeckt. Des Weiteren ist Lyc. ein gutes Mittel bei Sinusitis. Was außerdem die Arzneimittelwahl bestätigt, ist das Aussehen und Auftreten des Patienten. So findet sich bei Lyc. häufig die in Falten gelegte Stirn, aber auch der offene und kommunikative Umgang.
Als mögliche Folgemittel sind Calcium und Sulfur in Betracht zu ziehen. Sie decken eine Reihe der Symptome ab, sind aber nicht beim Kopfschmerz mit Erbrechen vertreten.

Verordnung:
Ich verordnete Lycopodium Q6, als Testdosis mit 1 Tr. auf 100 ml Wasser, davon 1 Tl einzunehmen. Würde diese Dosis gut vertragen, sollten tägl. 3 Tr./100 ml/1Tl eingenommen werden. Bei einer auffallenden Verschlechterung oder Besserung sollte der Patient umgehend anrufen, um darauf mit einer entsprechenden Dosierungsänderung reagieren zu können.

Fallverlauf:

Konsultation am 09.05.05:
Bisher 18 Einnahmen von Lycopodium Q6, 3 Tr/1Tl/tägl.
Herr. K. berichtete, er habe inzwischen keine Migräneanfälle mehr gehabt. Verspannungen, die Vorboten seien, träten allerdings immer wieder auf. Den Kaffee könne er gut weglassen, es mache ihm nichts aus, darauf zu verzichten. Das Blutspenden würde er auch bleiben lassen, nachdem ihm so geraten worden sei. Insgesamt hätte er ein Gefühl der leichten Besserung auf allen Ebenen bis auf die Verspannung im zervikalen Bereich, diese sei unverändert. Die Gemütssituation beschrieb er als stabil. Seine Vitalität schätzte er inzwischen auf 60 % seiner vollen Leistungsfähigkeit ein.

Allerdings leide er gerade an einer akuten Erkrankung: Heute Morgen habe er keinen Ton herausgebracht. Nun sei seine Stimme heiser. Er leide an Husten mit Auswurf, der hellgelb und schleimig sei und tief aus der Brust komme. Es bestünden auch Schmerzen in der Brust und im Kehlkopf. Auch habe er das Empfinden, als ob die Nasennebenhöhlen betroffen seien. Die Absonderungen aus der Nase seien zäh und klebrig, der Rachen sei gerötet.

Verordnung:
Da Lycopodium auch bei den akuten Symptomen gut vertreten ist, verordnete ich, bei diesem Mittel weiter zu bleiben, allerdings sollte 2x täglich eingenommen werden aus der morgens zubereiteten Einnahmelösung, nachdem mehrmals kräftig verkleppert worden sei. Dies sollte solange beibehalten werden, wie der akute Zustand bestehe. Danach sollte zur einmaligen täglichen Einnahme zurückgekehrt werden.

Konsultation am 30.06.05:
Bisher etwa 30 Einnahmen von Lycopodium Q6.
Er berichtete, dass die akute Erkrankung sich durch die häufige Arzneimitteleinnahme rasch gebessert habe. Nur die Nasennebenhöhlen seien noch latent spürbar. Die Verspannungen seien wesentlich besser geworden und er habe auch keinen Migräneanfall gehabt. Allerdings seien am 20.05. und 28.05. die bekannten Vorboten in der “Kopf-Bauch-Achse” und Schwindel spürbar gewesen. Er habe dann an diesen Tagen das Mittel 2x eingenommen. Diese Maßnahme und Sich-hinlegen hätten soweit gebessert, dass keine Anfälle zustande gekommen seien. Der Schwindel morgens sei besser und seine Vitalität schätzte er auf 80 % ein. Auch der Schmerz in der Ellenbeuge sei um 70 % besser geworden. Seine Gemütssituation sei “in Ordnung”.

Beurteilung: Lycopodium ist gut gewählt, da es in den zentralen Bereichen wie Schwindel, Gemüt und Vitalität Besserung bringt, aber auch die akute Erkrankung bessert. Allerdings ist eine sehr rasche Besserung in sehr kurzer Zeit erreicht worden, so dass nun die Dosierung reduziert wurde. Aufgrund von Hahnemanns Hinweis, dass sich bei rascher und fortschreitender guter Besserung jede weitere Arzneimittelgabe verbietet (§ 246), wurde damals entschieden, die Dosis durch eine Verlängerung des Einnahmeinterwalls zu reduzieren. Möglicherweise gilt dies erst für noch auffallendere und noch raschere Besserungsverläufe als im vorliegenden Fall.

Verordnung:
Ich erklärte Herrn K., dass jetzt eine neue Flasche verordnet werde, weil sich dann eine um drei Stufen höhere Potenz gut anschließen ließe, d.h. Lycopodium LM9, 3 Tr./1Tl/jeden 2. Tag. (Es lässt sich in einigen Behandlungsfällen beobachten, dass das Arzneimittel nach 30 Einnahmen nicht mehr so gut vertragen wird und Verschlimmerungen auftreten. Deshalb ist ein Wechsel zu einer um drei Stufen höheren Potenz sinnvoll. Die Richtigkeit solchen Vorgehens bestätigt sich in der häufig prompt und deutlich einsetzenden Besserung bei Einnahme der höheren Potenzstufe.)

Konsultation am 11.07.05:
Bisher 16 Einnahmen von Lycopodium LM9, 3Tr./1Tl/jeden 2. Tag.
Der Patient berichtete, dass eine Woche Pause zwischen der letzten Einnahme der Q6 und dem Beginn der Einnahme der LM9 bestanden hätte, da das Mittel nicht so schnell von der Apotheke besorgt werden konnte. In der Einnahmepause seien keine Auffälligkeiten oder Beschwerden aufgetreten. An einem Wochenende sei wieder eine leichte Verschlechterung der Migräne aufgetreten, aber keine ausgeprägten Schmerzen und Begleitsymptome, da er gleich an diesem Tag mehrmals aus der Arzneilösung eingenommen hätte. Verspannungen, die als Vorboten aufgetreten waren, seien nicht mehr zu beobachten. Auch der Schwindel sei weg. Das Aufstoßen sei ebenfalls nicht mehr aufgetreten. Der Gliederschmerz in der Ellenbeuge sei um 80 % gebessert. Er habe immer noch ein Gefühl von leichtem Schnupfen. Zum Zähneknirschen könne er nichts sagen, er werde seine Frau fragen. Seine Vitalität liege bei 90 %. Die Gemütssituation sei weiterhin “in Ordnung”.

Konsultation am 10.08.05:
Bisher seien 12 Einnahmen von Lycopodium LM12, 3Tr./1Tl/ jeden 2. Tag erfolgt.
Herr K. berichtete, in seiner Familie sei ein Magen-Darm-Infekt ausgebrochen. Er habe seit 4 Tagen Durchfall. Immer gegen Abend träten 2-3x Darmentleerungen auf. Dabei habe er am Anus einen Krampf, der sich bis zur Übelkeit steigere. Er habe Perenterol® eingenommen, welches seine Beschwerden bessere. Der Stuhl sei weich bis flüssig. Seit ca. eine Woche müsse er häufiger niesen, er habe eine Empfindung wie erkältet und spüre seit zwei Tagen einen Druck auf den Nasennebenhöhlen.
Die Baustelle zu Hause sei im Moment sehr belastend. Er müsse sehr viel arbeiten und alles sei im Chaos. Seine Vitalität lasse merklich nach, sie sei nur noch bei 70 %. Er spüre wieder Verspannungen in der Zervikalregion und seine Gemütssituation sei auch entsprechend gereizt. Seine Frau habe auf sein Nachfragen gesagt, dass er zur Zeit nicht mit den Zähnen knirsche. Das Jucken am Anus sei derzeit nicht vorhanden.

Verordnung: Lycopodium LM12, 3Tr./1Tl/tägl., solange akute Beschwerden vorhanden seien, bei deutlicher Besserung sollte die Einnahme wieder auf jeden 2. Tag reduziert werden. Für Anfang/Mitte September wurde eine telefonische Rücksprache vereinbart.

Beurteilung: Die Lebenssituation wirkt sich belastend und als Störfaktor in der Behandlung aus. Der Durchfall ist als akute, epidemische Zwischenkrankheit zu sehen, da mehrere Familienmitglieder daran erkrankten. Da die akuten Symptome von Lycopodium abgedeckt werden (Durchfall 16.00 – 20.00 Uhr, Tenesmus, Stuhl weich) und die Erkrankung einen eher milden Verlauf hat, wird die bisherige Arzneimittel-Verordnung bei erhöhter Einnahmehäufigkeit beibehalten.

Anruf am 16.09.05:
Der Durchfall sei weg, er nehme die Arznei regelmäßig tägl. ein.

Konsultation am 14.10.05:
Es seien weitere 27 Einnahmen von Lyc. LM12, anfangs tägl. dann in 2-tägigem Rhythmus erfolgt.
Herr K. berichtete, dass er nach einem akuten Atemwegsinfekt zur Zeit etwas verschnupft sei. Es hänge Schleim in den Nasennebenhöhlen und er empfinde ein Drücken auf das Ohr. Absonderungen aus der Nase seien wässrig dünn und tropfend, auch im warmen Zimmer. Ein Rückfall der Migräne sei aufgetreten und mit Erbrechen einhergegangen. Auch die Blähungen seien wieder stärker. Er habe gerade sehr viel Stress beim Umbau des Hauses sowie beruflich. Seine Vitalität sei dennoch wieder besser als bei der letzten Konsultation und die Reizbarkeit sei auch wieder besser. Die Untersuchung ergab sehr viel Ohrschmalz, das verhärtet war.
Zwischenzeitlich wurden die Potenzen LM15 und LM18 mit gleichbleibender Dosierung verordnet.

Konsultation am 12.12.05:
Es waren weitere 11 Einnahmen von Lycopodium LM18 3Tr./1Tl/tägl. eingenommen worden.
Herr K. berichtete, dass er am Sa., den 04.12. einen “Großkampftag” gehabt habe. Darauf sei am So., den 05.12. ein Migräneanfall mit “vollem Programm” gefolgt. In der Schule liefen zur Zeit für ihn Prüfungen und in der Baustelle gehe es drunter und drüber, denn sie wollten zu Weihnachten gerne ein Stück weiter sein. Im Moment würden die Böden und Wände gemacht.
Seine Nase laufe wieder und das linke Ohr fühle sich verstopft an. Die Nasennebenhöhlen seien latent betroffen. Ansonsten gehe es ihm trotzdem besser, die Vitalität sei noch etwas besser geworden und auch seine gesamte Verfassung sei trotz den Umständen gut.

Verordnung: Lyc. LM18 weiter bis zur 30. Einnahmen, dann weiter mit der Potenz LM 21, aber ab sofort 3Tr./2Tl/tägl. Bei irgendwelchen Auffälligkeiten solle er sich umgehend melden.
Beurteilung: Da die Lebensumstände, die immer wieder durch Stress Rückfälle bringen, derzeit nicht verändert werden können, scheint es mir angezeigt, die Dosis von 1 Tl auf 2 Tl zu erhöhen.

Konsultation am 25.01.06:
Von Lycopodium LM21, 3Tr./2Tl/tägl. wurde 10x eingenommen.
Es gehe ihm gut, obwohl er sehr viel Stress bei der Arbeit habe und nur sehr wenig Schlaf bekomme. Einmal sei er einen Tag verspannt gewesen mit Druck im Magen. Unter Berücksichtigung der momentanen Anforderungen habe er eine sehr gute Vitalität. Nur die Nase und der Rachen seien noch leicht verschleimt. Der Druck in den Nasennebenhöhlen sei weg und die Ohren seien gut. Bei der Untersuchung zeigte sich reichlich vorhandenes Ohrenschmalz. Auch die Verspannungen im Nacken, die nicht im Zusammenhang mit den Migräneanfällen stünden, seien um 50 % besser geworden.
Herrn K. wurde erklärt, dass nun die Dosierung des Arzneimittels noch einmal zu steigern sei, um die Situation noch mehr zu stabilisieren.

Verordnung: Lycopodium LM21 5Tr./2Tl/tägl. bis zur 30. Einnahme, dann weiter mit Lycopodium LM24.

Beurteilung: Es zeigt sich eine deutliche Besserung, aber immer noch bestehen Restbeschwerden des Atemwegsinfekts und eine instabile Situation der Hauptbeschwerde, der Migräne. Deshalb wurde die Dosis erhöht.

Konsultation am 14.03.06:
Nach 25 Einnahmen von Lycopodium LM 24 5Tr./2Tl/ tägl.
Herr K. berichtete, die ganze Familie habe wieder einen Magen-Darm-Infekt gehabt. Er allerdings dieses Mal nur in leichter Form. Er habe 2x Perenterol genommen. Ihm gehe es sehr gut. Es seien keine Erkältung, kein Schnupfen und keine Migräneanfälle aufgetreten. Verspannungen im Zervikalbereich seien aber vorhanden, wohl aufgrund seiner körperlichen Aktivitäten. Er habe viel gearbeitet (“Holz gemacht”). Sie seinen insgesamt um 60 % besser. Die Haut an den Schienbeinen wäre von Dezember bis Januar etwas trockener gewesen, jetzt aber wieder normal. Er habe wohl wieder einmal mit den Zähnen geknirscht. Neu sei aber, dass er nach dem Mittagessen immer so müde sei.

Verordnung: Einnahmepause! Wir verabredeten einen Termin in ca. 8 Wochen.
Beurteilung: Hier tritt ein neues Symptom auf, bei dem Lycopodium 3-wertig vertreten ist. Dies könnte ein Prüfungssymptom sein, weshalb die Arznei abgesetzt wird.

Konsultation am 09.05.06:
Einnahmepause seit 8 Wochen.
Herr K. berichtete, vor 2 Wochen 2x eine Gabe von Lycopodium LM24 eingenommen zu haben, da er Verspannungen und Kopfweh gehabt habe. Danach sei eine umgehende Besserung eingetreten. Am 1. Mai habe er die Nasennebenhöhlen gespürt, seine Frau habe ihm Ohrkerzen verabreicht, da sie das mal ausprobieren wollte. Das habe auch gut getan. Ein akuter Magen-Darm-Infekt sei bei ihm nur latent spürbar gewesen, aber nicht ausgebrochen. Die Müdigkeit nach dem Essen sei weg, auch sonst fühle er sich energievoll. Es gehe ihm gut. Seine Vitalität gab er mit 100% an.

Verordnung: Lyc. C200 1Gl. per os.
Beurteilung: Die Einnahmepause war richtig. Lyc. hat in der Nachwirkung noch einiges an Stabilität gebracht (Magen-Darm-Infekt). Aber es flackerten einige Symptome nochmals auf, deshalb entschied ich mich, Lyc. nochmals als C-Potenz nachzulegen. Ich vereinbarte einen Telefontermin im September, wenn vorher keine Symptome mehr auftreten würden.

Fazit:

Lycopodium hat während der gesamten Behandlung Besserung gebracht. Trotz nachfolgender Beobachtung in der Einnahmepause ist der Fall noch nicht als abgeschlossen zu betrachten. Dies ist erst dann der Fall, wenn über längere Zeit Stabilität vorhanden ist. Möglicherweise sind noch weitere Mittel erforderlich. Der Wunsch des Patienten, von der Migräne befreit zu sein und wieder vitaler seine Arbeit angehen zu können, ist allerdings zum derzeitigen Zeitpunkt erfüllt.

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Literaturangaben:
Blasig-Jäger, T. und Vint, P.: Arzneimittelbeziehungen, Band 2. 2. korrigierte und erweiterte Auflage. Greifenberg: Hahnemann Institut, 1999.
Boger, C. M.: Synoptic Key, Rupperichteroth, 2002.
Hahnemann, S.: Die chronischen Krankheiten (CK), Band 1. Typ. Neugestaltung der 2. viel verm. Aufl. 1835. Heidelberg: Haug, 2001.
Hahnemann, S.: Die chronischen Krankheiten, Band 4. Typ. Neugestaltung der 2. viel verm. Auflage 1838. Heidelberg: Haug, 2003.
Hahnemann, S.: Organon der Heilkunst. Standardausgabe der 6. Aufl. Neuausgabe, Heidelberg: Haug, 1999.
Phatak, S. R.: Homöopathische Arzneimittellehre. Göttingen: Burgdorf, 1999.
Seideneder, A.: Mitteldetails der homöopathischen Arzneimittel. Rupperichteroth: Similimum-Verlag, 2000.
Simbürger, F.: ComRep Expert, Version 8.5, Software für Homöopathie, Eching.

Anschrift der Verfasserin:
Kunigunde Stolz
Elchweg 5
73488 Ellenberg



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