REFLEXIONEN

Ein Hoffnungsstrahl

Von Hermann Speiser

Vor allem, das entstand
In der Ewigkeit der Stille
War ein unendlicher Verstand
War ein unendlicher Wille
(Matthias Claudius 1740 – 1815)

Ein gescheiter Mann äußerte einmal, dass es leichter sei, neue Dinge zu sagen, als die schon gesagten in Zusammenhang zu bringen.

In letzterer Lage befinde ich mich, wenn ich versuche, gewisse Eigenheiten der modernen Abstammungslehre mit Besonderheiten der Hahnemannschen neuen Heilkunst in Beziehung zu bringen. Ob mir das überhaupt und auf dem beschränkten Raum, der mir zur Verfügung steht, einigermaßen gelingt, mag der geneigte Leser entscheiden.

Ich spreche bewusst von der modernen Abstammungslehre, da sie zwar auf Darwin fußt, doch in einem ausschlaggebenden Punkt von ihm abweicht, indem sie die Transzendenz miteinbezieht. Zur Orientierung in dieser schwierigen Materie diente mir neben Darwin selbst hauptsächlich das Buch von John E. Eccles “Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst”, 3. Auflage 1999 bei Piper. Hahnemanns Denken dagegen ist mir seit Jahrzehnten vertraut.

Es ist äußerst reizvoll, die vielfältigen Fäden aufzuspüren, welche die beiden Lehrgebäude miteinander verweben. Man erkennt immer mehr das Phänomen der Interdependenz, die die Existenz isolierten Erscheinungen in’s Reich der Fabel vereist. Wir stellen außerdem mit Befriedigung fest, dass eine moderne Wissenschaft auf dem Wege ist, ihre materialistischen Fesseln abzustreifen und sich auf Hahnemann zuzubewegen – immerhin ein Hoffnungsstrahl.

Man erlaube mir eine interessante Beobachtung, die eigentlich nur am Rande hierher gehört, dass nämlich der Gesundheitszustand einer Bevölkerung ziemlich genau dem Zustand des Staates entspricht, also dem Grad der Ordnung oder Unordnung, der in ihm herrscht.

Und daran, und darauf will ich hinaus, ist die jeweilig tonangebende Medizinschule in nicht geringem Maße mitverantwortlich. Das erscheint nur auf den ersten Blick reichlich absurd, es ist ein Stoff zum Nachdenken.

Welch unbegreifliche Macht hat wohl dem Menschen die Fähigkeit zu denken, die Freiheit der Phantasie und den gestalterischen Gebrauch seiner Hände verliehen?

Wie konnte zum Beispiel Hahnemann auf den Einfall kommen, Arzneisubstanzen hochgradig zu verdünnen und rhythmisch bis zur Geistartigkeit hinauf zu verschütteln? Dass höhere Mächte eingreifen, darauf weist auch Eccles mit größtem Nachdruck hin und nimmt es als unumstößliche Wahrheit, dass wir Menschen einmalige, selbstbewusste Wesen sind,

“ein Wunder, das sich für immer der Wissenschaft entzieht.”

Er zitiert in diesem Zusammenhang Alfred Russell Wallace, der ziemlich gleichzeitig und unabhängig von Darwin die gleiche Idee vom Kampf der wilden Tiere ums Dasein entwickelte und die daraus resultierende Auslese der überlebensfähigsten Exemplare. Für Darwin lag es nahe, die Theorie der Zuchtwahl auf den Menschen zu übertragen.

“Der Mensch überprüft mit skrupulöser Sorgfalt den Charakter und Stammbaum seiner Pferde, Rinder und Hunde, ehe er sie paart. Wenn er aber zu seiner eigenen Hochzeit kommt, nimmt er sich selten oder niemals solche Mühe.”

Eine nur zu richtige Bemerkung.

Das gute Einvernehmen der beiden Forscher zerbrach nicht, als Wallace verkündete,

“dass die menschliche Intelligenz nur mit dem direkten Eingreifen einer kosmischen Intelligenz erklärt werden könne,”

doch erweckte er damit den Zorn Darwins.

In unseren Tagen spann Eccles die Erkenntnis von Wallace weiter aus:

“Da unsere erlebte Einmaligkeit mit materialistischen Lösungsvorschlägen nicht zu erklären ist, bin ich gezwungen, die Einmaligkeit des Selbst oder der Seele auf eine übernatürlich spirituelle Schöpfung zurückzuführen. Um es theologisch auszudrücken: jede Seele ist eine neue göttliche Schöpfung, die irgendwann zwischen der Empfängnis und der Geburt dem heranwachsenden Fötus “eingepflanzt” wird.

Es ist die Gewissheit des inneren Kerns der einmaligen Individualität. Ich behaupte, dass keine andere Erklärung haltbar ist, weder die von der genetischen Einmaligkeit mit ihrer phantastisch unwahrscheinlichen Lotterie, noch die der umweltbedingten Differenzierungen, die die Einmaligkeit nicht determinieren, sondern lediglich modifizieren.”

Ein harter Brocken für die reinen Darwinisten.

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Anschrift des Verfassers:
Dipl. rer. pol. Hermann Speiser
Wilhelm Speiser-Weg 3
73033 Göppingen



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