PHYTOFORUM

Von der gebändigten Natur zur gebändigten Naturheilkunde?

Bruno der Bärtyrer

Von Peter Germann

“Was ist der Mensch ohne Wildtiere?
Wenn die wilden Tiere verschwunden sind,
dann wird die Seele an Einsamkeit zugrunde gehen;
alles, was den Tieren widerfährt, widerfährt auch dem Menschen.”
(See- Yahtlh (Seattle),
Häuptling der Squamish)

“JJ1”

Nach hundertsiebzig Jahren überschreitet der erste frei lebende Bär wieder die bayrische Grenze. Als ob er es gewusst hätte, hier willkommen zu sein, denn die “Schutzgemeinschaft Deutsches Wild” hat den Braunbär nur ein paar Monate zuvor zum Wildtier des Jahres 2005 ausgerufen. Sein bürokratischer Name wird “JJ1”, sonst aber ist er europaweit als “Bruno” bekannt. Bruno ist noch im Rowdyalter und auf der Suche nach einem Revier. So werden seine Eskapaden wie das Reißen von Schafen, der Einbruch in einen Hühnerstall sowie das Leeren eines Bienenstocks von bärenkundigen Experten nicht als bedenklich eingestuft. Der Koch der Berghütte Rotwandhaus hat Bruno vor seinem Küchenfenster gesehen und ist dann raus gegangen, um ihn zu fotografieren, ohne das Anzeichen von einem Angriff ausgemacht werden konnten. Im Gegenteil, der Bär zeigt Respekt. Auch auf die Attacke von mehreren Kühen reagiert er mit Flucht.

Schnell wird Bruno zum deutschen Liebling. Von offizieller Seite freut man sich, dass nach so vielen Jahren ein Wildbär in Bayern heimisch werden könnte, auf der anderen Seite kann man aber mit dem “Abseits der Zivilisation- Stehenden” nur sehr schlecht umgehen. So entschließt man sich, den Bären zu fangen. Diese kläglichen Versuche machen Bruno erst recht zum Publikumsliebling. Alle Versuche, ihn über Fallen oder mit ausgebildeten Bärenhunden und Bärenjägern zu fassen, bleiben erfolglos. Bruno scheint sich einen Spaß daraus zu machen, seine Verfolger zu foppen, er hält sich aber damit nicht an die Gesetzte einer Kulturgesellschaft. Außerdem kommt die Urlaubszeit immer näher und man fürchtet um Einbußen. Eine Patientin aus unserer Praxis, welche regelmäßig im Sommer am Spitzingsee wandern geht, macht ihren Urlaub auch abhängig von der Gefangennahme Brunos.

So entschließt man sich von offizieller Seite für die Freigabe des Todesschusses, welcher komischer Weise auch innerhalb kürzester Zeit erfolgt. Wochenlang wird man Bruno nicht habhaft, doch innerhalb von Stunden nach der Jagdfreigabe ist der Bär tot. Die Reaktionen im In- und Ausland sind überwältigend!

Bayerns Umweltminister Schnappauf schließt ein juristisches Nachspiel nicht aus. Bei der “Staatsanwaltschaft München II” gehen mehrere Strafanzeigen ein. Der “Münchener Merkur” wollte eine Todesanzeige veröffentlichen und der Stofftierhersteller Steiff eine Sonderedition “Bruno JJ1” mit Trauerflor auf den Markt bringen. Das “jagdkundige Personal”, so der Staatssekretär im bayrischen Umweltministerium Otmar Bernhard, wird namentlich nicht bekannt gegeben, da Morddrohungen eingegangen sind.

Auch die internationale Presse reagiert. So beschreibt Italiens “Corriere della Sera” den Abschuss als einen Akt der Barbarei und Hollands “De Telegraaf” erscheint mit der Überschrift “Bruintje Beer is niet mer.”

Bruno hat den Stellenwert eines Rebellen oder Märtyrers bekommen. Für viele steht er in der Tradition von Andreas Hofer, Robin Hood oder Che Guevara.

So werden auch schon T- Shirts angeboten mit dem bekannten schwarz-weiß Abdruck von Che, welche wir aus der achtundsechziger Szene vor fünfunddreißig Jahren alle getragen haben. Allerdings ist das Gesicht des Revolutionärs zu einem Bärenkopf verfremdet worden, der rote Stern vor der Mütze ist eine rote Tatze und unter dem Bild steht “JJ Guevara”.

Bruno ist noch nicht ganz kalt, da streitet man schon um seine Überreste. Während die Staatsregierung den präparierten “JJ1” im Museum “Mensch und Natur” in München ausstellen will, beansprucht Schliersees Bürgermeister ihn für das Bauernmuseum seiner Gemeinde. Sieht man den Werdegang und Hintergrund der ganzen “Bruno Aktion”, wird einem bei beiden Vorstellungen schlecht! Auf der einen Seite kommen wir mit der Wildheit der Natur überhaupt nicht klar und vernichten sie, um sie dann im Museum “Mensch und Natur” zu präsentieren, auf der anderen Seite wird der Bär zur Gemeindeattraktion, wo man vor oder nach der “Beschau” den “Gemischten Grillteller Bruno” verzehren sowie niedliche Flauschbärchen zu weitaus überteuerten Preisen erstehen kann. Selbst in der über zweihundertfünfzig Kilometer vom “Tatort” entfernten Fränkischen Schweiz, wo wir von “Phytaro” kurz nach dem Abschuss ein Seminar zum Thema Phytotherapie abgehalten haben, konnte man “Bruno, das Brot aus dem Bärenthal” für einen Euro und achtzig Cent das Pfund beim Bäcker kaufen.

Die Menschlichkeit des Bären

Das Zusammenleben von Mensch und Bär

Ein sehr differenzierter Speiseplan

Der Bär als König der Pflanzenheilkundler unter den Tieren

Der Bär lehrt dem Menschen die Pflanzenheilkunde

Von der gebändigten Natur...

...zur gebändigten Naturheilkunde?

Fazit

Ich hoffe, dass Bruno nicht stellvertretend dafür steht, wie unsere Gesellschaft mit der wahren Natur umgeht. In seinem Buch “Der Bär” schrieb Dr. Wolf- Dieter Storl im Jahre 2005 noch optimistisch:

“Auf Initiative des World Wildlife Fund (WWF) werden Bären, die aus dem Balkan einwandern, nicht länger wie selbstverständlich abgeschossen (!!). Und 1989 wurde eine Bärin im Gebiet des Ötschberges (Österreich) freigelassen. Entgegen allen Erwartungen zeigte sie sich bereits 1991 mit drei Jungen. Inzwischen ist die Population auf fünfundzwanzig Bären angewachsen. Weitere Petze – sie kommen aus Slowenien und Kroatien – sollen in Südtirol und in der Lombardei ausgesetzt werden. In Trentino (Italien), wo noch einige wenige der letzten Alpenbären leben, hat man zwischen 1999 und 2002 nicht weniger als zehn Tiere ausgesetzt. Die Imker mögen vor den Leckermäulern ihre berechtigte Angst haben, aber Wanderer brauchen sich nicht zu fürchten, denn – so versichern Experten – die Tiere sind eher scheu und friedlich.”

Zu diesen Zeilen ist der Umgang mit Bruno ein massiver Rückschritt!

Warum hat man eigentlich keine Betäubungsgewehre eingesetzt? Wenn Bärenexperten mit Hunden aus Nordeuropa anheuert worden sind, wieso können nicht afrikanische Spezialisten, welche teilweise täglich mit Tierumsiedlungen zu tun haben, zu Rate gezogen werden? In jeder Sendung über Nationalparks im schwarzen Kontinent ist zu sehen, wie teilweise weit aus größere Tiere als Bären relativ problemlos mittels Sedierung momentan aus dem Verkehr gezogen werden. Falls dies zu heikel erscheint, denn die Distanz eines Betäubungsgewehres ist geringer als die eines “Bärentöters”, kann ein erfahrener Jäger ja immer noch parallel im Hintergrund stehen und im schlimmsten Fall eingreifen. Ich wage den Verdacht zu äußeren, dass Bruno tot und ausgestopft viel lieber gesehen wurde als in freier Wildbahn – was für eine Unfähigkeit, mit der neuen Situation umzugehen, sieht man die “Bärentraditionen” in den Nachbarländern Österreich, Slowenien, Kroatien, Südtirol, der Lombardei und Trentino, Spanien ...

“Zwei Dinge sind grenzenlos:
die menschliche Dummheit und das Universum.
Wobei ich mir bei letzterem nicht ganz sicher bin.”
(Albert Einstein)

...

Bilder: German

Literatur:
Dr. Wolf- Dieter Storl, WAZ Der Bär (AT, 2005) Nr. 146, 147, (WAZ Verlagsgesellschaft, 2006)

Anschrift des Verfassers:
Peter Germann
Im Karrenberg 56
44329 Dortmund
www.phytaro.de
Das Gesundheitshaus Viriditas
PhyTaro-Heilpflanzenschule Dortmund



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Naturheilpraxis 11/2006