Akupunktur bei klimakterischen Störungen

Von Jochen Schleimer

Begriffsbestimmungen:

Der Ausdruck Klimakterium stammt aus dem Griechischen und heißt soviel wie “kritischer Punkt im menschlichen Leben” und das mit Recht, denn zu keiner Zeit mit Ausnahme von Schwangerschaft und Wochenbett sind Frauen ähnlich anfällig für seelische Störungen, besonders Depressionen. Im Deutschen nennt man diesen Zeitabschnitt “Wechseljahre” und meint damit inhaltlich das Gleiche, nämlich eine Übergangsphase ab dem Beginn unregelmäßiger Blutungen bis hin zur Postmenopause, dem Lebensabschnitt der Frau, der sich dem Klimakterium anschließt, und definitionsgemäß ein Jahr nach der Menopause* beginnt u. mit dem Eintritt in das Senium, das Greisenalter endet.

Unter Menopause versteht man den Zeitpunkt der letzten spontanen Menstruation, der retrospektiv ein Jahr lang keine weitere ovariell gesteuerte uterine Blutung folgt; meist liegt er zwischen dem 45. u. 50. Lebensjahr.

Das Klimakterium ist bedingt durch das Erlöschen der zyklischen Ovarialfunktion; die letzte Menstruation (Menopause) fällt in diese Zeit.

Etwa die Hälfte aller Frauen leidet im Klimakterium unter Beschwerden, die behandlungsbedürftig sind.

Das Klimakterium ist durch bestimmte Veränderungen in der Hormonkonzentration gekennzeichnet, die laborchemisch bestimmt werden können und einen ungefähren Anhaltspunkt auch über die Behandlungsbedürftigkeit geben. Entscheidend für die medizinische Intervention sind jedoch nicht die Laborergebnisse, sondern das individuelle Leiden der Patientin.

Die medizinischen Beschwerden, die in Zusammenhang mit dem Klimakterium auftreten können (nicht etwa müssen) nennt man Menopausensyndrom – auch vegetativ – klimakterisches Syndrom genannt.

Man versteht darunter die meist typische Trias aus Hitzewallungen, Schwindel und Schweißausbrüchen; daneben kommt es auch zu psychonervöse Symptomen wie Reizbarkeit, Lustlosigkeit, Leistungsabfall und Schlafstörungen, oft auch zu einer Atrophie der Genitalorgane und der Brüste, Adipositas und Osteoporose.

Beim weiblichen Zyklus handelt es sich um einen komplizierten Regelprozess, dessen äußere Zeichen der Menstruationszyklus ist.

a: Follikelreifung
b: sprungreifer Follikel
c: Follikelsprung
d: Gelbkörperbildung
e: inkretorisch aktiver Gelbkörper
f. Gelbkörperdegeneration
A: Desquamation
B: Proliferation
C: Sekretion

Hinter dem genitalen Geschehen steht ein komplizierter zerebraler Regulationsprozess, das Hypothalamus–Hypophysen–System.

Das Klimakterium virile, die sogenannten Wechseljahre des Mannes sind dem Klimakterium der Frau ähnlich in der Symptomatik mit vegetativer Labilität, Neigung zu depressiven Verstimmungen, Nachlassen der Leistungsfähigkeit, Libido- und Potenzschwäche infolge eines allmählich einsetzenden Rückgangs der Testosteronproduktion und LH-Ausschüttung.

Der Beginn liegt zwischen dem 45. bis 60. Lebensjahr.

Die spermatogene Aktivität der Hoden bleibt dagegen bis ins hohe Alter erhalten.

Laborchemisch diagnostiziert man das Klimakterium virile durch Bestimmung der Testosteron- u. LH-Konzentrationen im Blut.

Da es sich weitgehend um einen Steuerungs- und nicht um einen Regelungsvorgang handelt und es auch keine kritische Schwelle einer Hormonkonzentration gibt, verläuft das Klimakterium virile wesentlich undramatischer, weshalb ihm leider auch weniger klinische Aufmerksamkeit zugewandt wird.

Die klassische Akupunktur unterscheidet bei klimakterischen Beschwerden 3 Hauptstörungen Leber – Yang – Überfluss.

Die Patientinnen klagen über Schwindel, Augenflimmern, Unruhe und Hitzewallungen. Sie sind gereizt, der Rücken ist schwach, die noch bestehenden Menstruationen sind stark mit hohem Blutverlust.
Der Puls ist schnell.
Die Zunge ist rot mit weißem, leicht braunem Belag.
Das Behandlungsprinzip besteht im Ableiten des Leber – Yang und im Sedieren.

Die Punkte sind:
Le 3
Ni 3
LG 20
Gb 20

Bei starker innerer Unruhe gebe zusätzlich Pe 6,
bei Hitzewallungen Mi 6
bei Kreuzschmerzen Bl 23

Nieren – Yin – Schwäche

Die Patientinnen klagen über Schwindel, Tinnitus, Schlaflosigkeit und Nachtschweiß. Die Hitzewallungen sind stark. Es findet sich eine Schwäche in Rücken und Knien sowie Fersenschmerzen. Der Stuhl ist trocken, der Urin braun; oft besteht ein generalisierter Juckreiz.
Der Puls ist schnell und fadenförmig
Die Zunge ist rot mit geringem oder fehlenden Belag.
Das Behandlungsprinzip besteht im Tonisieren und Nähren des Nieren- und Leber – Yin

Die Punkte sind:
Bl 23
Ni 3
Mi 6
Pe 6

Bei Schlafstörungen mit lebhaften Träumen He 7
Bei Herzrasen und Vergesslichkeit Ma 36
Bei Juckreiz Mi 10

Nieren – Yang – Schwäche

Die Patientin ist blass, das Gesicht geschwollen, sie ist schwach, die Hände und Füße sind kalt. Der Rücken tut weh, der Appetit fehlt, es bestehen Blähungen. Es besteht eine Blasenschwäche mit Stressinkontinenz und unfreiwilligem Urinabgang beim Husten und Lachen. Der Stuhl ist weich und breiig.
Der Puls ist tief und fadenförmig.
Die Zunge ist dick, zeigt Zahneindrücke, die Farbe ist blass mit dünnem, weißen Belag

Das Behandlungsprinzip besteht im Tonisieren und Anregen des Nieren – Yang

Die Punkte sind
LG 4
KG 4
KG 6
Bl 23
Ma 36
Ni 3

Bei Appetitlosigkeit KG 12 und Ma 25
Bei Müdigkeit Di 11 und LG 14

Ohrakupunktur

Infrage kommen die chinesischen Punkte für Endokrinium, Ovarien, SHEN MEN, Sympatikus, Subkortex, Niere, Leber und Herz.

Eine elegante Behandlungsmöglichkeit ist die Nadelung der Medikamenten – analogen Punkte nach BAHR, z.B. für PULSATILLA und SEPIA. (Abb. 4)
Die wichtigsten Formen der Impotenz (als häufigstes Zeichen eines Klimakterium virile) sind:
Nieren – Yang – Schwäche
Die Patienten müssen nachts häufig Wasser lassen, dabei fröstelt es sie. Der Urin ist hell. Oft besteht Schwindel, Müdigkeit und eine Schwäche in der Lendenwirbelsäule und im Kreuz. Hände und Füße sind kalt.

Puls: Tief, fadenförmig, langsam
Zunge: Blasshell
Das Behandlungsprinzip besteht im Stärken des Nieren – Yang

Die Punkte sind
KG 4
KG 6
LG 4
Bl 23
LG 20

Nieren – Yin – Schwäche

Der Patient ist unruhig und klagt über Schwindel und Schlaflosigkeit. Im Rücken besteht ein Zerschlagenheitsgefühl. Der Durst ist groß, der Hals trocken, oft bestehen Ohrgeräusche.
Puls: Tief, fadenförmig, schnell
Zunge: Rot, kaum Zungenbelag
Das Behandlungsprinzip besteht im Nähren des Nieren – Yin

Die Punkte sind
Pe 6
He 7
KG 4
MP 6
Ni 2
Ni 3
Bl 15
Bl 23

Blockade des Leber – Qi

Der Patient leidet unter Depressionen, Beklemmungen in der Brust, der Appetit ist schlecht, es besteht Schluckauf. Manchmal haben die Patienten auch ein Kloßgefühl im Hals oder ein Druckgefühl in der Magengrube.
Puls: seitenförmig
Zunge: Dünner, weißer Zungenbelag
Das Behandlungsprinzip besteht im Freimachen der Leberleitbahn

Die Punkte sind
Le 14
Le 3
Gb 24
Gb 34
Gb 40
KG 4

Eine elegante Behandlungsmöglichkeit ist die Nadelung der Medikamenten – analogen Punkte nach BAHR, z.B. für LYCOPODIUM und SULFUR.

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Literaturverzeichnis:
Bahr, F.: Spezialpunkte der Aurikulomedizin 2, Selbstverlag, München, 1997
Heping Yuan: 60 Punkte – 60 Krankheiten, Urban & Fischer, München, 2005
Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, de Gruyter, Berlin, 1997

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. J. Schleimer
Nervenarzt
Homöopathie-Naturheilverfahren
Waltramstr. 3
81547 München



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