Chirotherapie bei CMD und Atlassubluxation

von Günther Grasse

Einleitung

Charakteristisch für Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) sind die drei typischen Symptome wie Gesichts-/Ohrschmerz, Gelenkgeräusche im betroffenen Kiefergelenk und beeinträchtigte Gelenkfunktion. Schätzungsweise 60%–70% der Gesamtbevölkerung sind irgendwann einmal von zumindest einem dieser Symptome betroffen, allerdings ist sich dabei nur zirka einer von vier Betroffenen bewußt, daß es sich tatsächlich um ein medizinisches Problem handelt, und wiederum nur zirka 5% aller Betroffenen nehmen aufgrund der Beschwerden medizinische Hilfe in Anspruch. CMD können in jeder Altersgruppe auftreten, am häufigsten sind diese Beschwerden jedoch in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren zu beobachten, wobei Frauen viermal so häufig davon betroffen sind wie Männer. Hinsichtlich Ätiologie ist sich die Wissenschaft uneins, es wird jedoch von einem multikausalen Zusammenhang ausgegangen. Dies begründet auch die Behandlung dieser Patientenpopulation, die größtenteils in der Form eines multidisziplinären Konzepts, bestehend aus Zahnärzten, Physiotherapeuten, Chirotherapeuten, Osteopathen, evtl. Psychotherapeuten etc., stattfindet. Statistisch betrachtet reagieren zirka 80% aller Patienten gut oder sehr gut auf konservative Behandlungsformen, und oft können die Beschwerden vollständig oder zumindest teilweise behoben werden.

Die Mandibula (Unterkiefer) ist der größte und stärkste Schädelknochen und darüber hinaus der einzige bewegliche Schädelknochen. Das Kiefergelenk wird gebildet aus dem Processus condylus des Unterkiefers, der Fossa mandibularis und dem artikulierenden Teil des Os temporale. Biomechanisch betrachtet ist das Kiefergelenk eine Diarthrose (Kugelgelenk), d.h. ein frei nach allen Richtungen bewegliches Gelenk. Dadurch sind eine Vielzahl von Bewegungen möglich (Elevation, Depression, Protraktion, Retraktion, Rotation und Translation), die beiden Hauptbewegungen sind jedoch Rotation und Translation. Die Rotationsbewegung besteht aus einer kondylären Rotation bis zu einer interinzisalen Öffnung von zirka 25 mm und einer anschließenden translatorischen Bewegung des Kondylus bis zur vollständigen Mundöffnung. Bei einer normalen Mundöffnungsbewegung besteht ein Verhältnis von 4:1 zwischen maximaler Mundöffnung und maximaler Translation, gemessen anhand der Seitwärtsbewegung des Unterkiefers in Richtung contralaterale Seite oder anhand der Protrusion. Dieses Verhältnis liefert hilfreiche Informationen hinsichtlich eines eventuell bestehenden Kiefergelenkproblems.

Wie bereits erwähnt, beinhalten CMD eine Kombination aus klinischen Symptomen, wie Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Bereich der Kaumuskulatur, des Kiefergelenks und eventuell im Bereich des Schädels und des Nackens. Meist sind die Schmerzen morgens am stärksten, und darüber hinaus klagt eine Vielzahl von Patienten über Streß und Schlafstörungen. Bei Bewegungen des Unterkiefers können meist Gelenkgeräusche wie Krepitationen, Klicken und Knacken wahrgenommen werden, außerdem können sehr häufig abweichende (Deviationen) oder eingeschränkte Bewegungen festgestellt werden.

Grundsätzlich können Gelenkgeräusche als möglicher Indikator für CMD betrachtet werden, jedoch kann im Falle von isolier-ten Gelenkgeräuschen, d.h. ohne weitere Symptome, nicht von einem pathologischen Zustand gesprochen werden. Meist jedoch deuten Gelenkgeräusche auf pathologische Situationen, als da wären Diskusverlagerungen, muskuläre Dysbalancen, ligamentäre Veränderungen oder Veränderungen im Bereich der Gelenkflächen (Arthrose).
Weitere Symptome bei CMD-Patienten sind Malokklusion, Hörstörungen, Tinnitus und Schmerzen im Bereich des Ohrs, des Gesichts und der Schulternackenregion.

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Bibliographie
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Anschrift des Verfassers:
Günther Grasse
Heilpraktiker, Physiotherapeut
Praxisgemeinschaft Grasse & Mitch
Gernerstr. 7, 80638 München
Tel. 089 / 179 98 82 50



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