Je freier man atmet, desto mehr lebt man*

Über die Psychosomatik von Lungenerkrankungen und ihre Behandlung mit pflanzlich-homöopathischen Urtinkturen

Von Margret Rupprecht

Die etymologische Entwicklung eines Organnamens erzählt oftmals eine interessante Geschichte. Im Fall der Lunge erweisen sich diese Nachforschungen als überaus aufschlussreich für ein tieferes Verständnis dessen, was sich in einem Menschen abspielt, dessen untere Atemwege mit Krankheitssymptomen reagieren.

Das Wort Lunge kommt aus dem Mittelhochdeutschen und hat denselben Namensursprung wie das Wort leicht. Die Lungen heißen nichts anderes als die Leichten – auch deshalb, weil Lungen von Schlachttieren als einzige Innereien auf dem Wasser schwimmen. Die Begriffe Lunge und leicht, wie auch das Wort gelingen (mittelhochdeutsch: lingen – vorwärts kommen) leiten sich über das lateinische levis – leicht vom altgriechischen elachys – leicht, gering ab.

Lungenerkrankungen als Ausdruck einer verlorenen Leichtigkeit? Die Signatur des Organs geht in eine ähnliche Richtung: Die Lunge besitzt im Gegensatz zu Organen wie Leber, Milz oder Nieren keinen kompakten Bau, sondern ist in Form von zwei Flügeln angelegt. Durch unsere Lungen sind wir geflügelte Wesen. Die Assoziation zu den Engeln drängt sich auf, die ebenfalls zweiflügelig sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass Engelwesen in der Kunstgeschichte mit Flügeln dargestellt werden.

Sie gelten ebenso wie Vögel wegen ihrer Flügel als dem Himmel verwandt, als Mittler zwischen Himmel und Erde und als Verkörperung des Immateriellen, vor allem der Seele. Sie sind geistig-seelische Zwischenwesen mit einer engen Verbindung zum Göttlichen. Durch die Atmung holt der Mensch das himmlische Element in sich hinein und atmet in Form des Kohlendioxids das Endprodukt seiner sich im materiell-irdischen Bereich vollziehenden Stoffwechselvorgänge wieder aus. Mit der Atmung verbindet sich die Innenwelt mit der Außenwelt, das Ich mit dem Nicht-Ich. Da wir alle dieselbe Luft atmen, verbindet sich das Individuum darüber auch mit den anderen Wesen. Symbolisiert wird dies noch von einem zweiten Signaturaspekt: die Ähnlichkeit des inneren Lungenbaumes mit äußeren Bäumen, mit denen der Mensch nicht nur dank ihrer Photosynthese verbunden ist. Atmung ist die Nabelschnur, die jedes Lebewesen lebendig erhält. Das Maß des freien Durchatmens ist das Maß für Gesundheit und Wohlbefinden schlechthin.

So gesehen können Erkrankungen der Lunge auch gesehen werden als Ausdruck der verlorenen Leichtigkeit des eigenen Seins, eines gestörten Kontaktes zur Außenwelt und einer emotionalen Einengung, die der notwendigen Ausdehnung der Lungenflügel entgegensteht. In den Aspekten von Einengung, emotionaler Verletzung und einem verzweifelten Ringen um den eigenen Weg finden sich die Themen der drei großen Lungenkrankheiten Asthma, Bronchitis und Lungenkrebs wider. Heilpflanzen, die aufgrund einer achtsamen Weiterverarbeitung zur Arznei ihre Wesenskräfte und damit ihre psychotropen Wirkungen bewahren konnten, machen eine Behandlung möglich, die nicht nur auf die Körpersymptome wirkt, sondern auch die von Einengung und Verletzung blockierte Seele wieder freier atmen lässt.

Asthma bronchiale und die lösenden Kräfte des Efeus

Bronchitis und die wärmenden Kräfte des Thymians

Lungenkrebs und die befreienden Kräfte des Spitzwegerichs

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Literatur
Udo Becker: Lexikon der Symbole. Herder Spektrum. Freiburg 2005
Ruediger Dahlke: Krankheit als Symbol. Ein Handbuch der Psychosomatik, Symptome, Bedeutung und Einlösung. Bertelsmann Verlag, München 2002
Karl Ernst Georges: Ausführliches Handwörterbuch der Lateinischen Sprache. Hahn´sche Buchhandlung, Hannover 1976
Kluge: Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache. 24. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2002
Rudolf Klußmann: Psychosomatische Medizin. Springer Verlag, Berlin und Heidelberg 1998
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau 2002
Marina Bohlmann-Modersohn: Paula Modersohn-Becker – Eine Biografie mit Briefen. Btb-Verlag 1997
Theodor Fontane: Der Stechlin. Insel Verlag, Frankfurt 2004

* Theodor Fontane: Der Stechlin

1 Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen.

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht
Hohensalzaer Str. 6a
81929 München
Homepage: www.quinta-essentia.info



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