Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Yi Lun

Gesundheitsreform

Eigentlich ist dieses Thema schon so oft in Presse, Rundfunk und Fernsehen kolportiert worden, daß man sich fast nicht traut darüber zu schreiben. Trotzdem möchten wir heute dazu auch einmal Stellung nehmen, da wir ja alle mehr oder weniger von diesem Gesundheitssystem betroffen sind, sei es als Behandler oder als Patient.
Obwohl die Mitglieder der AGTCM überwiegend Heilpraktiker sind, d.h. sie sich zu einem hohen Anteil aus Behandlern zusammensetzt, die im Augenblick von den Entwicklungen auf dem Markt der Gesundheitsreformen und -reförmchen nur partiell betroffen sind, so ist es doch abzusehen, daß die angestrebten Reformen sehr wohl die Heilpraktiker auch betreffen werden.
Sowohl aus dem Blickwinkel des Therapeuten als auch aus dem des Patienten ist es ziemlich offensichtlich, daß das Gesundheitssystem – so wie es sich jetzt darstellt – immer teurer wird und gleichzeitig die Möglichkeiten der Ärzte, sich ihren Patienten zu widmen, immer geringer werden.

Die Presseberichte vermitteln oft den Eindruck, daß es bald keine Ärzte mehr gibt, die im herkömmlichen Sinne als Ärzte arbeiten wollen. Dies liegt vor allem an der unhaltbaren Arbeitssituation in den Kliniken und an der unglaublichen Bürokratie in Praxen und Kliniken. Fast die Hälfte der Arbeitszeit muß für bürokratische Tätigkeiten geopfert werden, ganz zu schweigen von der dünnen Personaldecke, die den im Pflegeberuf Tätigen fast übermenschliche Kräfte abverlangt. Auch die Ausbildungssituation ist diskussionswürdig. Hier ließe sich gewiß noch einiges verbessern und optimieren. Schon seit langem steht fest, daß unser Gesundheitssystem nicht mehr bezahlbar ist, und doch gelingt es nicht, eine effektive Neuorganisation bzw. eine wahre Reform auf die Beine zu stellen.

Budgetierung und Deckelung für Medikamente sind doch eher ein Herumdoktern an den Symptomen, um die unglaublichen Ausgaben zu begrenzen, und zwar möglichst an den Stellen, die sich am wenigsten wehren können. Die satten Gewinne der Pharma-Industrie bleiben dagegen unangetastet, oder wie kann es z.B. sein, daß in Deutschland die meisten Medikamente immer noch um vieles teuer sind als im internationalen Vergleich?
Wer braucht außerdem ca. 160 Krankenkassen in Deutschland? Die große Anzahl an Krankenkassen-Managern und die entstandenen repräsentativen Gebäude verschlingen wertvolle Krankenkassenbeiträge en masse. Man könnte zehn Jahre lang die ineffektivsten Krankenkassen auflösen, die Manager entlassen und die Angestellten und Versicherungsnehmer den 10% der effektivsten Versicherungen zuschlagen.

Am erstaunlichsten ist es jedoch immer noch, daß man als Kassen-Patient eigentlich keinen Vertrag mit dem Arzt oder der Ärztin hat, in deren Behandlung man sich befindet, sondern die Abrechnung läuft über zwei Institutionen: Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkasse. Mit diesem Modus ist der Grundstein für die überbordende Bürokratie gelegt worden und hat die Kosten über die Jahre immer weiter in die Höhe getrieben. Die jetzt praktizierte Deckelung läuft zwangsläufig auf eine verschlechterte Dienstleistung raus.

In dieser prekären Lage sollte man auch darüber nachdenken dürfen, „heilige Kühe“ zu schlachten, was heißt, die Notwendigkeit von Kassenärztlichen Vereinigungen in Frage zu stellen. Die Abrechnung würde dann – wie schon heute bei den Privatkassen – direkt zwischen Arzt, Patient und Krankenkasse laufen. Der Patient bekäme eine Rechnung (immer gut: macht Behandlungen einfach realer), die er bei seiner Krankenkasse einreicht, und je nach Versicherungsmodalitäten muß er einen gewissen Betrag selbst tragen.
Einige Lösungsmöglichkeiten sind ja schon angedacht worden, aber die Interessen der Besitzstandswahrung überwiegen offensichtlich den Handlungsbedarf. Bislang hat der Patient steigende Kosten und Abstriche an Leistungen hinnehmen müssen, und die Ärzte und Ärztinnen arbeiten mehr für weniger Geld.

Unsere Solidarität gilt darum den Ärzten und Ärztinnen, die jetzt auf die Straße gehen und dafür demonstrieren, daß sie sich in Zukunft wieder mehr den Patienten zuwenden können. Das ist in unseren Augen vernünftige Gesundheitsvorsorge.

Nils von Below
1. Vorsitzender der AGTCM



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Naturheilpraxis 03/2006