FACHFORUM

Schutz der Magenschleimhaut durch Süßholzwurzel

Ein traditionelles Heilmittel im Licht neuer Erkenntnisse

Von Jens Bielenberg

Plinius:

“Es gibt nichts, was nicht durch die Kraft der Pflanzen bewirkt werden kann, allein die Kräfte der meisten sind unbekannt.”

Bereits Dioskurides wusste es:

Süßholzwurzel besitzt in der traditionellen Medizin der großen europäischen und asiatischen Kulturen eine herausragende Rolle unter anderem zur Therapie von Magengeschwüren. Bereits Dioskurides berichtet über die Anwendung von Süßholzwurzel-Saftes bei Sodbrennen.

Pedanios Disokurides aus Anazerba in Kilikien, der als Militärarzt unter Clausius und Nero im Gefolge des römischen Heeres weite Teile des Imperiums von Mauretanien bis Britannien kennengelernt hatte, steht am Beginn der klassischen europäischen Arzneimittellehre. Auch Napoleon waren die Heilkräfte der Süßholzwurzel wohl bekannt. Er trug stets eine Schildplattdose mit Süßholzwurzelstückchen gegen seine Magenbeschwerden bei sich.

In der Gegenwart erfreut sich die Süßholzwurzel als Ausgangsstoff für Lakritz nicht nur aufgrund des guten Geschmacks, sondern auch als Heilmittel bei Magenbeschwerden einer großen Beliebtheit. Bereits gegen Ende des zweiten Weltkrieges fand die moderne Wissenschaft Interesse an den günstigen Effekten von Süßholzwurzelextrakten bei Magenulcera. 1946 führte der holländische Apotheker Revers erstmalig Süßholzwurzelextrakte als Therapeutikum bei Magengeschwüren ein. Wenig später identifizierte man die Glycyrrhetinsäure als einen wichtigen Wirkträger der pharmakologischen Effekte. Inzwischen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass auch Flavonoide an der entzündungshemmenden und schleimhautschützenden Wirkung der Süßholzwurzel beteiligt sind. Durch die Entdeckung der Bedeutung von Helicobacter pylori als Verursacher von Magengeschwüren drängte sich die Frage auf, ob die Süßholzwurzel unter anderem durch einen Hemmeffekt auf das Wachstum von Helicobacter pylori wirksam wird. Aus diesem Grunde wurden Glycyrrhizinsäure und Glycyrrhizinsäurederivate am Institut für Medizinische Mikrobiologie in Kiel auf einen eradizierenden Effekt bei verschiedenen Helicobacter-Stämmen untersucht mit dem Ergebnis, dass besonders Glycyrrhetinsäure seine starke keimtötende Wirksamkeit in Abhängigkeit von Konzentration, Zeit und Helicobacter pylori-Stamm aufwies. Empfindlich waren ebenfalls verschiedene Helicobacter-Stämme, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigten.

Traditionelle Anwendungsgebiete der Süßholzwurzel

Süßholzwurzel als Therapeutikum bei Magengeschwüren

Antiulcerogene Effekte durch Interaktion von Glycyrrhetinsäure mit dem Prostaglandinstoffwechsel in der Magenmucosa

Fazit:

Die traditionelle Anwendung von Süßholzwurzel bzw. deren Hauptinhaltsstoff Glycyrrhizinsäure bei Magenulcera wurde lange Zeit auf die Verbesserung protektiver Faktoren der Magenschleimhaut durch die Interaktion von Glycyrrhizinsäure mit dem Gastrin-und Histaminstoffwechsel zurückgeführt. Die protektiven Effekte gegenüber der Magenschleimhaut scheinen jedoch ein multifaktorieller Prozess zu sein. Die zitierten Untersuchungsergebnisse weisen eine gute bakterizide Wirksamkeit von Glycyrrhetinsäure gegen verschieden H. pylori Stämme in vitro nach und schaffen einen weiteren Interpretationsansatz für die gute Wirksamkeit bei Magenulcera. Im Handel erhältlich ist Süßholzwurzelextrakt in Tablettenform zur Behandlung von Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden Liquirit®. Anhand kontrollierter klinischer Studien ist für Glycyrrhizin und Glycyrrhetinsäure die beschleunigte Wirkung auf die Abheilung von Geschwüren der Magenschleimhaut ausreichend belegt. Die Wirksamkeit gegenüber Clarithromycin- und Metronidazol-resistente Stämme gibt Anlass zur Hoffnung, mit Glycyrrhetinsäure die Basis für die Entwicklung einen alternatives Therapeutikum gegen Helicobacter pylori gefunden zu haben. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob Süßholzwurzelextrakte nach erfolgreicher Eradikation mit den etablierten Therapiekonzepten eine erneute Kolonisation von Helicobacter pylori verhindern, und das Ausheilen von Helicobacter induzierten Ulcera beschleunigen kann.

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Anschrift des Verfassers:
Jens Bielenberg
Raphael-Apotheke
Bahnhofstr.53
25364 Westerhorn



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